UPDATE: Audi, Porsche, Mercedes, VW und Opel müssen bei der Abgasreinigung nachbessern. Ihre Stickoxidreinigung wird offenbar bei bestimmten Temperaturen abgeschaltet.
Berlin – Legaler Trick oder illegale Manipulation? Darauf lief die Untersuchung des Kraftfahrbundesamts (KBA) im Grunde hinaus. Denn: Dass bei vielen Dieselfahrzeugen die Stickoxidreinigung abgestellt wird, war im Prinzip schon bekannt. Jetzt hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt sich auch zu den Folgen, die das haben soll, geäußert: Rund 630.000 Autos deutscher Hersteller sollen in Europa zurück in die Werkstatt. Betroffen sind die Marken Audi, Mercedes, Opel, Porsche und VW. Sie werden einen freiwilligen Rückruf vornehmen, teilte Dobrindt mit. Auch ausländische Hersteller sollen bereits ähnliche Aktionen angekündigt haben. Von den deutschen Marken ist Daimler allein mit fast 250.000 Fahrzeugen betroffen. Der Konzern ließ wissen, dass er in Europa für 247.000 Fahrzeuge ein Software-Update anbieten will. Das betrifft Autos der A-, B-, CLA- und GLA-Klasse sowie die V-Modelle. Das Software-Update für die Kompaktmodelle betreffe eine Motorvariante von Daimlers Kooperationspartner Renault. Stickoxide: Euronorm nur im ThermofensterGenau wie bei den anderen Herstellern muss die Technik zur Abgasreinigung geändert werden. Denn nach den Untersuchungen des KBA wird die Stickoxidreinigung in vielen Automodellen bei bestimmten Temperaturen abgeschaltet. Oft passiert das schon bei weniger als 10 Grad. Die Reinigung funktioniert also nur bei höheren Temperaturen, im sogenannten "Thermofenster". Unter anderem Daimler hatte das sogar schon eingeräumt. Grund sei der Schutz der Motoren. In einem Fall setzte die Reinigung schon bei weniger als 17 Grad ein, wie Dobrindt bestätigte. Nach früheren Berichten soll das bei Opel der Fall gewesen sein. Nach EU-Richtlinien ist es legal, die Abgasnachbehandlung so einzustellen, dass sie je nach Betriebszustand und -temperatur flexibel geregelt wird. Zumindest in einem gewissen Rahmen. Laut Dobrindt haben die Autohersteller diese Regelungen sehr unterschiedlich ausgelegt. Die Bandbreite an Stickoxidwerten sei sehr hoch gewesen. Fahrzeuge mit einer „Abschalteinrichtung wie bei VW“ hätte KBA aber nicht entdeckt. Die Ergebnisse seien in drei Gruppen eingeteilt worden. Gruppe eins für unauffällige Fahrzeuge, Gruppe zwei für Fahrzeuge mit hohen "nicht erklärbaren" Werten und Gruppe drei für Fahrzeuge mit unzulässigen Abschalteinrichtungen wie bei VW. Lediglich BMW soll es in die erste Gruppe schaffen. Dabei bedeuten die „Thermofenster“: Außerhalb des wohltemperierten Versuchslabors bleibt von der Abgasreinigung nach Schadstoffnorm Euro 6 nicht viel übrig. Durchschnittstemperaturen von unter 10 Grad herrschen bei uns von Oktober bis April. Die mittlere Minimaltemperatur liegt nur im Juni, Juli und August bei mehr als 10 Grad. Fast alle Hersteller tricksen bei der AbgasreinigungEin kürzlich von den Grünen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten beurteilt die Abschaltung der Abgasreinigung entsprechend kritisch Der Schutz des Motors „dürfte deshalb grundsätzlich keine taugliche Rechtsgrundlage dafür sein, eine Abschalteinrichtung regelmäßig (...) legal greifen zu lassen“, heißt es in der Analyse des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Das gelte auch bei niedrigen Umgebungstemperaturen. Die Autohersteller und das Verkehrsministerium kennen die Ergebnisse der Prüfungen schon seit geraumer Zeit. Zeit, die sie für Beratungen nutzten. Laut Dobrindt wurde dabei auch darüber diskutiert, ob die Thermofenster nicht in vielen Fällen zu weit gingen. Das Ausmaß war dem Verkehrsministerium jedenfalls nicht bekannt. Dobrindt fordert, dass nach seiner Auffassung legale Motorschutzeinrichtungen künftig klarer von unzulässigen Abschalteinrichtungen unterschieden werden können. Deshalb sollen Autohersteller künftig vor der Erteilung der Typgenehmigung darlegen, ob und warum sie Motorschutzeinrichtungen verwenden. Das gilt allerdings nur für Fahrzeuge mit Typzulassung in Deutschland. Dabei sollen auch die meisten ausländischen Hersteller betroffen sein. Und in einem Fall geht die Untersuchungskommission beim KBA sogar einem Betrugsverdacht nach. Das betrifft Fahrzeuge von Fiat. Es dürften also noch mehr Rückrufe auf europäische Autofahrer zukommen. Quelle: dpa, AFP, rtr |