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Saab News

Schwedische Affäre mit einer Italienerin

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Anders als alle anderen hieß die Nische, in der Saab mit den Typen 96, 99 und 900 lange prächtig gedieh. Doch Zeitgeist und Fortschritt forderten 1985 den Saab 9000. Ist der smarte Luxus-Saab Sündenfall oder Meisterstück?

Für Individualisten gelten strenge Regeln - kann der weichgespülte, zeitlos moderne Saab 9000 sie noch erfüllen? Saab 96, Saab 99 und 900 pflegen Anderssein als Daseinsberechtigung. Saab-Fahrer genießen es, 50 Meter vor der Ampel warten zu müssen, damit sie den Farbwechsel durch die hohe schmale Frontscheibe sehen können. 

Es ist für sie ein unverzichtbares Ritual, den Zündschlüssel auf der Mittelkonsole erst nach Einlegen des Rückwärtsganges abzuziehen - sicher ist sicher. Den winterfrohen Frontantrieb mit dem ganzen Motor- und Getriebe-Schwermetall direkt auf der Vorderachse verehren sie religiös. Sie frönen eigenartigen Schönheitsidealen wie einer schmalen hochbeinigen Karosserie, großen, dünnen Rädern, kurzem Radstand und langen Überhängen. So ein Saab war in der Zeit vor der hübschen Blondine Saab 9000 immer ein Mädchen mit Brille und Zahnspange, aber eines mit Abitur.

Ein Saab forderte einen besonders starken Charakter ein

Vor allem Intellektuelle und Freiberufler fühlten sich zum Saab hingezogen. Ein Auto aus einer Flugzeugfabrik, das muss ja gelingen, alle Sicherheitssysteme doppelt. Selbst ein Volvo war ihnen zu profan mit seinem Hinterradantrieb und seiner konventionellen Technik. Turbo und Sechzehnventiler wagten die Landsleute aus Göteborg viel später. 

Ähnlich wie Citroën DS, NSU Ro 80 oder Rover 3500 S verlangt ein Saab nach charakterstarken Käufern, die konventionelle Hierarchien gerne in Frage stellen. Auf den gut gemeinten Ratschlag der Angepassten, sie hätten sich für das gleiche Geld doch besser einen Mercedes oder BMW leisten sollen - einen mit sechs Zylindern und mindestens zweieinhalb Litern Hubraum - reagieren sie allergisch. Sie hörten solche Sprüche an jeder Tankstelle und bei jeder Familienfeier. 

Der Saab 9000 geht fremd 

Beim Saab 9000, den sich einige unternehmungslustige Saab-Aufsteiger dann doch trotz anfänglicher Skepsis gönnten, ist das irgendwie anders. Der hat eine gefällige, italienisch leichtfüssige Form, von Giugiaro nachhaltig inspiriert. Die Proportionen stimmen, breit und niedrig, das Gesicht mit den großen Scheinwerfern blickt freundlich, der cW-Wert mit 0,34 ist endlich zeitgemäß. Vor allem die Passagierzelle ist - verglichen mit der engen, dunklen Höhle von 99 und 900 - eine Offenbarung. 

Beachtliche Innenbreite, großer Fußraum im Fond, beste Übersichtlichkeit dank eines lichten Glas-Pavillons mit dünnen Dachsäulen. Als erstem Tipo 4-Ableger mit italienisch diktierter Plattform, Quermotor und gesetzter McPherson- Vorderachse fehlt dem Saab 9000 natürlich die reinrassige Saab-Abstammung, die auch immer etwas Inzestuöses hatte. Der Saab 9000 hat eine Italienerin geheiratet und keine Magd aus Trollhättan, das macht den knorrigen Junggesellen-Provinzler zum eloquenten Kosmopoliten. 

Besonders in der gediegenen CD-Variante mit wunderbar anschmiegsamer Nappaleder-Polsterung und klassischem Stufenheck zeigt er tadellose Manieren, die Trennung von Gepäck und Passagieren ist im wichtig, dem gletscherblauen Saab 9000 CDi 2.3-16. Nein, kein scharrender, gieriger Turbo wie so viele frühe Saab 9000, sondern die milde, ökonomische und sehr langlebige Variante mit neu entwickeltem Motorblock und zwei Ausgleichswellen versüßte uns mit seinem Charisma einen spätherbstlichen Bilderbuchnachmittag.

Seitensprung mit einem Schweden

Auto Auer in Kirchheim unter Teck, sonst eher Mercedes-affin, riskierte diesen erfrischenden Seitensprung bei der Inzahlungnahme. Automatik, keine 200.000 Kilometer, keine 2.000 Euro. Schon eine Ledergarnitur in gleicher Qualität kostet ortsgebunden das Dreifache. Dieser Saab 9000 hier lässt sich dank weich schaltender Viergang-Automatik wenn es sein muss bis über Tempo 200 beschleunigen, das originale Saab Sound-System sorgt für Wohlklang im CD-Wohnzimmer. Man sitzt vorzüglich in den edlen Fauteuils, das Lenkrad steht schön steil, und die Instrumententafel mit ihrer eigentümlichen Ergonomie lässt keinen Zweifel daran, dass man einen Saab bewegt, auch wenn das Zündschloss da sitzt, wo es hingehört.

Der Vierventil-Vierzylinder des Saab 9000 schnarrt untenherum unternehmungslustig, die moderne ZF-Viergang-Automatik mit Wandlerüberbrückung schaltet erfreulich selten. Sie sonnt sich entspannt im satten Drehmoment des großkolbigen Triebwerks, dessen Block mehr mit der einstigen Triumph-Mitgift für den 99 zu tun hat und das Saab mit zwei Ausgleichwellen kultivierte, um das Stigma, kein Sechszylinder zu sein, erfolgreich zu mildern. 

Jenseits von Tempo 100 merkt man den Unterschied des Saab 9000 zum Preisklassen-Primus Sechser nicht mehr, der Motor läuft über 3.000/min besonders weich und kultiviert, Wind- und Abrollgeräusche gewinnen die Oberhand. Saab hat den Vierzylinder auch in der gehobenen Mittelklasse stets verteidigt, ebenso wie die Starrachse. 

Den Vierzylindermotor krönt ein aufwendig konstruierter Zylinderkopf mit zwei kettengetriebenen Nockenwellen, die vier Ventile pro Zylinder werden direkt über Tassenstößel betätigt. Eine optimale Brennraumform sorgt für niedrigen Verbrauch, zur effizienten hohen Verdichtung gesellt sich noch das innovative Saab-Zündsystem SDI, bei dem jede Zündkerze von einer separaten Zündspule versorgt wird. Ähnlich wie der Motor macht auch die hintere Starrachse des Saab 9000 das beste aus ihren begrenzten Anlagen. 

Etwas weniger Saab ist auch nicht schlecht

Vier Längslenker pro Rad, dazu noch Stabilisator und Panhardstab halten das Eigenleben des Saab 9000 im Zaum und trimmen sie mit weich abgestimmter Federung, aber straffer Dämpfung auf guten Fahrkomfort. Als dogmatischer Fronttriebler ist der Saab 9000 beileibe kein Kurvenkünstler, er untersteuert sehr stark. Doch mag man es in ihm gemütlich und hat wenig Ambitionen, Passstraßen in Bestzeit raufzubügeln.

Weniger Saab muss kein Fehler sein, das zeigt der harmonische Saab 9000 CD, der selbst überzeugte Mercedes W 124-Fahrer für sich einnehmen kann. Ein bisschen anders ist eben doch ganz schön. Tipo 4, Euro-Uniform oder Maßanzug?

Vorher gab es schon den Europa-Motor, einen Leichtmetall- V6 mit ungewöhnlichem 90-Grad-Zylinderwinkel. Von 1975 bis 1998 wurde er in der Normandie für Peugeot, Renault, Volvo und ein paar Kleinserienhersteller produziert, zuletzt sogar als Vierventiler. Ende der Siebziger startete das Europa-Projekt Tipo 4 unter der Regie von Fiat und in Zusammenarbeit mit Saab. Vier große Limousinen der Marken Fiat, Lancia, Alfa Romeo und Saab sollten beim Tipo 4-Projekt kostengünstig auf einer Frontantriebs-Plattform produziert werden, auch die McPherson-Vorderachse mit montagefreundlichem Fahrschemel war gesetzt. 

Spielraum gab es beim Design, da emanzipiert sich die von Pininfarina gestylte Alfa Romeo-Karosserie deutlich von der Ital Design-Formgebung der anderen drei. Vor allem die Türen verraten die gleichen Pressteile. Doch die Hinterachsen unterscheiden sich je nach Markenprägung deutlich. Saab schwört wie beim Typ 900 auf die exakt geführte, leichte Starrachse, Fiat und Lancia geben einer Doppelgelenk-Einzelradaufhängung den Vorzug mit je einem Querlenker pro Rad, und Alfa Romeo bemüht sogar deren zwei. 

Die Motorenvielfalt ist groß. Saab favorisiert den hauseigenen DOHC-Vierzylinder auch als Turbo, Alfa Romeo setzt den traditionellen Twin-Spark-Alu-Motor mit Duplexkette ein und krönt den 164er mit dem brillanten hauseigenen Sechszylinder in der 24-Ventil-Variante. Fiat Croma und Lancia Thema verwenden den guten alten Fiat-Zahnriemen-Doppelnocker und in Oberklasse-Varianten den PRV-Europa-V6. Seltenes Glanzstück bleibt der Dreiliter-Ferrari-V8 im Thema 8.32.

 

Quelle: Motor Klassik

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