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Classic Driving News

Renaults letzte Nummer

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Das Renault 19 Cabrio war der letzte Renault, der als Bezeichnung schlichte Zahlen am Heck trug. Denn Ende der 80er Jahre wurden die Ziffern knapp. Nichtsdestotrotz wurde das Renault 19 Cabrio ein großer Wurf.

Es waren schöne Zeiten, als Autos schlichte Bezeichnungen trugen, etwa R 4, R 16 oder eben Renault 19. Mit freundlichem Gruß an das Renault-Marketing: Wer soll sich Namen wie Latitude, Modus, Koleos oder gar Vel Satis merken? Zum Vokabel pauken gehen wir in die Volkshochschule und nicht zum Autohändler.

Dabei war gerade Renaults letzte Nummer ein richtig großer Wurf. In den Jahren 1990 bis 1994 war der Renault 19 immerhin das meistverkaufte Importauto in Deutschland. Und speziell die Cabrio-Version vermag auch heute noch viele zu begeistern. So etwa den Kassierer der Tankstelle, bei der der Youngtimer während der Fotofahrten einen Boxenstopp einlegte. Was für ein Renault das denn sei, wird der Kunde gleich bestürmt - wie alt, wie schnell, wie teuer?

Die Fragen sind schnell beantwortet: Unser knackig rotes Renault 19 Cabrio lief 1993 vom Band und wird von einem 88 PS starken 1800er-Motor angetrieben, Kilometerstand 149.000. Das Auto stammt aus dem Angebot des Händlers Dirk Thomas Heringshaus aus dem schwäbischen Leonberg, spezialisiert auf stilvolle Youngtimer. Ein paar Schönheitsfehlerchen schaffen eine gute Verhandlungsbasis für potenzielle Käufer.

Die Formel: Renault = Rost gilt hier nicht

Der gemessen am Alter gute Zustand des Renault 19 Cabrio ist eigentlich typisch für die Baureihe. Und das ist im Nachhinein betrachtet durchaus bemerkenswert. Im Jahr 1988 nämlich, als die Serienfertigung des Golf-Konkurrenten Renault 19 begann, stand es um den Ruf französischer Autos hierzulande nicht zum Besten. Die Freude an innovativer und durchaus robuster Technik wurde oft durch starke Qualitätsschwankungen getrübt, insbesondere die Korrosionsneigung von Renault-Automobilen war berüchtigt. Mit dem Renault 19 wurde alles besser. Hinzu kommt, dass die vom italienischen Designer Giugiaro entworfenen Formen schlanker und frischer wirken als jene der doch etwas plump gezeichneten direkten Konkurrenten Golf II (1983 bis 1992) und Golf III (1991 bis 1997). Noch eins drauf setzte dann das Renault 19 Cabrio. Anders als die wegen ihrer Überrollbügel als "Erdbeerkörbchen" bespöttelten offenen VW kam das von Karmann gefertigte Renault 19 Cabrio völlig oben ohne daher. Und seinen beiden Hutzen auf der Dachabdeckung haben fast schon etwas Verwegenes. Ein bisschen erinnert der Renault in geöffnetem Zustand an Cabrios vom VW- und Audi-Veredler Treser.

Einfach und effektiv: die Verdeckbetätigung

Im Gegensatz zu den Produkten von VW sieht ein Renault 19 Cabrio auch mit geschlossenem Verdeck stimmig aus. Hinzu kommt, dass das Dach recht stabil ist und nicht durch übermässige Geräuschentwicklung auf sich aufmerksam macht. Warum weder gegen Geld noch gute Worte elektrische oder hydraulische Öffnungshilfen geordert werden konnten, erschließt sich schnell: Verriegelungen lösen, Kunststoffklappe öffnen, Dach zusammenfalten, Klappe zu, schon lacht im Innenraum die Sonne. Der Fahrer des Renault 19 Cabrio registriert dann, dass das Interieur größtenteils aus Kunststoffteilen besteht, Typ pflegeleicht. Wer sein Auto als puren Gebrauchsgegenstand betrachtet, nimmt dies eher beruhigt denn mit Missmut zur Kenntnis. Das Gestühl ist französisch weich, aber auch nach 20 Jahren nicht durchgesessen. Das Platzangebot ist vorn wie hinten völlig ausreichend, lediglich der Kofferraum fällt im Vergleich zur Limousine oder dem Stufenheckmodell Chamade etwas knapper aus.

R19-Motor legt ohne Aufgeregtheit los

Der Motor des Renault 19 Cabrio hat etwas über dreieinhalb Erdumrundungen gut weggesteckt. Nach dem Anlassen schnurrt er wohlig vor sich hin, das 88 PS starke Aggregat erweist sich als entspannend sanft. Der Renault marschiert flott, aber ohne aufgeregte Spritzigkeit los, objektiv bewegen sich die Fahrleistungen im guten Mittelfeld. Die Schaltwege des Fünfganggetriebes sind etwas lang, doch das stört angesichts des eher sanften Motorcharakters kaum.

Die beim Fotofahrzeug auf zeitgenössischen Aluline-Felgen montierten 195er anstatt der serienmäßigen 175er-Reifen entsprechen in den Dimensionen jenen des 135 PS starken Renault 19 16 V. Über den Sinn der Tieferlegung mag man streiten. Auf der Habenseite ist zu verbuchen, dass das Renault 19 Cabrio damit noch einen Hauch gestreckter und eleganter wirkt, was nicht unwesentlich zum hohen Aufmerksamkeitsfaktor bei jugendlichen Tankstellenmitarbeitern beitragen dürfte. Außerdem liegt das Auto mit den Fahrwerksmodifikationen sportlich satt in der Kurve, weshalb mitunter durchaus der Wunsch nach mehr Leistung aufkommt.

Allerdings verstärkt die straffere Fahrwerksauslegung die - je nach Exemplar - mit zunehmendem Alter mehr oder weniger ausgeprägte Klapperneigung des Renault 19 Cabrio. Außerdem verschlechtert sich der im serienmäßigen Zustand sehr gute Federungskomfort, jene Eigenschaft, die im Vergleichtest viersitziger Cabrios in auto motor und sport anno 1992 lobend hervorgehoben wurde. Und die mit zum Testsieg gegen Ford Escort, Rover 216, Opel Kadett E und Golf II beitrug.

Ein Renault 19 Cabrio  ist sicherlich kein Aufreger, aber vielleicht gerade darum für viele interessant. In der Summe seiner Eigenschaften präsentiert er ein solides Alltagscabrio, das - noch - vergleichsweise günstig zu haben ist. Besonders lange sollten Interessenten freilich nicht mehr warten. Insbesondere die Preise für 16V-Cabrios mit guter Ausstattung ziehen allmählich wieder an.

Quelle: Motor Klassik

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