Opel hatte zu einem exklusiven Preview des neuen Astra GTC geladen. MOTOR-TALK war in den heiligen Hallen des Rüsselsheimer Entwicklungszentrums dabei. Fast entsteht der Eindruck, Opel sei bei diesem Modell ein bisschen getrieben. Im Winter zeigten die Rüsselsheimer auf dem Pariser Salon erstmals die Studie GTC Paris Concept. Das Fahrzeug hat ungewöhnlich großes Interesse ausgelöst, sagt Marketing Manager Antonio Asaro. So habe man sich entschlossen, die übliche Abfolge einer Modelleinführung über Bord zu werfen und beim Astra GTC etwas Neues zu probieren. Woran nicht zu rütteln war, war der offizielle Präsentationstermin auf der IAA 2011 und der Auslieferungsstart kurz darauf im November. An allem anderen wurde gerüttelt. So wird der Opel Astra GTC bereits seit dem 7. Juni verkauft, bzw. kann konfiguriert und bestellt werden. Eigentlich ist bei Opel ein Verkaufsstart erst nach der offiziellen Premiere vorgesehen, und wäre damit erst nach der IAA angesetzt worden. Die Fahrpräsentationen für die Presse sollen dann ebenfalls erst im November folgen. So richtig etwas Neues zu erzählen hatte Opel denn auch nicht - die Basisdaten und Preise des GTC sind seit dem 7. Juni ja bereits bekannt. Rund 6.000 Bestellungen sind laut Opel seitdem für den Astra GTC aufgelaufen. Bisher gab es von dem neuen Modell nur Abbildungen von CAD-Computermodellen zu sehen, nun will man das ändern. Also lud Opel noch vor der offiziellen Modellpremiere ein paar Blogger und Fans ins Entwicklungszentrum nach Rüsselsheim ein. Blogger, diese modernen, unkonventionellen Schreiberlinge aus dem Internet. Auch MOTOR-TALK war dabei, und so können wir Euch heute die effektiv ersten Echtbilder des neuen Modells präsentieren - das noch keiner je gefahren hat, der nicht an entsprechender Stelle bei Opel arbeitet. Vorserie oder nicht? Die Opel-Post klärt auf Das hat wohl auch seinen Grund, denn auf welchem Stand der Opel Astra GTC genau ist, da hat bei Opel auch jeder seinen Stand. Designchef Mark Adams ist davon überzeugt, uns ein Exemplar aus der Serie, frisch vom Band, zu zeigen. Im Marketing spricht man von Vorserie. Die Werkszeitung „Opel-Post“ schafft Aufklärung: Bereits im März wurde im Werk Gliwice (Polen) der erste Astra GTC zu Testzwecken montiert. Inzwischen ist der Aufbau der Produktions- und Zulieferprozesse abgeschlossen. Dabei geht es darum, welche Produktionsschritte in welcher Reihenfolge erfolgen und an welcher Stelle welche Materialien angeliefert und verbaut werden. Dabei werden die Materialien permanent überprüft und wenn nötig verbessert. Die Astra GTC, die derzeit existieren, sind also noch nicht der spätere Serienstand - v.a. im Bereich Material und Qualität. Das betrifft seit März etwa 100 Fahrzeuge. Als nächstes werden nun „nach Serien-Standards produzierte“ Fahrzeuge für die NCAP-Tests hergestellt - sogenannte NVBs. Die eigentliche Serienproduktion läuft dann im Oktober an. Das auf den Fotos gezeigte Fahrzeug wies dazu passend an einigen Stellen noch Vorserien-Standard auf. Teile des Innenraums waren z.B. nur notdürftig mit Kunststoff verkleidet. Was man hier sieht, ist also noch nicht das allerletzte Wort zum Thema Qualitätsanmutung. Neben dem Vorserien-Fahrzeug zeigte Opel auch ein 1:1 Modell, das nach Aussage von Mark Adams über zwei Jahre alt ist. Die Unterschiede im Detail muss er schon erklären - das Modell ist ziemlich realistisch, und nur das geübte Auge erkennt vom weitem, dass das kein Auto ist, was man da sieht. Sport-Astra mit Alltags-Mehrwert Wie will Opel den Astra GTC vermarkten? Als erster (und einziger) Dreitürer im Astra-Sortiment soll er mit einer betont sportlichen Linienführung der Sport-Astra sein. Die Unterschiede zum Astra sind dabei nach Ansicht von Opel ausreichend groß, dass man das Modell auch hätte anders nennen können. Stichworte: High Performance Sportfahrwerk, komplett neu gestaltete Karosserie, Vorbereitung für Fahrdynamikregelung und Assistenzsysteme aus dem Insignia. Die Entscheidung, statt einem dreitürigen Einstiegsmodell einen Sport-Astra zu bauen, sei bewusst gefällt worden. Und auch die Entscheidung, ihn Astra zu nennen. Immerhin ist der Astra für Opel mit über 30 Prozent Anteil am Gesamtabsatz das "Herz der Marke", wie Antonio Asaro ausführt. Jedes neue Modell stärkt dieses Herz, das zum Wohle des Unternehmens kräftig pumpen soll. Entsprechend soll 2012 auch noch eine Stufenheck-Variante folgen. Also ein VW Scirocco-Konkurrent? Ja und nein, sagt Produktmanager Siyon Karmona. Ja insofern, dass auf der Astra-Plattform ein eigenständig sein wollendes, sportlich gemeintes Auto steht. Nein insofern, dass dieses Auto sehr viel geräumiger und praktischer als ein Scirocco sein soll. Probesitzen: Vorne unterscheidet sich das Raumgefühl nicht groß vom Astra. Nach hinten ist der Einstieg nicht ganz leicht, aber wenn man erst mal sitzt, sitzt man nicht schlecht. Das Raumgefühl ist nicht direkt großzügig, eher sportlich-eng, aber man scheuert auch als 1,90 Mann weder am Himmel noch an der vorderen Lehne. Mit 370 l ist der Kofferraum ebenfalls Kompaktklassen-tauglich. Wer die Invasion der Knöpfe bei Opel bisher beklagt, wird auch hier nicht glücklicher, die Mittelkonsole wirkt nicht sehr übersichtlich. Am eigentlichen Armaturenbrett gibt es dafür aber keine Missverständnisse. Insignia - für Opel mehr als ein Auto In den heiligen Hallen des traditionsreichen Rüsselsheimer Werks kann man das Ringen von Opel mit der jüngeren Vergangenheit fast mit der Hand greifen und in der Luft riechen. Auffällig ist, dass alle Opel-Mitarbeiter vom Jahr 2009 als Beginn einer neuen Zeitrechnung in Rüsselsheim sprechen und einen neuen Geist beschwören, sei es nun im Design, in der Produktion, beim Image oder der Qualität. Der Insignia war für Opel ein Statement und ein Versprechen, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen - das ist in Rüsselsheim deutlich zu spüren. Sehr (selbst-) kritisch, am liebsten gar nicht, äußert man sich zu Modellen wie Signum, Vectra und Agila. Umso lieber spricht man über den Insignia, Meriva B, Astra und Astra GTC. Und über die kommenden Modelle Zafira Tourer und „Junior“ . Mit dem Insignia kam aber nicht nur ein neues, frischeres Design und mutigere Technik, es kamen auch neue Maßnahmen zur Qualitätssicherung, modernere Prozesse und damit neue Motivation nach Rüsselsheim. Man ist wieder stolz auf seine Produkte, was in den letzten 10 Jahren nicht immer so war. In zwei Jahren will Opel die jüngste Modellpalette aller Wettbewerber haben und die schlechten Erinnerungen so mit Stumpf und Stiel ausrotten. Allerdings fällt auf, dass Opel nach wie vor am Beinahe-Kollaps 2009 zu knabbern hat und auch aktuell eher versucht, das Beste aus beschränkten Möglichkeiten zu machen. Das zeigt sich im Großen daran, dass nur ein Teil der Modelle eigenständige Opel-Entwicklungen sind. Verflochten im GM-Konzern, wird auch in Zukunft einiges zugekauft und nur mit eigenem Kühlergrill versehen werden. Da darf man an ein SUV auf Corsa-Basis oder den nächsten Combo denken, an das große SUV Antara, und vielleicht auch an einen Aveo-Ableger. So einer fährt, als Erlkönig getarnt, derzeit öfter durch Rüsselsheim und trägt klar die Züge einer GM Korea Entwicklung. Im Kleinen zeigt sich die Beschränkung auf das Mögliche daran, dass es bei Opel erst mal kein Start-Stopp-System gibt, das sich mit einem Automatikgetriebe koppeln lässt. Auch in puncto Multimedia-Schnittstellen hat man noch nicht zum Wettbewerb aufgeschlossen. „Wir können nicht alles gleichzeitig machen, aber was wir machen, machen wir richtig“, sagt Asaro. Zu dem, was man „richtig machen“ will, gehört auf jeden Fall der Astra GTC. (bmt)
Quelle: MOTOR-TALK |
verfasst am 11.07.2011
100
MOTOR-TALK (MOTOR-TALK)