Nico Rosberg bereitet sich mit Triathlon auf den Moment vor, an dem er endlich ein siegfähiges Auto haben wird. Im Interview mit auto motor und sport erzählt der Mercedes-Pilot, warum Fitness immer noch ein wichtiger Bestandteil seiner Vorbereitung ist und wie er ausgerechnet auf Triathlon kam. Wie kamen Sie zum Triathlon? Rosberg: Ich habe letzten Winter damit angefangen. Mein Physio macht den Iron Man. Da habe ich mir gesagt: Probiere ich auch mal. Und wie fängt man da an? Rosberg: Ich habe mit Laufen und Fahrradfahren angefangen. Das macht mir sowieso Spaß. Und dann kam halt noch das Schwimmen dazu. Damit hatte ich die drei Disziplinen schon zusammen. Da habe ich mir gedacht, dass ich dann auch gleich an Wettkämpfen teilnehmen könnte. Sind Sie dann jeden Tag in allen drei Disziplinen unterwegs gewesen? Rosberg: Immer zwei Disziplinen am Tag. Laufen und Schwimmen zusammen, dann lange Fahrradfahren und kurz Schwimmen. Damit ist der Vormittag ausgefüllt. Am Nachmittag muss ich auch noch mein Formel 1-Training unterbringen. Allgemeine Fitness, Koordination, Halstraining, Klettern. Mit dem Klettern habe ich jetzt aufgehört. Ich habe andere Möglichkeiten gefunden, meine Unterarme zu trainieren. Nach drei Tagen Training lege ich einen Ruhetag ein. Da kommt man pro Woche auf 14 bis 15 Stunden. Welche Distanzen legen Sie dann im Wettkampf zurück? Rosberg: Die Olympische. Das wären 1,5 Kilometer schwimmen, 40 Kilometer Fahrrad und zehn Kilometer laufen. Wie war der erste Wettkampf? Rosberg: Der fand letztes Jahr in Kitzbühel statt. 250 bis 300 Teilnehmer, ich mittendrin. Ein paar Kumpels waren dabei, und wir haben am Tag davor um Mitternacht zuhause noch die Wechsel vom Schwimmen zum Fahrradfahren geprobt. Morgens um fünf Uhr ging es los. Wetter war okay. Wir kamen fast noch zu spät, alles war ein bisschen hektisch, und dann ging es mit Schwimmen im Schwarzsee auch schon los. Das war totales Chaos. Alle springen gleichzeitig ins Wasser. Ich hatte einen super Start, aber da gab es natürlich schnellere Schwimmer als ich. Die sind nicht etwas links oder rechts vorbei, nein einer hatte es so eilig, dass er über mich drüber geschwommen ist. Kein Witz. Er hat mich mit dem Ellbogen unter Wasser gedrückt und über mich weg. Ich hatte Wasser geschluckt, musste eine Minute lang husten und kam erst einmal richtig aus meinem Rhythmus. Du darfst dann auf keinen Fall mit dem Brustschwimmen anfangen, weil sonst von hinten noch mehr Schwimmer kommen. Radfahren war super. Die hatten ein richtig steiles Stück in dem Parcours. Laufen war dann die Hölle. Da habe ich echt gelitten. Welche Zeit? Rosberg: 2:07 Stunden. Ich war 43. Damit war ich echt zufrieden. Okay, die Superstars schaffen das in 1:46 Stunden, aber für den Anfang war es nicht schlecht. Steht der Iron Man noch auf dem Programm? Rosberg: Ja, wenn mir meine Knie keinen Streich spielen. Ich habe ein bisschen Probleme mit ihnen, weil ich O-Beine habe. Da könnte die Marathon-Distanz ein Problem werden. Ende November habe ich meinen ersten Halb-Marathon ohne Probleme geschafft. Das gibt mir Mut. Schon mal 180 Kilometer geradelt? Rosberg: Nein, auch nicht. So 120 bis 130 Kilometer bin ich schon am Stück gestrampelt. Und dann noch vier Kilometer Schwimmen? Rosberg: Das ist schon heftig. Laufen fällt mir leichter. Würden Sie Jenson Button schlagen? Rosberg: In meiner Kitzbühel-Form war ich auf ähnlichem Niveau wie er. Ich glaube aber, dass er speziell für Triathlon mehr trainiert als ich. Mir ist mein Formel 1-Training wichtiger. Sind Sie für die modernen Formel 1-Autos nicht übertrainiert? Die Autos sind heute deutlich langsamer als vor fünf Jahren. Rosberg: Auf gar keinen Fall. Es ist immer noch sehr anstrengend, vor allem von der Konzentration her. Wenn du gut trainiert bist, kann das eben das entscheidende Etwas mehr sein am Ende eines Rennens. Sie haben doch viel mehr Freizeit als früher. Müssen Sie sich besser organisieren? Rosberg: Du hast heute Zeit, auch ein paar andere Dinge zu tun. Vor ein paar Jahres war es ein echtes Vollgas-Leben ohne Pausen. Jetzt kannst du auch mal ein Buch lesen. Mich interessieren die unterschiedlichsten Dinge, zur Zeit lese ich gerade viel über die Finanzkrise. Ich versuche das zu verstehen. Geht der Euro kaputt? Rosberg: Mein Eindruck ist, dass er gerettet wird. Wenn der Leidensdruck genügend groß ist, lassen die sich schon was einfallen. Die Politiker haben da schon noch ein paar Stellmöglichkeiten einzugreifen. Und wenn im letzten Schritt die Notenpresse angeworfen werden müsste. Muss man lernen zu relaxen? Rosberg: Das ist schon wichtig. So kurz nach der Saison bin ich in so einer Phase. Da wird alles reduziert. E-Mails, Handy. Ist der mentale Stress heute größer? Rosberg: Es war schon immer kompliziert. Selbst wenn das Lenkrad keine Knöpfe hätte, müsstest du dich ständig an dein Auto anpassen. Jede Runde ist anders. Es ist vielleicht heute mehr Arbeit im Cockpit, weil man so viel einstellen kann. Wie lange dauert es in der Entwicklung eines Rennfahrers, bis man über den Dingen steht und den Kopf frei hat für die Dinge, die nicht direkt mit dem fahren zu tun habe? Rosberg: Das ist nie der Fall. Da kann man sich immer steigern. Läuft für Sie nicht der Film in Zeitlupe ab? Rosberg: Schon, aber auch da gibt es keine Grenzen. Gehen Sie mal ins Detail. Wie oft in einer Qualifikationsrunde drehen Sie an den Knöpfen auf dem Lenkrad? Rosberg: Da ist so viel los. Ich nehme mal die ersten drei Kurven in Brasilien. Kurve eins: Differenzial und Bremsbalance in eine andere Position. Vor der Kurve DRS deaktivieren. Aus der Kurve raus KERS und Heckflügel aktivieren, Bremsbalance nachjustieren und Differenzial so verstellen, dass das Untersteuern so gering wie möglich ausfällt. Und dann kommt noch ein Knopf, den ich jetzt nicht verrate. Und das ist in allen Kurven so. Das Problem ist, dass es mit Drücken allein nicht getan ist. Die Einstellung muss perfektioniert werden für die jeweilige Kurve. Und das ist im Rennen jede Runde anders, weil das Auto leichter wird und die Reifen mit der Distanz nachlassen. Ihr Vater hatte keine Knöpfe am Lenkrad, dafür musste er die rechte Hand zum Schalten vom Lenkrad nehmen. War das nicht genauso schlimm? Rosberg: Das ist keine Schwierigkeit, die rechte Hand vom Lenkrad zu nehmen. Da gewöhnt man sich schnell dran. Mein Vater sagt immer: Ihr seid heute alles Warmduscher. Ich sage ihm: Es ist heute schwieriger. Es gibt heute im Vergleich zu früher kaum noch Abflüge. Rosberg: Wir sind halt talentierter. Die Autos, die Ihr Vater gefahren ist, waren aber viel weniger perfekt. Kurzer Radstand, kaum Abtrieb, keine Elektronikhelferlein. Fahren Sie im Vergleich dazu nicht eine S-Klasse? Rosberg: Die Herausforderung ist heute eine andere. Natürlich sind die Autos heute perfekter, aber gerade die zu optimieren, darin liegt die Schwierigkeit. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Früher gab es Probleme am Auto, von denen wusste der Fahrer gar nichts, weil es keine Datenerfassung gab. Heutzutage weiß ich ganz genau, was meine Reifen wann in einer Kurve machen. Ich kann sehen, wann die einzelnen Räder voll ein- oder ausgefedert sind und mich beim Fahren danach richten. In der Generation meines Vaters ist man dann halt abgeflogen. Wenn Sie die Wahl zwischen dem gläsernen Rennauto und dem Fahrzeug, bei dem nur ihr Gefühl zählt, für was würden Sie sich entscheiden? Rosberg: Für damals. Das macht wahrscheinlich noch ein bisschen mehr Spaß beim Fahren. Ich bin das Autos meines Vaters in Silverstone mal gefahren. Das war wie ein Go-Kart. Wo stünden Sie mit dem Training, das Ihr Vater seinerzeit bertrieben hat, vielleicht noch die Zigarette am Startplatz in der Hand? Rosberg: Das ist schwer zu beurteilen. Auf ein einzelnes Rennen wirkt es sich vielleicht gar nicht aus. Aber über eine lange Saison hilft Fitness schon. Man ist einfach wacher und frischer, weil man sich schneller erholt.
Quelle: Auto Motor und Sport |
verfasst am 16.01.2012
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