Blut- oder Atemkontrolle? Der Verkehrsgerichtstag diskutiert eine mögliche Abschaffung der Blutprobe bei Alkoholfahrten. Acht Fragen und Antworten.
Goslar - Jedes Jahr müssen in Deutschland Schätzungen zufolge mindestens 50.000 Autofahrer zur Blutprobe, weil sie beim Atemalkoholtest aufgefallen sind. Überflüssiger Aufwand, durch den Arbeitszeit verschwendet wird, klagen Polizeigewerkschafter. Befürworter sprechen dagegen von einem unverzichtbaren Beweismittel. Beim 54. Deutschen Verkehrsgerichtstag (VGT, 27. bis 29. Januar) geht es in dieser Woche um die Frage, ob die Blutprobe generell abgeschafft werden soll oder nicht. Wann müssen Verkehrssünder zur Blutprobe?Wer beim Pusten einen Wert von mehr als 1,1 Promille Alkohol erreicht, muss sich Blut abnehmen lassen. Ab diesem Wert ist Fahren unter Alkoholeinfluss keine Ordnungswidrigkeit mehr, sondern eine Straftat. Nach richterlicher Anordnung wird ein Arzt hinzugezogen, der dem Betroffenen Blut abnimmt. Bei Werten von weniger als 1,1 Promille reicht die Atemalkoholanalyse. Warum steht das Thema „Blutprobe“ beim VGT auf der Tagesordnung?Zuletzt hatte der VGT im Jahr 2009 die Atemalkoholanalyse noch als ungeeignetes Beweismittel zur Feststellung der absoluten Fahruntüchtigkeit angesehen. Grund für die Experten, sich erneut mit dem Thema zu befassen, ist ein Passus im Koalitionsvertrag. Darin heißt es: „Bei Verkehrsdelikten streben wir an, zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration auf körperliche Eingriffe zugunsten moderner Messmethoden zu verzichten.“ Was spricht für die Abschaffung der Blutprobe?Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält die Atemalkoholanalyse für ausreichend zuverlässig. „Wir machen die Atemprobe doppelt. Mit kleinen Geräten im Streifenwagen, und wenn die etwas anzeigen, mit einem größeren Gerät auf der Wache“, sagt Sprecher Jan Vellemann. „Aus Polizei-Sicht gibt es keine Fälle, in denen durch die Blutprobe etwas anderes festgestellt wurde, als durch die Atemalkoholprobe.“ Gibt es weitere Argumente gegen die Blutprobe?Blutproben kosten Zeit. „Wenn eine Streifenwagenbesatzung einen Betroffenen auf die Wache gebracht hat, ist sie oft zwei Stunden gebunden“, sagt Vellemann. „In der Zeit könnte sie etwas Besseres machen.“ Zudem dauere es im ländlichen Raum manchmal sehr lange, einen Arzt zu organisieren. „Das führt dann zu noch größeren Verzögerungen, gerade im Nachtdienst, wenn die Wachen nicht so stark besetzt sind.“ Die Blutproben seien zudem teuer. Was sagen Befürworter der Blutprobe?Der Atemalkoholanalyse fehle es an Beweiskraft, sagen Rechtsmediziner wie Professor Frank Mußhoff (München). Denn die Umrechnung von Atemalkoholwerten in Blutalkoholwerte, wie sie vor Gericht maßgeblich sind, sei nicht möglich. Es könne zu Benachteiligungen oder Bevorteilungen der Betroffenen kommen. Was sagen Juristen?Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat weiterhin „erhebliche Zweifel“ an der Genauigkeit der Atemalkoholanalyse. „Als Beweismittel reicht sie zur Täterüberführung bei Alkohol am Steuer nur bedingt aus“, sagt Frank Häcker von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Und nur die Blutprobe könne zu einem späteren Zeitpunkt von Gerichten tatsächlich überprüft werden. Was meinen die Automobilclubs?Die Atemalkoholmessung kann nach Auffassung des ADAC die Blutprobe nicht in allen Fällen ersetzen. „Sie lässt keine Aussage zu der Frage zu, in welcher Höhe eine Alkoholisierung zu einem früheren Zeitpunkt vorlag“, sagt ADAC-Experte Stephan Miller. Ähnlich sieht es der AvD. Die Blutprobe könne zudem ein sicherer Nachweis nicht nur für Alkohol, sondern für jede Form von Rauschmitteln sein. Was empfiehlt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat?Der Verkehrssicherheitsrat habe noch keinen Beschluss zu der Frage gefasst, ob die Blutprobe generell abgeschafft werden solle, sagt Referent Stefan Grieger. Man warte erst eine Studie der sächsischen Polizeihochschule ab. In dem bundesweiten Forschungsprojekt wird die statistische Vergleichbarkeit von Blut- und Atemalkoholanalyse untersucht. Das Ergebnis soll Ende 2017 vorliegen. |