Hier wird es persönlich: 2012 verkaufte ich meinen alten Audi 80 an einen Schrauber. Der baute sich daraus einen Rennwagen. Fast vier Jahre später treffen wir uns wieder.
Ingolstadt – Alte Liebe rostet nicht, sagt der Volksmund. Diese hier glänzt wie polierter Edelstahl. Ein Wiedersehen mit rasendem Herz und krampfenden Fingern. Dabei geht es eigentlich nur um einen alten Audi. Aber: um meinen alten Audi. Hinter Plastik-Heckflügel und einem Kobrakopf-Schaltknauf steckte tatsächlich Exklusives. Das Sondermodell „Competition“ baute Audi, um einen STW-Rennwagen zu homologieren. 2.500 Exemplare entstanden 1994. Optisch eine S2 Limousine, technisch nichts Besonders: 2,0 Liter Hubraum, 16 Ventile, 140 PS. Nicht schnell, aber angenehm zu fahren. Zwei Jahre später kam einer, der suchte, was ich besaß. MOTOR-TALKer Christian hatte eine gute Idee und genug Geld. Kurz vor Weihnachten tauschten wir Sch(l)üssel gegen Scheine. Christians Idee war gut, genau wie seine Referenzen. Meine einzige Bedingung: Erzähl mir später, was aus meinem Audi wird. Wiedersehen mit der Ex: Constantins Audi 80 Competition Motorsport statt Rentner-Image: In diesen Audi steigt man nicht ein, man klettert über den Käfig in den Schalensitz. Mir fällt auf, wie schlecht man im Audi 80 sitzt. Das Lenkrad müsste drei Zentimeter nach links rutschen. Sei’s drum, 1994 war so manches anders. Christian erklärt mir Schaltung und Sintermetall-Kupplung. Mir, dem ehemaligen Fahrer dieses ehemaligen Autos. Ich erkenne mein Armaturenbrett wieder, die Türverkleidung hinten rechts mit der Macke im Material und den Lenkstockschalter für Modelle mit Bordcomputer. Den habe ich irgendwann mal nachgerüstet, als ich noch Pläne hatte. Den Bordcomputer selbst hat Christian eingebaut. Der Anlasser rüttelt am Motor, mühsam. „Das hat er manchmal, wenn er warm ist“, kommentiert Christian. Kenn ich, früher lag es an der blöden Einspritzung. Ich helfe mit dem Gaspedal nach. Vorn hustet sich der Fünfzylinder auf Drehzahl. Jede Bewegung, jedes Zucken kommt im Innenraum an. Motor- und Getriebelager hat Christian selbst konstruiert. Sie sind stabiler und steifer als die Serienteile. Die erste, letzte Fahrt im neuen, alten Auto Wir fahren mit offenen Fenstern. Geschlossen wird es heiß im Auto. Die Klimaanlage flog raus. Von rechts zischt der Turbo, die Karosserie vibriert. Geräusche, die normalerweise das Dämmmaterial auffängt, kommen direkt bei uns an. „Jeder normale Mensch würde denken, der ist kaputt“, lacht Christian. Mit steigender Drehzahl dröhnt es im Innenraum, der herrlich asymmetrische Sound des Fünfenders bollert aus zwei Endrohren. Freie Strecke, Vollgas. Die Kraft kommt spät, der Garrett-Lader verlangt Drehzahl. Bei knapp 5.000 Touren liegen 2,0 bar Ladedruck an. Der Schub setzt ein, zerrt und schiebt die leichte Karosserie brutal vorwärts. Getriebe und Antriebe verkraften es. Christian hat alles verstärkt für den neuen Motor. „Ungefähr 720 PS“, sagt er. Das Popometer stimmt zu. So vehement drängt kein Serien-Audi vorwärts. Mein alter Audi 80 Competition ist ein RennwagenDer Competition kann fast so schnell schalten wie mit einem sequenziellen Getriebe. Der Turbo zwitschert, ich gebe wieder Gas. Bei Höchstdrehzahl spuckt der Auspuff Flammen. Der Audi fährt unmittelbar, laut und roh wie ein Rennwagen. Sein Fahrverhalten hat nichts, aber wirklich gar nichts mehr mit meinem Audi 80 gemein. Das Fahrwerk ließ Christian speziell für sein Auto anfertigen. Lenker und Lager sind verstellbar. Sie gleichen die Schwächen der Karosserie aus und verbessern Einlenk- und Fahrverhalten. Die Keramik-Bremsanlage stammt aus einem Audi R8 GT - eins der teuersten Details am Auto: Ein Nachrüstsatz kostet bei Audi 25.000 Euro. Die neue Hardware nimmt dem 80er seine gutmütige Kopflastigkeit. Er fährt direkt und genau ausbalanciert, die (elektrische!) Servolenkung arbeitet präzise wie bei einem Neuwagen. Nichts für den Alltag, aber wunderbar pur und laut. Christian hat den Competition bis aufs Blech ausgezogen und alles bearbeitet, verschönert, ersetzt, lackiert oder neu konstruiert. Zwei Türen musste er tauschen, außerdem die Haube und beide Schürzen. Nur zum Teil meine Schuld. Die Delle im Seitenschweller, der zerknitterte Längsträger hinten, der Rost aus 22 Jahren – alles weg. Stattdessen: Perfekt lackierte Sponsorenlogos, ideale Spaltmaße und ein sauberer Innenraum, auslackiert in Wagenfarbe. Die meisten Schrauben tauschte Christian gegen Teile aus Titan. Vollgetankt wiegt der Wagen jetzt 1.240 Kilo, fast fünf Zentner weniger als noch vor vier Jahren. Mit dem Gewicht hätte sogar der alte 16-Ventiler Spaß gemacht. Zwillinge mit unterschiedlichem Reglement: STW-Audi und StVZO-Competition Beim Aufbau hielt sich Christian streng ans Original. Wie penibel er arbeitet, fällt im direkten Vergleich mit dem echten STW-Audi auf. Der Lackierer orientierte sich nur an Fotos, traf Farbe und Form der Renn-Bemalung trotzdem fast genau. In Christians Audi steckt eine StVZO-taugliche Version des Motorsport-Überrollkäfigs und viele Zitate des Renners. Sogar eine seltene Heckscheibe mit Heizdrähten in „Quattro“-Form hat er gefunden und eingebaut. Bei einigen Details weicht Christians Aufbau vom Vorbild ab. Die winzigen Fiat-Spiegel sind im echten Leben zu klein, Auspuff-Endrohre und Felgen nicht hübsch genug. Die originalen Scheinwerfer sind Basteleien aus einer Hülle und einem Standard-Einsatz vom US-Markt („7-Inch Sealed-Beam“). Und der Vierzylinder-Sauger mit knapp 300 PS war ihm zu zahm. Fünfzylinder-Turbo im Audi-STW-Nachbau Um die Abstimmung kümmert sich Christian selbst. Aktuell experimentiert er mit den Nockenwellen und kämpft gegen hohe Temperaturen im Zylinderkopf. Ein selbstgebauter Kühler auf der Fahrerseite kommt kaum hinterher. Bald kommt ein Neuer. Vor dem Motor sitzen zwei Ladeluftkühler vom Porsche 911 GT2 RS, Baureihe 997, und ein Ölkühler von einem Deutz-Traktor. Die Wasserpumpe stammt vom Audi RS2, die Lichtmaschine von einem Mitsubishi. Den Halter dafür hat Christian entworfen. Hinter dem Motor sitzt ein verstärktes Sechsgang-Schaltgetriebe vom Audi RS2, ausgestattet mit Zahnrädern von Audi RS4 und Q7. Rechnerisch liegt seine Höchstgeschwindigkeit bei 340 km/h, der Verbrauch bei rund 25 Litern 102-Oktan-Sprit. Wenn die Abstimmung steht, muss ein Prüfer viele Zeilen für das Freitextfeld des Fahrzeugscheins verfassen. Er weiß schon, was auf ihn zukommt. Den Umbau hat Christian mit ihm abgesprochen. Auf der Straße leistet der Audi dann etwa 500 PS. Die volle Power darf er nur auf der Rennstrecke ausfahren. Audi 80 Competition STW-Umbau: Technische Daten
Audi 80 Competition STW: Technische Daten
|
