Ein Jaguar bietet stets ein souveränes Fahrerlebnis. Geschmeidiger Fahrkomfort, kultivierter, kraftvoller Motorlauf, stilvolles Interieur. Der XJ 40 pflegt diese Tugenden in bester Tradition. Der Jaguar XJ 40, das letzte von Firmengründer und Patriarch Sir William Lyons noch persönlich mitgestaltete Projekt ist ein gutes Beispiel für den anspruchsvollen Jaguar-Stil, der auch neue Wege ging. Mit dem XJ 40 startet Jaguar eine Qualitätsoffensive Es gibt Welten, die ruhen in sich. Der Jaguar-Kosmos ist solch ein Universum, geprägt von einer einmaligen Philosophie des Automobilbaus. Sie steht für ästhetisches, klassisches Design und hohen konstruktiven Aufwand, für dynamische Fahrleistungen und kultivierten Fahrgenuss. Doch bei aller Tradition kommt die Innovation in Coventry nicht zu kurz. So wartet der Jaguar XJ 40 mit einem modernen Vierventil-Reihensechszylinder mit 222 PS auf. Das Leichtmetall-Triebwerk mit zwei obenliegenden Nockenwellen sieht nicht nur bildschön aus, es folgt in allen Details - wie etwa Steuerkette, Tassenstößel, die Zündkerzen schön in der Mitte - beinahe selbstverliebt hoher Ingenieurskunst. Dabei vermied man es sogar, nach Art des Hauses langhubig zu sein, zumindest als 3,2 (199 PS) und 3,6-Liter (197 PS mit G-Kat). Der Vierliter konnte es dann doch nicht lassen, der Drehmoment-Optimierung zuliebe. Nur der 2,9 Liter mit 167 PS für einige Märkte geriet mit seiner Single-Nockenwelle scheinbar zum Sparmotor. In Wirklichkeit ist es der halbe V12. Ein Jaguar ist stets elitär und exklusiv, schon der geringen Stückzahlen wegen. Damit grenzt er sich gegen seine Oberklasse-Konkurrenten Mercedes, BMW und Audi ab. So ein Mythos nährt aber auch Vorurteile. Leute, die von Autos nichts verstehen, glauben, ein Jaguar sei immer teuer. Sie kennen die Modellzyklen nicht, was von Vorteil ist, weil selbst ein Jaguar XJ 40 so nie alt aussehen kann. Bestens erhalten, hat er sogar beim Nachbarn die Chance als Jahreswagen durchzugehen. Die Preise für Jaguar XJ 40 sind im Keller Er wird nie glauben, dass der glänzende XJ 6 Sovereign mit dem makellosen Leder nur 4.000 Euro gekostet hat. Möglicherweise wird er, der VW Passat Variant-Fahrer, hämisch empfehlen, einen Zweitwagen anzuschaffen, weil so ein Jaguar ja bekanntlich dauernd in der Werkstatt stehe und gerne liegenbleibe. Mythen haben eben auch ihre Schattenseiten. Dabei hat sich der XJ 40, ein Kind der Qualitätsoffensive des einstigen Jaguar-Boss John Egan, große Mühe gegeben, zweifelhafte britische Zulieferer und einige konstruktive Schrullen des allzeit verehrten Vorgängers zu vermeiden. So gibt es an der Hinterachse weder die doppelten Schraubenfedern pro Rad, noch die innenliegenden Bremsscheiben am Differenzial. Auch die sehr komplex aufgebaute Karosserie mit ihren unzähligen rostanfälligen Hohlräumen wurde beim XJ 40 gestrafft. Trotzdem nahm die Verwindungssteifigkeit zu, weil hochfeste Stahlsorten zum Einsatz kamen. Auch der Cw-Wert von 0,37 kann sich trotz kantiger Silhouette sehen lassen. Der Jaguar ist alles andere als eine Aerodynamik-Blase. Was blieb, sind die Grundzüge des Fahrwerks und die beiden Hilfsrahmen für die Achsaufhängungen. Sorgfältig in Silentblöcken gelagert, sind sie das Geheimnis für das sanfte Abrollen und den wiegenden Fahrkomfort des XJ 40. Der verkehrt sich nur dann ins bockige Gegenteil, wenn die Federkugeln der hinteren Niveauregulierung verschlissen sind. Leider kein seltenes Phänomen bei inzwischen rund 20 Jahre alten Autos. Harmonische Proportionen mit kleinen Fehlern Lange galt der Jaguar XJ 40 als der arme Hund unter den Jaguar-Limousinen. Seine sachliche, kantige Karosserie kam gegen die sinnlichen Rundungen des Vorgängers nicht an. Die klobigen Rechteckscheinwerfer der besser ausgestattetten Sovereign-Modelle werden als Glasbausteine verspottet. Der Einarmwischer passt in dieser mageren Form besser zu Scirocco und CX. Das winzige dritte Seitenfenster wirkt schon etwas unmotiviert. Aber wahre Schönheit braucht diese kleinen Makel, diese Narben und Leberflecke, erst sie erzeugen die Spannung der Begehrlichkeit. Der Nachfolger X 300 ist viel zu gefällig, biedert sich seinen putzigen Scheinwerferhäubchen wieder viel zu sehr dem XJ-Urtyp an, statt sich endlich von ihm abzunabeln wie heute der neue XJ. Die harmonischen Proportionen sind das Geheimrezept des Jaguar XJ 40, er ist breit, lang und niedrig, er hat dünne, vollverchromte Dachpfosten. Er verkörpert schlichtweg das Schönheitsideal für Limousinen. Sein Einstieg ist einladend, die Sitzposition locker, das Raumgefühl körperbetont und von der breiten Mittelkonsole tailliert. Man fühlt sich im Jaguar XJ 40 gut und vor allem geborgen aufgehoben. Keinesfalls so haltlos wie in einem Mercedes 300 SE der Baureihe W 140 oder wie im Raum- und Aerodynamik-Wunder Audi V8. Unser Sovereign in British Racing Green hat erst knapp 72.000 km auf dem digitalen Kilometerzähler. Das Leder verströmt immer noch den Duft des einstigen Neuwagens. Anders als bei den opulenten Daimler-Versionen stammt es nicht von Connolly. Der Sechszylinder klingt beim Anlassen heiser, vorher surren leise die Benzinpumpen, und die Kontrollleuchten rings um die Instrumente flackern bunt wie das Leuchtfeuer einer nächtlichen Landebahn. Auch die vielen japanisch anmutenden Drucktasten und der Bordcomputer auf der Lenkrad-Konsole passen nicht zum diskreten Stil eines Jaguar. Da verleugnet der Jaguar XJ 40 seine Herkunft. Der Jaguar XJ 40 inszeniert das Gefühl der Entspannung wie kein anderer Der eigenartige Wählhebel wird aus der Parksperre der markentypischen J-Gate-Kulisse gefädelt, rechts werden die Grundfunktionen P, R, N, D der ZF-Viergang-Automatik abgehakt, links kann der Fahrer die Gänge nach Gusto manuell ausdrehen. Links lassen wir mal beiseite, links passt nicht zum Auto, vielleicht im Gebirge. Würdevoll setzt sich der Wagen in Bewegung, hat selbst auf topfebener Landstraße die Illusion, den feinen Kies einer birkengesäumten Villenauffahrt unter den Reifen zu spüren. Der Vierventil-Sechszylinder packt kraftvoll zu, ein leises Rauschen, dass sich über 3.500/min zu einem bedrohlichen Fauchen steigert, begleitet die wunderbar lineare, nachdrückliche Kraftentfaltung dieses Bilderbuch-Motors. Die Automatik schaltet dazu weich und früh, anders als bei früheren Jaguar-Modellen vermittelt die Servo-Zahnstangenlenkung direkten Fahrbahnkontakt. Sie macht den großen Jaguar enorm handlich, viele Mittelklasse-Fronttriebler reagieren störrischer. Öldruck und Temperatur stimmen, der 89 Liter Tank, es ist nur noch einer, ist noch gut halbvoll, die Straße wird schmaler, der Belag holpriger und schlechter, leichter Nieselregen setzt ein. Stoisch zieht der Sovereign seine Bahn, nur der Einarmwischer tänzelt etwas linkisch über die breite, niedrige Frontscheibe. Alles andere wirkt überlegen, das Fahrwerk gleitet unbeeindruckt über den blauschwarzen Asphalt, dessen flache Dellen kleine Pfützen bilden. Die grüne Instrumenten-Beleuchtung kann sich allmählich gegenüber dem dämmrigen Tageslicht behaupten. Sie beruhigt, es ist wenig Verkehr. Cocooning nennt man auf neudeutsch solch einen Abend am offenen Kamin, bei einem Glas Rotwein und einem fesselnden Buch. Draußen kann dann getrost die Welt einstürzen. Der Jaguar XJ 40 inszeniert dieses Gefühl der Entspannung wie kein zweites Auto sogar während der Fahrt. Das schafft keine S-Klasse, selbst dann nicht, wenn alle Extras an Bord sind.
Quelle: Motor Klassik |
verfasst am 27.09.2010
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