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Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen in Berlin - Modellversuch für weniger Stickoxide

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In Berlin sollen Autos langsamer fahren, damit die Luft sauberer wird. Eine kontroverse Taktik, denn letztendlich geht es gar nicht um die Geschwindigkeit.

Berlin – Es klingt logisch: Autos sollen langsamer fahren, damit sie nicht so viel Dreck aus dem Auspuff in die Luft pusten. Wer wenig Gas gibt, verbraucht schließlich wenig Sprit. Und stößt womöglich weniger schädliche Stickoxide (NOx) aus. Die NOx-Belastung muss in vielen Städten sinken – anderenfalls drohen Strafzahlungen an die EU.

Die Stadt Berlin testet in diesem Jahr, ob sich mit Tempolimits die Luft verbessern lässt. Auf einem Abschnitt der vielbefahrenen Leipziger Straße gilt ab dem 9. April 2018 Tempo 30. Weitere Hauptverkehrsstraßen folgen. Insgesamt verlangsamt Berlin im Laufe des Jahres den Verkehr auf gut sechs Kilometern Strecke.

Ein Jahr lang wird gemessen, wie sich das Tempolimit auf die Abgase auswirkt. Ziel ist es, den Ausstoß von Stickoxiden zu senken. Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther geht von einer Verbesserung der Schdstoffwerte um zehn Prozent aus, wenn die Tempolimits installiert sind.

Tempo 30 soll die Luft sauberer machen

Woher kommt diese Annahme? Frühere Versuche in Berlin zeigten Erfolge bei der Reduktion von Stickoxiden. Häufig aufgeführt wird dabei die Schildhornstraße im Berliner Stadtteil Steglitz. Je nach Quelle sank hier die NOx-Belastung um 6 bis 9 Prozent, nachdem das Tempolimit auf 30 km/h herabgesetzt wurde. Mehrere fest installierte Blitzer überwachen die Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit.

Erfolge gab es außerdem auf der Beusselstraße in Berlin-Wedding und der Silbersteinstraße in Berlin-Neukölln. Hier sank der NOx-Ausstoß um 5 bzw. 26 Prozent. Pauschal lässt sich der positive Effekt von Tempo 30 auf die Schadstoffbelastung demnach nicht benennen. Er hängt offenbar von weiteren Faktoren ab.

Der Verkehrsclub Deutschland räumt ein, dass Autos bei einer Konstantfahrt mit Tempo 30 mehr Kraftstoff verbrauchen als bei Tempo 50. Tempo 30 führe aber zu einem gleichmäßigeren Verkehr und dadurch zu einer Verbesserung der Abgase. „Vor allem Stickoxid (…) wird deutlich reduziert“ schreibt der Club in einer Publikation von 2012.

Tests: Keine Verbesserungen durch Tempo 30

Messungen der Fachzeitschrift „Auto, Motor, und Sport“ (AMS) und der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) kommen zu anderen Ergebnissen. Die AMS stellte fest: „Bei konstantem Tempo von 50 km/h verbraucht ein Auto nicht nur deutlich weniger als bei 30 km/h, sondern stößt auch nur annähernd halb so viele Stickoxide aus.“ Ursache sei der schlechtere Lastzustand des Verbrenners bei niedrigen Geschwindigkeiten. Ab Tempo 50 arbeite er effizient.

Die LUBW stimmt zu. Das Ergebnis einer Studie aus dem Mai 2011 lautet: „30 km/h führte zu Verschlechterungen der Emissions- und Kraftstoffverbrauchssituation.“ Gemessen wurden die Emissionen von Fahrzeugen der Transporterklasse mit PEMS-Geräten im Stuttgarter Straßenverkehr.

Der ADAC unterstützt die Contra-Partei: „Auf Hauptverkehrsstraßen ist Tempo 30 in der Regel nicht sinnvoll“, schreibt der Club in einem Papier zum Thema. Er argumentiert, dass Hauptverkehrsstraßen dadurch weniger attraktiv werden und sich der Verkehr in Nebenstraße und Wohngebiete verschieben könnte. Zudem verlangsame sich der Verkehrsfluss deutlich, vor allem abseits der Stoßzeiten.

Verbesserungen durch flüssige Ampelschaltung

Diese Aussagen und Messungen widersprechen sich zum Teil deutlich. Aber sie lassen sich trotzdem vereinbaren. Wie, zeigt eine Präsentation der österreichischen FH Joanneum. Diplom-Ingenieur Martijn Kiers und Chris Visser (MSc) erklären in ihrer Arbeit „Die Wirkung einer grünen Welle auf die Verkehrsemissionen“, welche Maßnahmen die Luft besonders verbessern.

Auf einer vierspurigen Straße mit 4,5 Kilometern Länge und zehn Ampeln optimierten die Forscher theoretisch den Verkehrsfluss. Sie schalteten die Lichtanlagen in ihrem Modell so, dass die Fahrzeuge so wenig wie möglich an Ampeln warten mussten. Gegenüber Stop-and-go-Verkehr errechneten sie eine Senkung der Stickoxid-Emissionen um mehr als 60 Prozent. Denn die meisten Schadstoffe entstehen beim Beschleunigen.

Viel Potenzial durch clevere Ampeln also. Das weiß man auch in Berlin. Schon vor elf Jahren experimentierte die Stadt mit verschiedenen Taktiken zur Grünphase. Die grüne Welle rauschte auf der Leipziger Straße erst mit 50, später mit 30 km/h, zwischendurch angepasst an den Verkehrsfluss. Und auch jetzt spielt sie wieder eine Rolle.

Intelligente Ampelschaltungen sind neben der Temporeduzierung Teil des Plans. Vermutlich ein großer Teil. Denn sie bestimmen, wie der Verkehr fließt. Ob nun mit 30 oder mit 50 km/h, ist dabei fast nebensächlich - besser als Stau ist beides. Sind die Straßen voll, geht es eben nur langsam.

Es geht nur zum Teil um die Geschwindigkeit

In gut einem Jahr gibt es in Berlin also keine Messwerte zum Stickoxidausstoß bei geringeren Geschwindigkeiten, sondern Zahlen zu einem besseren Verkehrsfluss. Soweit der Plan. Aber wer die Leipziger Straße kennt, besonders die Gegend um den Potsdamer Platz, der weiß: Tempo 30 wäre zu Stoßzeiten eher eine Beschleunigung.

Kurios: Das Tempolimit gilt rund um die Uhr, auch zu jenen Zeiten, in denen der Verkehr heute mit Tempo 50 problemlos fließt. Auf der Potsdamer Straße, dem Tempelhofer Damm, der Kantstraße und der Hauptstraße in Schöneberg wird es genauso sein. Allesamt vielbefahrene und gut ausgebaute Straßen. Zum Teil mit verlockenden Parallelstraßen, in denen wahrscheinlich weniger kontrolliert wird. Die Befürchtung des ADAC könnte sich also bewahrheiten. Ein Detail, das in den Messungen dann allerdings nicht auftaucht.

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Avatar von SerialChilla
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