Man braucht kein Öko-Gen, um diesen grünen Kia zu mögen. Nur eine Steckdose. Und Demut: Man ist im Niro Plug-In nie alleiniger Herrscher über den Verbrenner. Alltagstest.
Berlin - Wird man in diesem Plug-in-Hybrid zu einem besseren Menschen? In den Augen unserer Mitmenschen: Eher nicht. Zu wenig sieht man Kias CO2-Sparer Niro das Grüne an. Wer die Bio-Fraktion an der Fußgängerampel beeindrucken will, wählt auffälligere E-Autos. Vielleicht einen BMW i3 oder einen Toyota Prius. Und was macht der Plug-in-Niro mit dem Fahrer? Er sorgt für Ausgeglichenheit. Mit „Langsamkeit“ übersetzt das nur, wer noch nie im E-Modus von der Arbeit nach Hause säuselte. Grenzenlos selbstzufrieden, da vermeintlich emissionsfrei und fast kostenlos. Die moralische Überlegenheit lässt nach, je detaillierter man sich mit dem Plug-in auseinandersetzt. Die Besonnenheit hält an. Abmessungen | Platzangebot | Karosserie | KofferraumQuelle: mobile.de Mit dem Niro weitete Kia 2016 seine SUV-Palette nach unten aus. In der Mittelklasse hat man den Sorento, in der Kompaktklasse den Sportage. Letzterer ist nur 13 Zentimeter länger als der 4,35 Meter lange Niro. Fünf Zentimeter fehlen ihm in der Breite (1,80 Meter), in der Höhe (1,54 Meter) sind es neun Zentimeter weniger. Der Kompakt-SUV ist also nicht zierlich. Der Niro hat bei Kia die Rolle, die der Prius bei Toyota spielt. Ein solitäres Modell, das ausschließlich für alternative Antriebe konzipiert ist. Kunden können zwischen Hybrid und Plug-in-Hybrid wählen. Wir testeten die Variante mit Ladekabel, äußerlich ausschließlich an der zusätzlichen Klappe im linken Kotflügel von der Vollhybrid-Variante zu unterscheiden. Dahinter verbirgt sich der Stecker. Die Lithium-Ionen-Polymerakkus befinden in beiden Fällen oberhalb der Hinterachse. Der größere Akku des Plug-in-Modells beansprucht Platz. Bei aufgestellter hinterer Lehne passen 324 Liter in den Kofferraum, umgeklappt sind es 1.322 Liter. Ohne Stromanschluss passen in beiden Fällen mehr als 100 Liter mehr hinein. Die größere Batterie macht den Plug-in außerdem schwerer, 94 Kilogramm liegen die Basis-Versionen von Vollhybrid und Plug-in-Hybrid auseinander. Mehr als 1.651 Tonnen Leergewicht werden es in keinem Fall. Kia weiß, dass ein akzeptables Gewicht die Grundlage für wenig Verbrauch bildet. Die Koreaner fertigen Motorhaube und Heckklappe aus Alu, das spart insgesamt 11 Kilogramm. Keine Überraschung also, dass Kia auf eine Allrad-Variante verzichtet – da der E-Motor am Getriebe montiert ist, hätte der Weg zum 4WD nur über eine gewichtsintensive Kardanwelle plus Hinterachs-Differenzial geführt. Ohne Mitteltunnel kann Kia den Niro mit einem geräumigen Staufach unterhalb der Mittelarmlehne ausstatten. Das lernt man schnell schätzen: Die Ablagemöglichkeiten sind ansonsten knapp, wenn die Getränkehalter hinter und die Ladeschale vor dem Schalthebel belegt sind. Quelle: mobile.de Die Fond-Passagiere profitieren vom Nichtvorhandensein eines Kardantunnels. Damit ist der mittlere Sitzplatz erwachsenen Mitfahrern wenigstens auf kurzen Strecken zumutbar. Besser sitzt man freilich zu zweit, mit heruntergeklappter Mittelarmlehne inklusive zwei Getränkehaltern. Zwischen Vorder- und Hinterachse des Niro liegen 2,70 Meter, macht 13 Zentimeter mehr Radstand als beim längeren Sportage. Das ermöglicht mehr Beinfreiheit für die zweite Reihe. Innenraum | Verarbeitung | MaterialienDie schönere und angenehmere Sitzreihe ist im Kia Niro wenig überraschend die vordere. Im oberen Bereich der Türverkleidung sitzt hier Soft-Touch-Kunststoff, hinten nur Hartplastik. Die glänzenden Hartplastikflächen im Bereich der Türgriffe passen zum dunklen Innenraum. Sie bleiben lange frei von Fingerabdrücken - wer greift beim Türöffnen auch schon daneben. Das Leder an den äußeren Armlehnen ist nicht übermäßig unterfüttert, greift sich aber angenehm an. Insgesamt wirkt der Innenraum des Niro solide verarbeitet, nichts wackelt, nichts gibt nach. Manchen mag der süßliche Geruch im Innenraum von fabrikneuen Kia Niro stören. Helle Stoffe hat Kia beim Niro nicht im Programm. Das schwarze Armaturenbrett bespannte Kia mit einem Material aus Bio-TPO, das durch Zuckerrohrfasern verstärkt wird. Ganz schön öko. Motor | Getriebe | AntriebDer Niro Plug-in soll Kia Kundschaft bringen, die bislang eher auf Rad und Bahn vertraut - aus ideologischen Gründen, nicht aus finanziellen. Aber man muss kein erklärter Weltverbesserer sein, um die Kombination aus 105-PS-Saugmotors (1,6 l) mit dem 44,5 KW (60,5 PS) starken E-Motor zu mögen. Und das hat nichts mit etwaigen Drehmomentvorteilen des Elektroantriebs zu tun. Allzu überwältigend ist ein Ampelstart im Kia Niro mit seinen 141 PS Systemleistung nämlich nicht. Quelle: mobile.de Die Stärke dieses Autos ist das entspannte Mitschwimmen im Stadtverkehr. Am schönsten klappt das, wenn ausschließlich der E-Motor für Vortrieb sorgt. Eine Taste neben dem Schalthebel des Sechsgang-DSG ermöglicht den Wechsel zwischen Hybrid- und reinem E-Modus. Spätestens wenn sich die Akku-Anzeige dem unteren Sechstel nähert, wird der kompakte Fronttriebler zwingend zum Hybrid. Bis zu 58 Kilometer soll der vollgeladene Niro rein elektrisch schaffen. An einer Ladesäule (240 V, 32 Ampere) klappt das Aufladen des Akkus (Speicherkapazität 8,9 Kilowattstunden) laut Kia in 2:15 Stunden. Wir füllten den Akku stets in 3:45 Stunden an der Haushaltssteckdose unserer Testwagen-Garage. Bei rund 10 Kilometern Arbeitsweg bleibt genug Batteriekapazität für alle Besorgungs- und Vergnügungsfahrten nach Feierabend, ohne zu Hause nochmals an die Steckdose zu müssen. Schon klar, dass der Strom irgendwie gewonnen werden muss und dass ihn auch irgend jemand bezahlt - in dem Fall der Arbeitgeber. Dennoch: emissionsfrei und kostenlos durch die Stadt, so fühlte sich das an. Die Euphorie lässt nach, wenn bei der ersten Fahrt am Morgen der Verbrenner dezent hörbar anspringt und das EV-Symbol (Electric Vehcle) trotzdem munter weiterleuchtet. Wir lernen: Der Benziner ruht im E-Modus nicht zwingend, er sorgt nur nicht für Vortrieb. Laut Kia sind zwei Gründe denkbar, warum der Verbrenner vom Getriebe abgekuppelt mitläuft: Erstens bei einem Batterie-Ladezustand von weniger als 20 Prozent, wo er den Ladezustand als Range-Extender zu halten versucht. So leer war der Akku am Morgen nie. Muss also zweitens greifen: Wenn die Temperaturregulierung im Innenraum ohne Unterstützung des Vierzylinders zu viel Strom ziehen würde. Macht Sinn. Hat aber eben einen unangenehmen Nebeneffekt: Wir werden bei Spritverbrauch und Emissionsausstoß fremdbestimmt. Der Niro lässt nicht mit sich verhandeln: "Sieh her, Kia, der Akku ist zu 95 Prozent voll und wir haben noch 10 Kilometer. Nicht mal wenn ich den Innenraum zur 40 Grad-Sauna mache, bleiben wir im E-Modus vor dem Ziel liegen." Mag stimmen, ist dem Hybrid-Management aber egal. Immerhin ist der Verbrenner im Leerlauf angenehm ruhig. Wenn der Motor am Vortrieb beteiligt ist, also im Hybrid-Modus oder bei Kick-down im E-Modus, wirkt er, zyklusbedingt, relativ laut. Bald geht man lammfromm mit dem Gaspedal um, will das Mitwirken des Benziners möglichst hinauszögern. Aus Ruhebedürfnis, Spaß am rein elektrischen Fahren – und aus Ehrgeiz. Ein Zentiliter weniger Verbrauch geht immer. Bei flüssigem Stadtverkehr und geladenem Akku zeigt der Bordcomputer schon mal weniger als die 3,8 Liter Normverbrauch. Auf Autobahn und Landstraße ist dagegen ein Wert unter sieben Liter schon ein Erfolg. Infotainment | Assistenzsysteme | SicherheitDer Niro honoriert Spritsparbemühungen: Der Bordcomputer gibt die Prozentzahl von ökologischen, normalen und dynamischen Fahrten an. Am sieben Zoll großen Display an der Mittelkonsole kann man im entsprechenden Untermenü einen digitalen Baum zum Leuchten bringen. Quelle: mobile.de In der Praxis wird der große Bildschirm zumeist die Straßenkarte zeigen, der kleine zwischen den Rundinstrumenten auf „Energy-Flow“ gestellt sein. Dann gibt eine Grafik an, ob der Verbrenner aktuell läuft und welches Aggregat gerade antreibt. Bei aktiviertem Navi liefert der Kia vor Abzweigen und Kreuzungen einen Hinweis, wann der Fahrer vom Gas kann. Grundsätzlich: immer früher, als man denkt. Beim Rollen und Verzögern wird die Batterie geladen. Zum Hindernis wird man dabei nicht, doch wer es richtig eilig hat, pfeift lieber auf die Meinung dieses Assistenten. Der Kia lädt das Smartphone induktiv oder über einen USB-Ausgang. Die Menüpunkte sind kachelförmig angeordnet, wie man das vom Smartphone kennt. In unserem Testfahrzeug fanden sich Helfer wie Spurhalteassistent inklusive Verlassenswarner, Notbremsassistent sowie der Abstand-Regeltempomat ACC (alle serienmäßig in der Vision-Ausstattung). Ihre Arbeitsweise lässt sich über den Bordcomputer recht unkompliziert beeinflussen. Ihr größter Feind ist der Schmutz: Sind Mittel- und Leitlinie nicht klar zu erkennen, findet die hinter dem Innenspiegel montierte Stereokamera die Spur schwerer. Fahrwerk | Lenkung | FahrverhaltenDiesem Auto geht es nicht um Dynamik. Fahrwerk und Reifen bestätigen das: Wer den Kia motiviert in die Kurve wirft erntet frühes, unbarmherziges Untersteuern. Dafür sind leichte Wellen auch dann kein Problem, wenn sie im Rudel auftreten. Gegen stärkere Schläge finden die Dämpfer jedoch kein Mittel. Außerdem führen diese zu einem dumpfen Geräusch aus dem Bereich der Hinterachse. Die Lenkung ist leichtgängig und gibt nicht viel Rückmeldung. Das ändert sich im Sport-Modus: Wer den Hebel des Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebes zu sich zieht, erhält eine etwas präzisere Lenkung mit mehr Widerstand, eine schärfere Gaspedal-Kennlinie sowie - nun doch - einen digitalen Drehzahlmesser zwischen den Rundinstrumenten. An dem haben Sportfahrer weniger Freude: Er arbeitet in Schritten von 500 Umdrehungen und aktualisiert zu langsam. Im Sport-Modus macht der Niro in der Kurve insgesamt trotzdem mehr Spaß. Der Verbrenner ist dabei allerdings immer aktiv. Ausstattung | Preis | Kosten | FazitNein, der Kia Niro ist nicht sportlich und nur bedingt hip. Aber irgendwie schafft es dieses SUV, dass das nicht stört. Vielleicht, weil er ein Original ist: Er will nicht der koreanische Prius sein, eifert auch nicht den Performance-lastigeren Plug-in-Modellen aus Deutschland, Schweden oder Großbritannien nach. Quelle: mobile.de Der Einstieg kostet 32.350 Euro. Unser Modell kam in der mittleren der drei Ausstattungslinien Vision (ab 35.550 Euro) und mit der Mehrzahl der gängigen Assistenzsysteme. Außerdem enthalten: Sitzbezüge in Stoff-Leder-Kombination sowie Parksensoren und eine Rückfahrkamera. Über das Technikpaket (690 Euro) kamen noch der Querverkehrswarner, die induktive Ladestation an der Mittelkonsole und getönte Scheiben ab der B-Säule. Die Metallic-Lackierung kostet weitere 750 Euro, womit sich ein Gesamtpreis von 36.990 Euro ergibt. Das liegt bereits nah an der Einstiegsvariante des Toyota Prius mit Stecker: Der japanische Konkurrent startet bei 37.550 Euro. Der Kia bietet nicht dessen futuristische Anmutung, dafür ist er ein praktischer und unaufgeregter Daily Driver mit ebenso grünen Genen. Wer mit dem Plug-in so richtig glücklich werden will, muss zu Hause oder am Arbeitsplatz Zugang zu einer Lademöglichkeit haben, eine überschaubare Anzahl an Kilometern auf der Autobahn abspulen – und sich vom Gedanken an ein garantiert emissionsfreies Fahren bei geladenem Akku und aktiviertem E-Modus verabschieden. Ab sofort verschicken wir unsere besten News einmal am Tag über Whatsapp und Insta. Klingt gut? Dann lies hier, wie Du Dich anmelden kannst. 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