Sicherheit und Komfort, darum geht es bei Volvo und Mercedes. Mit dem neuen V90 bieten die Schweden auch noch Eleganz. Wir haben den E 220d mit dem V90 D5 verglichen.
Tversted – Torslanda liegt gleich um die Ecke von Sindelfingen. Jedenfalls im Geiste. Vor den Toren Göteborgs wird seit Juni der Volvo V90 produziert. Wenige Kilometer von der Stuttgarter Daimler-Zentrale entfernt läuft seit September das neue E-Klasse T-Modell vom Band. Image und Markenkern von Volvo und Daimler decken sich fast. Beide sind „Sicherheitsfirmen“, beide setzen auf Komfort. Volvo V90 und das T-Modell der E-Klasse sollen also ähnliche Zielgruppen ansprechen. Wir haben den D5 AWD mit dem E 220d verglichen. Platzangebot: Großer Laderaum in der E-KlasseWichtigste Kombidisziplin: Platz. Bei den Normwerten macht Mercedes keiner was vor. 640 bis 1.820 Liter passen hinter die Heckklappe. Beim V90 nur 560 bis 1.526 Liter. Im Alltag fällt das weniger auf, denn ein Großteil der 80 Extra-Liter verbirgt Mercedes unter dem Gepäckboden. Wo im E 220d T eine tiefe Kuhle Platz bietet, hat der V90 nur eine flache Mulde. Dafür allerdings einen Gasdruckdämpfer, der die wertige Abdeckung hochhält. Mercedes enttäuscht mit einem Bändsel mit Haken, den man in die Gummilippe der Kofferraumöffnung einhängt. Das Ladeabteil darüber bietet bei beiden fast die gleiche Tiefe. Das T-Modell punktet in der Breite und in der Höhe. Die Kofferraumklappe gibt eine rund fünf Zentimeter höhere und im oberen Bereich deutlich breitere Öffnung frei. Eine Waschmaschine bekommt man in beide Autos ohne Probleme. Dass der Mercedes immer noch das Transporttier in der Klasse ist, zeigt sich bei der Zuladung. 670 Kilo darf er einladen, der V90 nur 473. Ziehen darf wiederum der Schwede etwas mehr. 2.200 statt 2.100 Kilo, Allrad sei Dank. Der D4 mit Frontantrieb darf nur 1.800 Kilo an den Haken nehmen. Innenraum: Der Volvo mag PassagiereWir nehmen auf der Rückbank Platz. Und sind erstaunt. Bei gleicher Einstellung des Fahrersitzes bietet der Volvo eine ganze Handbreit mehr Kniefreiheit. Richtung Dachhimmel sitzt man in beiden Autos gut. Der Volvo fühlt sich insgesamt luftiger an. Das liegt nicht nur am hellen Leder, sondern auch an den filigranen Kopfstützen und den schlankeren Sitzen. Klassengerecht Komfortabel reist man in beiden Autos. Bei der Verarbeitungsqualität liegen Mercedes und Volvo gleichauf. Wegen des „schwebenden“ Designs der Zierflächen am Armaturenbrett tendiert die E-Klasse zu etwas mehr Knarz, doch Oberflächen, Spaltmaße oder die Haptik der Knöpfe und Hebel geben kaum Grund zur Mäkelei. Im Volvo gefällt uns das offenporige Holz besser - Geschmackssache. Die Klavierlack-Bestandteile überzeugen bei beiden Kombis am wenigsten. Infotainment: Der Volvo verwirrt nichtStolz stellt die E-Klasse ihre Technik aus. Das Widescreen-Display steht steil und breit im Raum, links der konfigurierbare digitale Instrumententräger, rechts der Bildschirm für Navi und Entertainment. Volvo macht es klassischer und baut einen Touchscreen hochkant in die Mittelkonsole. Das erinnert ein wenig an Tesla, doch hier misst der Bildschirm „nur“ neun Zoll. Die Bedienbarkeit des Volvo-Systems überzeugt: Das System ist logisch strukturiert, drei Start-Bildschirme fassen alle nötigen Funktionen zusammen. Die E-Klasse gibt mehr Rätsel auf. Dreh-Drück-Steller, Touchpad, Sprachsteuerung, Handschrifterkennung oder die Touchpads am Lenkrad? Alles kann irgendwie alles, man braucht Zeit, sich an das System zu gewöhnen. Und sucht häufiger und länger in den Menüs nach bestimmten Funktionen. Assistenzsysteme: Sicherheit in Serie bei VolvoDie Notbremse mit Fußgängererkennung gibt es bei beiden serienmäßig, sieben Airbags und Gurtstraffer auch. Volvo legt oben drauf: Einen Kreuzungsassistenten, der Abbiegeunfälle vermeiden soll, eine Automatik-Bremse, die nach Unfällen aktiv wird um weitere Schäden zu vermeiden oder die Verkehrszeichenerkennung. Den kompletten „IntelliSafe-Assistenten“ mit Pilot Assist fürs teilautonome Fahren gibt es in Serie. Damit hält der V90 bei Geschwindigkeiten bis 130 km/h den Abstand, die Spur, die erkannte Höchstgeschwindigkeit und fährt fast alleine im Stau. Für einen ähnlichen Umfang an Sicherheitsassistenten muss man bei Mercedes gut 2.200 Euro fürs Fahrassistenzpaket ausgeben. Zum Ausgleich bekommt man einen Drive Pilot, der den Namen wirklich verdient. Die E-Klasse hält bis 210 km/h die Spur, die zulässige Höchstgeschwindigkeit und den Abstand zum Vordermann. Dem folgt sie auch ohne klare Fahrbahnmarkierungen. Bei Volvos Pilot Assist liegt die Betonung eher auf „Assist“. Allein gelassen, pendelt der Volvo von Fahrbahnrand zu Fahrbahnrand und fährt bald über die Markierungen. Mehr als ein Abstandstempomat mit Lenkassistent ist dieses System nicht. Antrieb: Ähnliches Konzept, anderer CharakterV90 D5 AWD und E 220d T: Allrad- gegen Heckantrieb, nicht ganz fair. Die Mehrleistung des V90 D5 (235 PS und 480 Nm gegen 194 PS und 400 Nm) gleicht das Mehrgewicht aus, bei den Fahrleistungen herrscht fast Gleichstand. Die E-Klasse erreicht ihre Höchstleistung ein bisschen früher (3.800 gegen 4.000 U/min) und hält das maximal Drehmoment etwas länger (1.600-2.800 U/min gegen 1.750-2.250 U/min). Laut Datenblatt braucht die E-Klasse eine halbe Sekunde länger bis 100 und läuft mit 235 km/h fünf km/h langsamer. Im Alltag schieben beide Motoren kräftig, fühlen sich elastisch an und harmonieren gut mit ihren Automatikgetrieben. Der Volvo hat acht Gänge, die 9G-Tronic von Mercedes neun. Beide schalten im Normalbetrieb unauffällig, sanft und zügig. Große Unterschiede offenbaren sich, wenn man im T-Modell Sport-Plus auswählt. Dann hängt der Kombi direkt am Gas, die Automatik hält die Gänge lange, schaltet noch vor dem Kurvenscheitelpunkt in den richtigen Gang fürs Herausbeschleunigen und macht dem Fahrprogramm viel Ehre. Die Volvo-Box verweigert sich dem. Erst beim Kick-down am Kurvenausgang legt die Automatik den niedrigen Gang ein – nach einer Gedenksekunde. Da knallt die E-Klasse schon wieder mit Vollgas über die nächste Gerade. Soweit man das bei einem 2,0-Liter-Diesel überhaupt sagen kann. Fahreigenschaften: Der Mercedes kann beidesDynamisch kommt der Volvo nicht mal in die Nähe des Mercedes. Die Lenkung ist viel indirekter und vermittelt deutlich weniger Gefühl. Das liegt nicht nur am frontlastigen Allradantrieb, sondern auch an der Abstimmung. Kein Problem, denn ein Business-Kombi muss kein Kurvenmoster sein. Auch die E-Klasse wird nicht zum Sportwagen, fährt aber im Vergleich zum Volvo direkter, leichtfüßiger und agiler. Ohne dafür den Komfort zu opfern. Dabei verfügte der Testwagen nicht mal über ein verstellbares Fahrwerk. Mercedes hat gute Abstimmungsarbeit geleistet. Was die Geräuschentwicklung betrifft, müssen wir beim Testkandidaten leichte Abstriche machen. Daimlers Allzweckdiesel OM 654 spielte sich akustisch deutlich mehr in den Vordergrund als Volvos Allzweckaggregat. Und als wir das von früheren Fahrten in Erinnerung haben. Der E 220d war allerdings nicht mit den Akustik-Komfort-Paket ausgerüstet, der V90 war akustikverglast. Trotzdem dürfte der Mercedes bei gleichen Voraussetzungen eine Spur lauter sein. Preis: Teuer gegen sehr teuerKnapp 50.500 Euro verlangt Mercedes für den E 220d mit Kombiheck. Der Volvo V90 D5 AWD kostet erschreckende 7.000 Euro mehr. Dafür gibt es allerdings nicht nur mehr Leistung und Allradantrieb, sondern die Ausstattungslinie Momentum und die vielen angesprochenen Sicherheitsextras. Berücksichtigt man nur Allrad (derzeit gibt es das Diesel-T-Modell nicht als 4Matic) und Assistenzpaket, wäre die E-Klasse rund 2.500 Euro günstiger. Bestellt man die bei Volvo serienmäßigen mit LED-Scheinwerfer, Ledersitze, das große Infotainmentsystem, Digitalinstrumente etc. beimMercedes mit, liegt er ein paar Tausender über dem Volvo. Fazit: Eine Frage der PrioritätenEs gibt Rechtfertigungen für den höheren Preis der E-Klasse. Fahrdynamisch hat sie ein paar Tricks mehr drauf, die Fahrassistenten wirken fortgeschrittener. Bei Sicherheit und Reisekomfort überzeugen beide Kombis. Der Volvo ist weniger vielseitig, in einigen Details aber liebevoller und eleganter ausgeführt als der Mercedes. Wer also Technik liebt und gelegentlich Spaß haben will, bekommt mit dem E 220d T ein komplettes Auto ohne echte Schwächen. Wer vor allem bequem und geschmackvoll reisen will, viel Wert auf Platz auf der Rückbank legt, wird im Volvo kaum etwas vermissen. Teuer sind ohnehin beide. Technische Daten Mercedes E 220d T und Volvo V90 D5
|