Elektromobilität ist auf absehbare Zeit zu teuer und nicht in der Lage, das herkömmliche Auto zu ersetzen. Wie gehen Hersteller damit um? Sie definieren das Anforderungsprofil an ein Auto neu. Wenn Elektromobilität sich durchsetzen soll, muss sie 1) bezahlbar sein, und 2) „cool“ – davon ist Opel-Ingenieur Stefan Gloger überzeugt. Nur, wie bekommt er das hin? „Wir mussten uns von dem Gedanken des Autos, das alles kann und für jede Situation geeignet ist, verabschieden“. So entwarf man etwas, das sich im weiten, noch weitgehend unerschlossenen Feld zwischen Fahrrad und Kleinwagen bewegt. Auf der IAA 2011 wurde der Rak e erstmals gezeigt. Ein kleiner, leichter, geschlossener Zweisitzer, der die Grundidee des Kabinenrollers ins 21. Jahrhundert transportiert. Audi und VW mit ähnlichen Ansätzen Mit dieser Idee war Opel auf der IAA nicht alleine. Audi zeigte den urban concept, VW den einsitzigen Nils, und Renault kommt in Kürze mit dem Twizy sogar schon auf den Markt. Die Grundidee ist immer dieselbe: Eben durch Weglassen von Fähigkeiten, oder, wie das Marketing es ausdrücken würde den Zuschnitt auf ein bestimmtes Nutzungsszenario, elektrisch fahren bezahlbar zu machen. Dieser gedankliche Abschied vom „Voll-Auto“ könnte der berühmte Schwerthieb durch den gordischen Knoten sein, sein, denn er löst viele Probleme, die sich beim Voll-Elektroauto nur mit hohem Kostenaufwand oder gar nicht lösen lassen. „Denken Sie an die klassische Zweitwagennutzung“, sagt Stefan Gloger. Mit dem Zweitwagen fährt man alleine zur Arbeit, mal einkaufen oder das Kind in den Kindergarten und bleibt dabei in einem Radius von meistens unter 40 Kilometern. Dabei soll das Fahrzeug so sicher, robust und wetterfest sein, dass man das ganzjährig tun kann. Das alles kann der Rak e. Was er nicht kann ist, mehr als 2 Personen zu befördern, schneller als 120 km/h und weiter als 100 km zu fahren. Abschied vom „Alles-Auto“: Fast alle Probleme gelöst Nicht unbedingt ein Verzicht, wenn man im Nutzungsszenario Zweitwagen bleibt, für Gloger aber die Lösung fast aller Probleme: Durch den Wegfall der halben Stirnfläche fällt die Aerodynamik dramatisch günstiger aus als bei jedem „Voll-Auto“. Das Gewicht konnte auf ein Drittel (380 kg) eines heutigen Kleinwagens reduziert werden. Dann braucht man auf einmal nur noch einen 14 PS kleinen Motor, um ballungsraumgerechte Fahrleistungen zu erzielen, und auch nur noch eine kleine Batterie (5 kWh, ein Drittel der Ampera-Batterie). Diese kleine Batterie ist dann logischerweise auch viel schneller voll.
Ziel bezahlbare Elektromobilität Der Rak e fährt, Opel zufolge, zu Energiekosten von rund einem Euro pro 100 km, oder auch zum Äquivalent von 0,6 l/100 km. 5 qm Solarfläche auf dem Dach der Garage würden den Energiebedarf des Fahrzeugs decken können. Und der Preis? Der war bei der Entwicklung federführend. So habe man ganz bewusst auf Carbon verzichtet und stattdessen auf bewährte und preiswerte Materialien wie einen Stahlgitterrohr-Rahmen und eine Polypropylenkarosse gesetzt. Bezahlbare Elektromobilität soll auch junge Menschen für den Rak e begeistern. Was Umfrageinstitute feststellen, stellt auch Opel als Hersteller fest: Immer weniger Menschen in der Altersgruppe unter 30 haben und wollen ein eigenes Auto. Wenn man davon lebt, welche zu verkaufen, findet man das natürlich nicht gut. Den Rak e könnte man in vielen Ländern auch ab 16 fahren, der er unter 11 kW leistet. Für den deutschen Markt könnte er auf 45 km/h gedrosselt werden. Zu einem möglichen Endpreis gibt es trotz aller Betonung der Bezahlbarkeit noch keine Auskunft, man darf sich hier aber gerne das Niveau eines aktuellen Kleinwagens vorstellen. Machen wir: Die Listenpreise des Opel Corsa bewegen sich zwischen knapp 12.000 und gut 20.000 Euro. „Deutlich unter 20.000“ werden es aber auf jeden Fall, verspricht man bei Opel. Opel will Reaktionen provozieren Wann Opel eine Serienproduktion starten will, dazu möchte man sich auch nicht äußern. Warum lädt Opel ausgerechnet jetzt Leute nach Rüsselsheim ein, damit sie noch mal was über den Rak e schreiben? „Wir sind im Grunde fertig“, sagt Stefan Gloger. Jetzt gehe es darum, Reaktionen auf das Fahrzeug zu sammeln und dann zu entscheiden, welche Größenordnung eine Produktion haben müsste. „Beim neuen Astra wissen Sie ungefähr, wie viel Sie davon verkaufen können. Aber das hier ist etwas völlig Neues, da gibt es keine Erfahrungswerte. Wenn Sie 100.000 Stück im Jahr herstellen, aber nur 2.000 verkaufen, haben Sie ein Problem“. Das klingt eigentlich schon sehr konkret - und ist auch so gemeint. Das Fahrzeug wird also – irgendwann - mit ziemlicher Sicherheit kommen. Dann stehen wir – eine kleine Runde mit Jens Stratmann von rad-ab.com und „Probefahrer“ Alex Kahl vor dem Fahrzeug. In natura wirkt es ziemlich klein und kompakt, ein Design irgendwo zwischen Raumjäger und Formel -Rennfahrzeug. Die Front mit dem bekannten sichelförmigen Scheinwerferdesign schwingt sich auf zu einem langgezogenen Kuppeldach, das aprupt wie der Hinterkopf eines Borg-Kollektivmitglieds über einer Motorradschwinge endet. Nicht zufällig: Am Design war die Firma Kiska stark beteiligt, die auch bei KTM ihre Finger im Spiel hat. „Design from inside out“, also quasi um die Technik herum – auch das kennt man vom Motorrad. Das anvisierte, jugendliche Publikum da abholen, wo es ist: Aufgeschlossen und navigiert wird mit einer Smartphone-App. Auf der IAA durfte das Rak e Showcar nicht aus der Nähe begutachtet, geschweige denn angefasst werden. Das war jetzt anders: Mit der gebotenen Vorsicht und Einweisung durften wir sogar eine Runde drehen. Wann bekommt man schon mal so ein Einzelstück von Prototyp unter den Hintern? Viele Details entsprechen noch nicht Serienstandard. So sind die Armaturen überwiegend Attrappen, an der Lenkradsäule sollte man sich lieber noch nicht festhalten … mit großem Respekt klettere ich in das fragile, teure Unikat. Vorwärts, Rückwärts, Gas. Bremse, auf, zu – im Grunde alles schon da. Auf Knopfdruck schließt sich die Kuppel über mir, das Lenkrad sinkt in Position. Das Raumgefühl ist bei Weitem nicht so beengt, wie der Rak e von außen vermuten lässt. Eigentlich sogar großzügiger als in vielen aktuellen Pkw, mit ihren fahrerorientierten Armaturenbrettern und ausladenden Mittelkonsolen. Seinen Sozius sollte man aber besser mögen, findet auch der Opel Designer Richard Shaw. Die Fahrerposition kann man mit „sportlich flach“ beschreiben, einem Formel-Renner gar nicht so unähnlich. Interessant, das, naja … Auto? Vorsichtig gebe ich Gas. Der Prototyp lenkt sich etwas sperrig und beschleunigt eher zäh – das soll später definitiv anders werden, ca. 12 Sekunden von Null auf 100 km/h und ein Wendekreis von 5,5 m sind angekündigt. Auffällig ist ein turbinenartiger Heul-Sound. Ingenieur Gloger vergleicht ihn mit einem Star Wars Podracer. „Wir haben das Geräusch mal nicht wegdesignt, nachdem alle Welt Elektroautos zu leise findet“, schmunzelt er. Bleibt das so? „Mal gucken“. Das Fahrgefühl ist, auch mit Experimentalmotor in der Halle, schon recht interessant. Definitiv nicht Roller, aber auch nicht Auto – etwas Neues eben. Auto - Hat man über legt, ob man vielleicht einen neuen Begriff prägen sollte? Ja. Einen endgültigen Vorschlag gibt es zwar noch nicht – aber dafür hat das Marketing ja auch noch ein bisschen Zeit.
Gute Idee oder nicht? Jens, Alex und ich sind jedenfalls beeindruckt von diesem schon recht konkreten Blick in die gar nicht mehr ferne Zukunft. „Lifestyle muss nicht immer gleich Spritschlucker sein“, sagt Gloger. Erste Rückläufer zu „wie kommt so was an?“ hat Opel nämlich auch schon: Erstaunlich oft hätten sich Personen für den Rak e interessiert, deren Idee eher Richtung spaßorientierter Drittwagen geht. Der Rak e punktet als Hobby, tritt in Konkurrenz zum Boot, zum italienischen Sportwagen oder dem gepflegten Oldtimer in der Garage – er ist anscheinend „cool“ genug für die, die sich so ein Hobby leisten. Wie seht Ihr das, wer bis hier durchgehalten hat? Würdet Ihr Opel (oder auch Audi, VW oder Renault) so ein Fahrzeug irgendwo zwischen Roller und Auto abkaufen – als Zweitwagen, als Lifestyle-Mobil oder für den Fuhrpark? Ich persönlich bin mir da noch nicht sicher. Charmant natürlich die laufenden Kosten: Bei einer attraktiven Leasingrate mit Inspektionen inbegriffen würde der Wagen fast nichts extra kosten. Pro 1.000 km ungefähr 10 Euro für Strom, Steuer fällt keine an. Für 70% meiner Fahrten würden Reichweite und Platz ausreichen. Und der Rest? Dafür bräuchte ich dann wohl einen Erstwagen. (bmt) Quelle: MOTOR-TALK |
verfasst am 06.12.2011
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