Alle wollen an die Daten, die ein Auto produziert - aber wer darf sie weitergeben, Hersteller oder Halter? Eine offene Frage, an der viele Geschäftsmodelle hängen.
Quelle: picture alliance / dpa München - 2014 überholte Google beim Börsenwert Exxon Mobil. Überholen die Daten,die ein Auto generiert, schon bald im Wert das Auto selbst? Um die kommerzielle Verwertung dieser Daten ist ein scharfer Wettbewerb zwischen Autoherstellern, Versicherern, Zulieferern und Start-ups entstanden. Sie alle wittern neue Geschäftsmodelle. Datenschützer betrachten die Entwicklung misstrauisch. "Das ist zu einem permanenten Thema geworden und wird uns noch viele Jahre beschäftigen", sagt Thomas Kranig, Präsident des bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht. Denn ein Auto produziert Daten in rauhen Mengen. Personenbezogene Daten, Fahrzeugdaten, Bewegungsdaten. Zu Geld machen lässt sich im Prinzip alles. Nicht nur die persönlichen Daten des Fahrers sind von Bedeutung. Auch an technischen Daten ohne Personenbezug herrscht reges Interesse. Autohändler, Werkstätten, Zulieferer, Versicherer, Automobilklubs, staatliche Stellen wie Verkehrsplaner oder die Justiz bei der Aufklärung schwerer Verkehrsunfälle: Sie alle können damit etwas anfangen. Technisch oder personenbezogen?Schon heute sind die Bewegungsdaten eines Autos - ohne Personenbezug - Grundlage vieler Echtzeit-Navis und Stauwarnsysteme. Ist das Auto bekannt, können Arbeitgeber mit Hilfe von GPS-Trackern nachprüfen, ob die Belegschaft mit dem Firmenauto Umwege fährt oder zu lange Pausen macht. Einzelhandels- oder Tankstellenketten können anhand der Verkehrsströme analysieren, wie sich der Umsatz ihrer Filialen verbessen lässt. Apps melden freie Parkplätze. Mit personenbezogenen Daten sind noch mehr Anwendungen möglich. Das Auto als Zahlungsmittel etwa, das Rechnungen an der Tankstelle begleicht. Oder personalisierte Reklame auf dem Fahrzeugdisplay für Geschäfte in der Nähe, ausgerichtet auf den Geschmack des Fahrers. Schon heute möglich: Autohersteller bieten über das Bordsystem dem Kunden Inspektionstermine an, wenn das Intervall erreicht ist. Wer gibt der Versicherung "seine" Daten?Aber: Ganz so einfach ist das alles nicht. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz hat der Halter des Fahrzeugs ein Selbstbestimmungsrecht über seine personenbezogenen Daten. Die technischen Fahrzeugdaten dagegen werden von den Autoherstellern ungern geteilt. Beispiel BMW: Hat ein "Connected Drive"-Kunde des Münchner Herstellers eine Panne, übermittelt das Auto den Hilferuf des Fahrers sowie Daten zur Identifizierung und Lokalisierung des Fahrzeugs, gegebenenfalls an von BMW beauftragte Dienstleister. "Anschließend werden die Daten gelöscht. Eine Weitergabe der Daten an Dritte findet darüber hinaus nicht statt", betont eine Sprecherin des Münchner Autokonzerns. Bei der Versicherung Allianz geht die Geschichte so: "Die Fahrzeughersteller haben sich in der Vergangenheit teilweise auf den Standpunkt gestellt, dass es sich bei den im Fahrzeug gespeicherten Daten lediglich um fahrzeug- und nicht um fahrerbezogene Daten handle, so dass dem Fahrer auch kein Recht an den Daten zustehe", sagt Joachim Müller, Chef der Sachversicherung in Deutschland. "Das sehen wir als Allianz anders." Der Versicherungskonzern möchte sämtliche im Auto gespeicherten Daten, und sei es die Motordrehzahl, dem Halter zuordnen. Der könnte dann entscheiden, ob und mit wem er diese Daten teilt - nicht mehr der Hersteller. Vielleich teilt er seine Fahrdaten ja mit der Versicherung, wenn sie ihm dafür eine attraktive Gegenleistung anbietet. Die Einwilligung des Fahrzeughalters oder Fahrers vorausgesetzt, "muss auch ein fairer und diskriminierungsfreier Wettbewerb um die Daten und die damit ermöglichten Kundenservices im Fahrzeug gewährleistet sein", sagt Müller. Das mit der Einwilligung sieht BMW auch so - ohne diese können bestimmte Connected-Drive-Funktionen eben nicht genutzt werden. BMW will die Daten aber selbst vermarkten und nicht einfach weitergeben. Gern auch an Versicherungen. Versicherer wollen Allround-Dienstleister werdenDie Allianz ist in Deutschland nach Kundenzahl der zweitgrößte Kfz-Versicherer. Der Marktführer HUK Coburg plant Rundum-Serviceangebote, die weit über eine traditionelle Kfz-Police hinausgehen, wie Vorstandssprecher Joachim Weiler im April ankündigte. Die Coburger denken über viele künftige Bausteine nach - darunter Tanken, Park-Apps, Autowäsche und Tuning. Auch der bayerische Datenschutz-Präsident Kranig betont die Trennung von technischen Daten und auf persönlichen Vorlieben beruhenden "Infotainment"-Dienstleistungen im Auto. Bei letzteren ist ein von Facebook und anderen sozialen Medien bekanntes Phänomen zu beobachten: Viele Menschen geben persönlichste Dinge ganz freiwillig preis. "Da ist natürlich im Verhältnis zu dem, was früher üblich war, von der Privatsphäre nicht mehr so viel übrig", sagt der Behördenchef.
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