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Elektronik-Defekte: Zu Besuch beim Kabelbaum-Doktor - Retter maroder Kabelbäume

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Probleme mit der Motorelektronik können schnell den Fahrspaß verderben und zum Totalausfall führen. Die Kabelbaumschule kann helfen. Ein Werkstattbesuch.

Von Haiko Prengel

Möckern – Mit seiner Fingerfertigkeit hätte Frank Weise einen guten Chirurgen abgegeben. Die Innereien von maladen Autos zusammenzuflicken, verlangt viel Geschicklichkeit. Gerade hat der 36-Jährige das Herzstück einer 25 Jahre alten Mercedes E-Klasse freigelegt: Der M111-Motor des E 220 möchte nicht mehr so richtig, das Aggregat läuft unruhig und geht öfter an der Ampel aus.

„Das sind typische Symptome eines defekten Motorkabelbaums“, sagt Frank Weise und hält zum Beweis die maroden Zuleitungen des Vierventil-Vierzylinders hoch. Die Gummiisolierung ist an vielen Stellen brüchig, teilweise liegen die Drähte blank. „Im günstigsten Fall kann das zum Ausfall der Zündung, im schlechtesten Fall zum Totalverlust des Fahrzeugs durch einen Motorbrand führen“, erklärt Weise.

Der Mann aus Möckern in Sachsen-Anhalt ist Experte für solche Kurzschlüsse im Motorraum. Vor zwei Jahren hat Weise die Kabelbaumschule gegründet – eine Fachwerkstatt für defekte Motorkabelbäume. Das klingt nach einem exotischen Defekt am Auto, ist aber ein Problem, das sehr viele Fahrzeuge speziell aus den Neunzigerjahren betrifft.

Vor allem Mercedes sind betroffen

Damals wurde bei den Verkabelungen aus Umweltschutzgründen der Lösemittelanteil gesenkt. Das war gut gemeint, führte aber bereits nach moderaten Laufleistungen zu bröckelnden PVC-Ummantelungen. „Die Isolierungen waren der Motorhitze nicht mehr gewachsen“, erklärt Frank Weise. Die Ausfälle könnten sich auf vielerlei Weise äußern: die Drehzahlen beginnen zu schwanken oder einzelne Zylinder setzen aus. Der Motor geht spontan aus oder das Motorsteuergerät wird beschädigt.

An dieser Krankheit laborieren noch heute Tausende Fahrzeuge, viele davon sind inzwischen Youngtimer. Schwierigkeiten mit maroden Leitungssätzen haben zum Beispiel die Mercedes-Baureihen W124, R129, W140 und W202. Auch bei Modellen anderer Hersteller aus dieser Zeit können Probleme mit dem Motorkabelbaum auftreten, aber laut Frank Weise nicht in der Fülle wie bei Mercedes-Benz.

Die Kosten für einen neuen Original-Motorkabelbaum sind indes beträchtlich: Je nach Modell und Motor verlangt Mercedes-Benz Classic zwischen 500 und 1.200 Euro für einen neuen Satz, nur für das Ersatzteil und ohne Einbau. Da kann sich eine Reparatur lohnen.

Instandsetzung aus Eigenbedarf

Auf die Idee, marode Kabelbäume instandzusetzen oder nachzufertigen, kam Frank Weise aus Eigenbedarf: Privat fährt er ein Mercedes E320 Cabriolet der Baureihe 124. In dem Klassiker säuselt ein geschmeidiger Vierventil-Reihensechszylinder mit 220 PS. Doch plötzlich fing der M104 an zu spinnen. Anfangs war es bloß ein unrunder Motorlauf. „Dann lief er nur noch auf vier Pötten“, erinnert sich Frank Weise. Also fing er an, sich mit Ursachenforschung zu beschäftigen. Und stieß relativ schnell auf brüchige Kabel im Motorraum.

Heute bekommt sein Unternehmen Anfragen von Youngtimer-Besitzern, Werkstätten und sogar Mercedes-Benz-Niederlassungen. Nachgefertigt werden alle Kabelbäume in Handarbeit - mittels selbst erstellter Werkzeichnungen und originalen Schaltplänen. Dabei wird jede Einzelleitung und jeder Stecker ersetzt – etwa für Nockenwellensensor, Temperaturfühler Ansaugluft und Kurbelwellensensor.

„Wir erneuern die alten Stecker, reinigen die Lötkontakte, ersetzen die Crimp-Kontakte, reinigen die Kabelschiene und montieren den Kabelbaum in derselben“, erklärt Frank Weise. Als Isolierung verwendet sein Betrieb Silikon, das bis 180 Grad Celsius temperaturstabil ist. Dadurch sei die Lebensdauer der Kabel um ein Vielfaches höher als die der herkömmlichen Sätze aus PVC, das nur bis 105 Grad temperaturstabil sei, sagt der 36-Jährige.

Je nach Auftragslage benötigt die Kabelbaumschule vier bis zehn Werktage für die komplette Nachfertigung eines Motorkabelbaums. Das Gros der Aufträge sind Fahrzeuge mit Vier- und Sechszylinder-Motoren, ab und an ist auch mal ein Achtzylinder dabei. Fast wie Weihnachten wäre es für Frank Weise, wenn mal wieder ein Kunde mit einer S-Klasse und majestätischem M120 unter der Haube bei ihm vorfährt. Der werksinterne Code steht für den Zwölfzylinder-V-Motor von Mercedes-Benz der 90er-Jahre. Markenzeichen: sechs Liter Hubraum. Und ein gewaltiger Kabelbaum mit vielen Steckern, bei dem einem nicht langweilig wird.

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