Paul Bischoff bastelt Rennwagen aus Papier. Das machte er so gut, dass Red Bull ihn direkt für das Formel-1-Team einstellte. Wir haben den Bastel-Profi besucht.
Milton Keynes/Großbritannien - Der V-Motor hat den korrekten Winkel. Die Zylinderkopfschrauben sitzen an den richtigen Stellen und das Hitzeblech ist wie nach einem Rennen leicht verschmutzt. Das Modellauto im Maßstab 1:10 sieht wie eine perfekt geschrumpfte Kopie eines echten Rennwagens aus. Wie ein gekaufter Bausatz. Bausatz? Von wegen. Der kleine Rennwagen ist eine maßstabsgetreue Eigenkonstruktion. Und nicht nur das. Der Flitzer besteht aus Papier, Karton, Kleber sowie ein bisschen Folie und Lack. Es begann mit einer Mail aus Milton KeynesWir haben schon vor einiger Zeit über Paul Bischoff berichtet. Aber nur aus der Ferne. Jetzt haben wir ihn besucht. Im britischen Milton Keynes, bei seinem aktuellen Arbeitgeber: Red Bull Technology. Wie er dahin kam, ist eine Geschichte, die er selbst noch nicht glauben kann: Im Januar 2012 erhält Paul Bischoff per E-Mail ein Jobangebot von Rob Marshall, dem Chefdesinger von Red Bull Racing und damit dem Konstrukteur von Sebastian Vettels Auto. Ohne Bauanleitung, aber mit viel Liebe zum DetailPaul Bischoff ist zu diesem Zeitpunkt Maschinenbau-Student an der Technischen Uni Graz. In seiner Freizeit bastelt er Modell-Rennwagen aus Papier, ohne Bauanleitung, dafür mit viele Liebe zum Detail. In einem Blog berichtet Bischoff über seine Arbeit – und weckt damit das Interesse des britischen Rennwagen-Designers. „Rob hat mir damals geschrieben, dass sie bei Red Bull Racing von meinem Modellauto begeistert sind und er sich freuen würde, wenn ich bei ihm ein Praktikum machen würde“, sagt er. Also fliegt Paul Bischoff nach England, stellt sich vor – und bekommt den Job. Im Sommer 2013 geht es los. Ein Jahr lang darf er echte Rennwagen konstruieren, an Vettels Auto schrauben. Selbst als ich ihn nach Monaten in Milton Keynes besuche, kann er es noch nicht glauben, dass er wirklich für Red Bull arbeitet. Ein Heckflügel für Sebastian Vettel„Viele Leute hier in der Fabrik haben mich und meine Arbeit schon gekannt, das war cool“, sagt er. Als „Composite Design Engineer“ ist Paul Bischoff für Komponenten der Rennwagen zuständig, unter anderem für die Front- und Heckflügel. „Durch mein Hobby kenne ich fast alle Bauteile, das hilft mir sehr bei der Arbeit“, sagt der 24-Jährige. Und das, obwohl Vettels Dienstwagen aus etwa 10.000 Einzelteilen besteht. „Technikbegeistert war ich schon als Kind, das kommt mir bei meinem Hobby, aber auch im Job, zugute“, sagt er. Dass Bischoff einer von 600 Mitarbeitern bei Red Bull Technology und Infiniti Red Bull Racing ist, verdankt er auch seinem Vater. Der schenkte ihm zum achten Geburtstag einen Modellbaukasten für Flugzeuge. Paul verstand die technische Anleitung und hatte eine ruhige Hand. Nach vier Jahren ist er das Nachbauen nach Anleitung leid. Er beginnt, anhand von Fotos und technischen Zeichnungen komplexe Flugzeuge zu zeichnen und zu kleben. Das erste Auto bestand aus 250 TeilenEin Jahr später sieht der 13-Jährige sein erstes Formel-1-Rennen im Fernsehen. Und er sieht den wilden Finnen Kimi Räikkönen. „Ich fand den einfach cool. Und natürlich die Autos, die Technik, die Details“, sagt Paul Bischoff. Zuhause im Bregenzer Wald in Voralberg packt er seine Schere aus der Schublade. Er besorgt sich Baupläne, studiert alte Reglements und forscht im Internet nach aussagekräftigen Fotos. „Die fertigen Bausätze waren mir zu ungenau. Ich musste mir deshalb eigene Autos konstruieren“, sagt Paul Bischoff. Nach einem halben Jahr ist der erste Papier-Rennwagen im Maßstab 1:10 fertig, bestehend aus rund 250 Teilen. Mit der Zeit werden die Modelle komplexer und anspruchsvoller. „Pro Fahrzeug benötige ich rund ein halbes Jahr Recherche“, sagt er. Und ein ganzes Jahr für die eigentliche Arbeit. Mit 15 Jahren träumt er das erste Mal von einem Job in der Formel 1, besucht die technische Schule und beginnt dann, in Graz Maschinenbau zu studieren. „Dass ich so früh in der Formel 1 lande, hätte ich nie geglaubt. Und dann noch, ohne mich zu bewerben“, sagt er. Mehr als 6.500 Teile pro AutoBis heute hat Paul rund 40 Autos gebastelt. Mittlerweile bestehen sie aus mehr als 6.500 Einzelteilen. „Details sind mir sehr wichtig. Alles, was man von außen sehen kann, muss so detailliert wie möglich sein. Mit den Jahren wachsen die Ansprüche“, sagt er. Dass er mit Papier und nicht mit Holz oder Kunststoff arbeitet, hat übrigens drei Gründe: „Papier ist einfach zu bekommen, leicht zu bearbeiten und sehr günstig. Meine Materialkosten liegen bei etwa 60 Euro pro Auto“, sagt Paul. Dafür kostet sein Hobby jede Menge Zeit. Für den Red-Bull-Modell-Rennwagen RB7 benötigte er rund 850 Stunden. „Das Schneiden und Kleben ist für mich aber Entspannung. Andere schauen fern oder zocken Playstation. Ich bastle in der Zeit lieber an meinen Autos“, sagt der Student. Sein liebstes Stück ist der RB7. „Ohne den hätte ich diesen Job nicht bekommen“, sagt er mit einem breiten Grinsen. Im Herbst wird Paul Bischoff nach Graz ziehen, um sein Studium zu beenden. Hat er das geschafft, möchte er am liebsten sofort wieder zurück nach Milton Keynes, dem kleinen Ort nördlich von London. Einen Fürsprecher hat er bereits: Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel war von dem Modellauto RB7 derart begeistert, dass er es gleich behalten wollte. |