Der Reliant Scimitar war schon seinerzeit ein Exot, denn nach Deutschland kam das schnelle Kombi-Coupé offiziell nie. Friedhelm Schiffer kam eher durch Zufall an den Briten, der seiner Zeit weit voraus war. Manche Leute fahren Hunderte von Kilometern weit, um ein Auto zu kaufen. Friedhelm Schiffer aus dem Raum Düren war 2005 eigentlich nur für einen Besuch in die deutsche Hauptstadt gereist – doch dann kam diese Visite im Meilenwerk… Dort lauerte er und wartete auf einen neuen Besitzer: Ein Reliant Scimitar, in traditionellem British racing green, mit Vinyldach und schwarzem Lederinterieur. „Genau so ein Auto hat mich immer gereizt“, bekennt Friedhelm, der Mitte der sechziger Jahre zur Welt kam und damit einer Generation angehört, für die die Erstausstrahlung von TV-Serien wie „Mit Schirm, Charme und Melone“ zur freizeittechnischen Pflichtübung gehörte. Dort waren solche Fahrzeuge häufiger im Bild zu sehen, und aus dieser Zeit stammt wohl auch Friedhelms Faible für britische Autos – neben dem Reliant nennt der Laborant auch einen Triumph Spitfire sein eigen. „Meinen Scimi habe ich im Meilenwerk gesehen, als ich kurz vor Ostern dort mit Freunden hindurchgeschlendert bin“, erinnert sich der Rheinländer. „Am Ostermontag habe ich dann gesagt: 'Den kaufe ich jetzt!' Und ich hatte Glück, denn der Verkäufer war trotz des Feiertags greifbar und bereit, mir eine Probefahrt zu ermöglichen. Die war ein Abenteuer – meine erste Fahrt mit einem rechts gelenkten Auto. Aber auch daran habe ich mich nach einem ersten unliebsamen Kontakt mit einer Verkehrsinsel schnell gewöhnt. Danach sind wir uns rasch einig geworden.“ Den Preis, der immerhin knapp fünfstellig war, empfindet der Mann aus Vettweis heute als „etwas überzogen, aber ich wollte einen Scimitar, den ich fahren konnte, ohne erst großartig basteln zu müssen.“ Und fahrbereit war das dunkelgrüne Exemplar, außerdem mit deutschen Papieren und sogar schon mit H-Kennzeichen ausgestattet. Die 14 zölligen Wolfrace-Felgen mit den 195er Gummis trug er bereits. Die GFK-Karosserie machte ebenso einen ordentlichen Eindruck wie das mit schwarzem Leder bezogene Gestühl. Die Heimfahrt über die Autobahn rund 600 Kilometer Richtung Westen gehört zu den schönsten Erlebnissen, die Friedhelm Schiffer mit seinem grünen Briten hatte: Er genoss das souveräne Fahren mit der Kraftentfaltung des Ford Essex Motors unter der Haube, der den Wagen bei Bedarf auf über 200 km/h katapultiert. Genauso genoss er die verwirrten Blicke der anderen Autoinsassen, die meist gar nicht wussten, was da an ihnen vorbeizog. Auf Dauer aber stellten sich doch einige fahrzeugtypische Eigenheiten heraus. An dem recht beengten Fußraum kann auch der neue Eigentümer des 1974 gebauten Lifestyle-Kombis nichts ändern, doch einige andere Marotten hat er ihm inzwischen abgewöhnt. Dazu gehört die anfängliche Unzuverlässigkeit der Lichtanlage: Mal ging der eine Scheinwerfer nicht, mal der andere, und ab und an blieben beide dunkel. Elektrikhersteller Lucas machte seinem üblen Ruf als „Erfinder der elektrischen Dunkelheit“ einmal mehr alle Ehre, doch der gelernte Kfz-Fachmann Schiffer fand den Teufel im Detail – unterdimensionierte Relaisschaltungen – und trieb ihn aus. Die übermäßige Wärmeentwicklung des drehmomentstarken, aber hitzeempfindlichen Dreiliter Ford Triebwerkes ist ein weiterer Kritikpunkt, den es mittelfristig zu beseitigen gilt. A propos beseitigen: Die Rückbank, nach Ansicht des Eigentümers beim Scimitar allenfalls für Kinder dimensioniert, hat Schiffer entfernt und so aus dem Reliant einen zweisitzigen Kombi mit durchgehend ebener Ladefläche gemacht. Im ehemaligen Fußraum entstanden zwei zusätzliche Gepäckfächer; dass dieser Einbau problemlos reversibel ist, versteht sich bei einem ansonsten sehr originalen Fahrzeug von selbst. Obwohl der Scimitar in verschiedenen Versionen von 1964 an über 20 Jahre lang gebaut wurde, ist er auf hiesigen Straßen ein höchst seltener Gast. Offiziell nach Deutschland importiert wurde der Wagen, der nach einem orientalischen Krummsäbel benannt wurde, nie. Er war seiner Zeit offenbar ebenso sehr zu weit voraus wie seinerzeit der Volvo 1800 ES oder der BMW 02 touring – die Zeit der Lifestyle-Kombis (britisch: „Shooting brakes“) sollte erst eine gute Dekade nach dem Bau von Friedhelm Schiffers Scimitar anbrechen… von Michael Grote
Quelle: Carsablanca |
verfasst am 17.06.2009
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