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Rüde Fouls und harte Fights

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Die DTM erlebte in den Jahren zwischen 1987 und 1996 ihre Pubertät - mit Autos, deren Technik manchmal nur grenzlegal war und mit Fahrern, die nicht selten über die Stränge schlugen. Ziemlich hitzig ging es zu - und die Fans fanden es toll.

Rau, unverfälscht und manchmal auch recht wild ging es zu in der DTM der späten achtziger Jahre. damals sagten die Fahrer noch unverblümt ihre Meinung, die Organisation war oftmals eher salopp, und die Rennautos basierten tatsächlich auf Modellen, wie sie noch beim Händler standen.

Vieles hat sich seither geändert. die knorrigen Querköpfe in den Cockpits sind längst im Ruhestand. in der aktuellen DTM verstehen sich die Piloten meist eher als höfliche Industrieschauspieler, die weichgespülte Allgemeinplätze von sich geben. Die Rennen sind mit chirurgischer Präzision organisiert. Das gilt vor allem auch für das Ahnden von Rempeleien. Und die Sportgeräte haben mit ihren Abbildern aus dem Straßenverkehr nur mehr die Karosserieform gemein. Unter der Plastikhaut findet sich jetzt reinrassige Prototypen-Technologie.

1984 wurde die DTM aus der Taufe gehoben

Die führenden Rennautos in der DTM hießen BMW 635 CSi, Volvo 240 Turbo, Ford Sierra und Rover Vitesse. Fahrer wie Volker Strycek, Harald Grohs, Olaf Manthey oder Per Stureson lieferten sich allerlei knallharte Duelle. Doch die DTM hatte zwei Handicaps: Zum einen stellte sie oft nur das Rahmenprogramm für den sport auto-Supercup dar, wo Sportprototypen à la Porsche 962 an den Start gingen. Zum anderen fehlte der Sound. Speziell von den Turbos war kaum mehr als ein dezentes rauschen zu vernehmen. Dies änderte sich 1987, als BMW den M3 brachte. Diejenigen, die damals dabei waren, erinnern sich mit wohligem Schauern an das grimmige Ansaugschnorcheln des bayerischen Vierzylinders.

Dies war der rattenscharfe Soundtrack zu einer DTM-Ära, die heute als "Flegeljahre einer Meisterschaft" gilt. An den boxen regierte damals manchmal das blanke Chaos. Zum Beispiel beim Finale der Meisterschaft 1987 auf dem Salzburgring. Drei Fahrer hatten noch eine Chance auf den Titel: Manuel Reuter (Ford) sowie die beiden BMW-Youngster Marc Hessel und Eric van de Poele. Ein Reifenschaden warf den Ford-Mann aussichtslos zurück. Alle wussten dies, bis auf Marc Hessel im Zakspeed-BMW. Verwirrt durch ein kompliziertes Punktesystem mit Streichresultaten war der Bonner der festen Meinung, dass der Titel nur dann an BMW ginge, wenn er seinen belgischen Teamkameraden vorbeilässt.

Vier Rennabbrüche in Salzburg 1988

Hessel stoppte in der letzten Runde des DTM-Laufs, die Ziellinie schon in Sichtweite. Seine BMW-Boxencrew winkte verzweifelt, doch Hessel blieb stehen, als wäre sein M3 festgeschraubt. Fünf Konkurrenten ließ er vorbei. Erst als der durch einen Reifenschaden gehandicapte van der Poele vorbeizog, fuhr Hessel ins Ziel.

Dort erfuhr er die bittere Wahrheit: "Du bist Vizemeister", erklärte ihm die Crew. "Hättest du das Rennen ganz normal zu Ende gefahren, wärst du DTM-Meister." Hessel antwortete kraftlos: "Ich wusste es nicht", legte den ersten Gang ein und fuhr in den Parc fermé. Van de Poele ging in die DTM-Historie ein als einer von zwei Meistern, die nie einen Sieg holten.

Diese irre Salzburgring-Episode wurde aber noch getoppt von dem, was im Jahr darauf auf der österreichischen Hochgeschwindigkeitspiste passierte. Vier Mal wurde das DTM-Rennen gestartet, vier Mal wurde es nach Unfällen, die allesamt glimpflich ausgingen, abgebrochen. Dann hatten fast alle Akteure die Nase voll. Der Rennleiter eierte jedoch herum, ob man einen fünften Versuch wagen solle. Da beschloss Hans-Jörg Weick, der langjährige Geschäftsführer des DTM-Serien-Promotors ITR: "Die Fahrer sollen abstimmen." Das Votum war eindeutig: Man einigte sich mehrheitlich darauf, nach Hause zu gehen. Walter Röhrl, der das Rennen zu Hause im Fernsehen sah, fasste zusammen: "Alles Verrückte."

Walter Röhrl fährt in der DTM - Audi siegt mit zu starkem Motor

Nach Salzburg kehrte die DTM nie wieder zurück, doch der Lange aus Regensburg war zwei Jahre später selbst mit von der verrückten DTM-Partie. Als Adjutant von Hans-Joachim Stuck half Röhrl mit, dass sein bayerischer Landsmann 1990, in Audis Debütjahr in der DTM, umgehend den Titel holte. Seitens BMW und Mercedes gratulierte man den Ingolstädtern, wie es sich gehört. Doch im Jahr darauf wurde aus Harmonie ziemlich schnell eine offene Feindschaft: Audi fuhr mit dem mächtigen allradgetriebenen V8 mit 3,6, später sogar mit 4,2 Liter Hubraum.

Die Vierzylinder der M3 und der 190 E 2.5-16 hingegen hatten nur 2,5 Liter. "Unser Motor leistet nicht mehr als 420 PS", beteuerte der damalige Audi-Sportchef Dieter Basche immer wieder. "Kommen's doch mal nach Ingolstadt und schaun's auf unserem Prüfstand selber nach." Die Konkurrenz in der DTM konnte darüber nur lachen. Man unterstellte dem Audi-V8 eine Leistung von mehr als 500 PS. Eine Vermutung, die im Übrigen zehn Jahre später ein ehemaliger Audi-Mitarbeiter bestätigte, mit einem verlegenen Lächeln.

Rüde Fouls und harte Fights

Das Tischtuch zwischen Audi und BMW/ Mercedes war endgültig zerschnitten, als V8-Pilot Hubert Haupt, ein enger Freund von Hans-Joachim Stuck, beim Singen-Rennen 1991 eines der denkwürdigsten Fouls der DTM-Geschichte beging.

Nach einem Reparaturstopp rammte Haupt den Mercedes-Titelkandidaten Kurt Thiim kompromisslos von der Piste. Auch 20 Jahre später ist Haug immer noch entrüstet über diese Blutgrätsche: "Eine total linke Aktion." Stuck hat dieser falsch verstandene Freundschaftsdienst übrigens nichts genutzt. Am Ende des Jahres wurde nämlich nicht der Publikumsliebling aus Bayern DTM-Meister, sondern sein Teamkollege, der eher stille und zurückhaltende Frank Biela.

Auf den engen Stadtkursen von Nürnberg, Singen und Helsinki kochten anfangs der neunziger Jahre in der DTM die Emotionen besonders hoch: Unvergessen das Revanchefoul von Alessandro Nannini an Mercedes-Fahrer Roland Asch in Singen 1994. Der zornige Italiener fuhr dem Mercedes mit Schmackes ins Heck, doch die Folgen für ihn waren betrüblich: Asch konnte nämlich weiterfahren, im Motorraum des Alfa aber loderte ein lustiges Feuerchen.

Auch der ehrenamtliche DTM-Rennleiter sorgte einst in Singen für Kleinholz, als seine Inspektionsfahrt mit dem Dienst-Porsche zwischen den beiden Rennen mit herbem Leitplankenkontakt endete. Die Reparatur der Streckenbegrenzung dauerte so lange, dass die Fernseh-Verantwortlichen ernsthaft darüber nachdachten, die Übertragung abzubrechen.

Faszinierendes Spektakel mit knallharten Duellen

Nicht minder Material verzehrend ging es im Betonkanal von Helsinki in den Jahren 1995 und 1996 zu: Oft kam gerade mal die Hälfte der Starter ins Ziel. Wichtigste Ausfallursache: Mauerkontakt. Dennoch - oder vielleicht auch deswegen - nimmt Helsinki in der Erinnerung von altgedienten DTM-Kämpen stets einen Ehrenplatz ein. In Finnland kam bei diesen zwei Gastspielen alles zusammen, was die DTM damals ausmachte: ein faszinierendes Spektakel mit knallharten Duellen vor prallvollen Tribünen in einer attraktiven Stadt. Und als Zugabe spielte am Sonntagabend bei der Siegesfeier auch noch eine berühmte Band auf, das "Electric Light Orchestra".

Zudem schien in diesen tollen Junitagen von Helsinki immer die Sonne. Mancher DTM-Fahrer wurde von der Mittsommernacht so inspiriert, dass er sein Hotelzimmer gar nicht betrat. 1996 zog Keke Rosberg, damals Besitzer des gleichnamigen Opel-Teams, mit seinem Starfahrer Hans-Joachim Stuck sowie dem finnischen Rallyehelden Markku Alén sehr ausdauernd um die Häuser. Das Trio war sich einig darin, dass die diejenigen Fahrerkollegen, die brav ins Bett gingen, ziemlich armselige Würstchen seien, richtige "Müslifresser".

PS: Nachtschwärmer Stuck gewann in jenem Jahr beide DTM-Rennen in Helsinki.

Alle Meister der "alten" DTM

1984: Volker Strycek (D) auf BMW 635 CSi 1985: Per Stureson (S) auf Volvo 240 Turbo 1986: Kurt Thiim (DK) auf Rover Vitesse 1987: Eric van de Poele (B) auf BMW M3 1988: Klaus Ludwig (D) auf Ford Sierra Cosworth 1989: Roberto Ravaglia (I) auf BMW M3 1990: Hans-Joachim Stuck (D) auf Audi V8 quattro 1991: Frank Biela (D) auf Audi V8 quattro 1992: Klaus Ludwig (D) auf AMG Mercedes 190E 1993: Nicola Larini (I) auf Alfa Romeo 155 V6 TI 1994: Klaus Ludwig (D) auf AMG Mercedes C-Klasse 1995: Bernd Schneider (D) auf AMG Mercedes C-Klasse 1996: Manuel Reuter (D) auf Opel Calibra V6

 

Quelle: Motor Klassik

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