Eine kernige Geschichte über die beiden grundverschiedenen Konzepte, nach denen Porsche zwischen 1977 und 1982 Sportcoupés baute, darf beidseitig feuerverzinkte Sätze enthalten wie etwa jenen aus dem Fachmagazin auto motor und sport, Ausgabe 19 des Jahres 1977: "Kein Zweifel. Der berühmte Elfer wird schon in absehbarer Zeit sterben und damit dasselbe Schicksal erleiden wie sein Vorgänger mit der Typenbezeichnung 356." Auch aus der vermuteten Todesursache des luftgekühlten Sechszylinder-Porsche machte die damals zeitgemäße Prognose keinen Hehl: "Ein Nachfolgemodell ist schon vorhanden, nämlich in Gestalt des neuen Porsche 928." Als dessen leiserer, von Wasser gekühlter und im Abgasverhalten optimierter V8 am Sportwagen-Horizont heraufzog, schien also der Untergang des lärmig luftigen Sixpacks im Porsche 911 beschlossene Sache zu sein. Drei Jahrzehnte Abstand haben inzwischen geklärt, was von der Weissagung zu halten war: Den Elfer gibt es heute noch immer, wenn auch mit jetzt wassergekühltem Boxermotor, und dieser Aqua-Ali verweist den zum Schluss 5,4 Liter großen V8 und seine 350 PS seit 14 Jahren auf die Plätze. 928: Der Porsche aus der Parallelwelt Heute stehen die ungleichen Brüder der frühen Jahre vor oder gar schon kurz hinter der Schwelle zum Oldtimer. Der Porsche 911 wurde auf der IAA im Herbst 1977 mit dem offiziellen Namenskürzel SC vorgestellt. Das steht für Super Carrera und spielt auf das sportliche Vorgängermodell Porsche 911 Carrera 3.0 mit 200 PS an, von dem es die hinten etwas voluminösere Karosserie geerbt hat zur Aufnahme der sieben Zoll breiten Antriebsräder. Zwölf Jahre sind da seit dem letzten Porsche SC ins Land gegangen - das war 1965 der 356. Als der Porsche 911 SC debütierte, war der Porsche 928 schon ein halbes Jahr alt. Letzterer erblickte bereits im März auf dem Genfer Salon das grelle Rampenlicht der Welt. Er war, wie man heute sagen würde, ein Porsche aus der Parallelwelt - mit Frontmotor und Heckantrieb in Transaxle-Bauweise, im Konzept eher dem Porsche 924 verwandt. Das brandneue Porsche 928-Coupé rief die Lästermäuler auf den Plan wie etwa den Berliner Designer Lutz "Luigi" Colani, der die von Porsches Design-Chef Anatole Lapine gefundene Form mit gewohnt großer Klappe kommentierte: "Der 928 sieht aus wie eine Bulette ohne Arsch und Gesicht." Lapine blieb gelassen, verzichtete auf eine Beleidigungsklage gegen Colani und begründete die rundliche Linie des Porsche 928 mit dem Verweis auf den amerikanischen Markt: "Porsche wollte dort mit dem 928 neue Segmente erobern, und damals wurde in den USA gerade extrem viel Wert gelegt auf Sicherheit beim Frontal-Crash und hohen Schutz beim Seitenaufprall. Daher rührt die bauchige Form mit den üppigen Knautschzonen." Auch unter dem Blech des Porsche 928 folgte die Technik neuesten Erkenntnissen der Unfallforschung. Über das Konzept mit Frontmotor, starrem Transaxle-Rohr und dem mit dem Hinterachsantrieb verblockten Getriebe konnte die frontale Aufprallenergie über die Hinterachse von der gesamten Karosserie aufgenommen werden. Die Idee dazu geht bis in das Jahr 1970 zurück, als Porsche für Volkswagen das im Herbst 1971 dann wieder gekippte Mittelmotor-Projekt EA 266 entwickelte. Aus verschiedenen Entwürfen kaufte Porsche dann ein Konzept zurück, das als Typ 924 bereits 1975 auf den Markt kam - mit Frontmotor, Transaxle-Rohr und dem zur besseren Gewichtsverteilung hinten liegenden Getriebe. Porsche-Technik im Mercedes SL und Opel Admiral Die Namen der in den siebziger Jahren mit dem Projekt 928 betrauten Konstrukteure sind zum Teil auch aus der Sportgeschichte des Hauses wohlbekannt: Fahrwerksspezialist Wolfhelm Gorissen, Versuchsleiter Peter Falk, der spätere Sportchef Helmut Flegl und Konstruktionsleiter Wolfgang Eyb legten Hand an bei der Geburt des Porsche 928. Vielfältig waren die Prototypen, in denen verschiedene Komponenten des 928 erprobt wurden. Das wie beim Renntyp Porsche 908.03 vor der Hinterachse liegende Getriebe und das Transaxle-System wurden zum Beispiel in einer Mercedes 350 SL-Karosserie getestet. Name des ersten Versuchsträgers: V1. Später kamen weitere Autosklaven hinzu, etwa zur Hinterachserprobung ein Opel Admiral (V2), dann einer von mehreren Audi-100-Aufbauten auf einer Porsche 928-Bodengruppe. Hier im V3 spielte die neue Technik erstmals komplett zusammen, bereits mit der neuen V8-Maschine, die damals noch fünf statt später 4,5 Liter Hubraum besaß. Der in Goldmetallic lackierte, hier vorgestellte Porsche 928 ist ein wirklich frühes Exemplar aus dem April 1977. Seine Sitzpolsterung peitscht den Probefahrer unerbittlich zurück in die psychedelischen Siebziger: Das wellenförmig verschobene, schwarzweiße Schachbrettmuster zwischen dem glänzenden Braun der Sitzflanken wirkt wie eine Zielflagge nach dem Genuss des gesamten Gewinner-Champagners. Der V8 springt ohne Kapriolen auf Anhieb an und summt samtig mit rund 800 Umdrehungen im Leerlauf vor sich hin. Die Kupplung leistet der Wade nur milden Widerstand, der erste von fünf Gängen rutscht hinten links problemlos in die Rastung, und die luxuriösesten anderthalb Tonnen im Porsche-Portfolio von 1977 gleiten seidig voran. Die intelligente Achse heißt Weissach Die Geometrie der Schräg- und Querlenker-Hinterachse des Porsche 928 reduziert den Squat-Effekt laut Prospekt um ein Drittel: Der 928 geht auch beim zügigen Anfahren hinten nur mäßig in die Knie. Den großen Zaubertrick hält die Achskonstruktion aber beim Gaswegnehmen und Bremsen in Kurven bereit: Der Porsche 928 zeigt selbst bei höherem Tempo keinerlei Tendenz zum Eindrehen, denn die auftretende Seitenkraft ändert automatisch die Vorspur der Hinterräder - die Weissach-Achse lenkt mit und unterbindet so das frühe, ungewollte Übersteuern. Die vier Scheibenbremsen packen mit der von Porsche gewohnten, fadingarmen Gewalt. Und auch die Vorderachse des Porsche 928 überrascht mit einer netten kinematischen Spielerei: Die Bremsmoment-Abstützung verhindert ein tiefes Eintauchen des Bugs. Anti-Dive heißt das bei Porsche. Und der Motor? Am wohlsten scheint sich der Porsche 928-V8 zwischen dem Leerlauf und dem maximalen Drehmoment bei 3.600/ min zu fühlen. Hier packt er auch beim spontanen Gasgeben bärig zu, während er sich in den oberen Etagen der Drehzahlskala eher etwas bitten lässt und auch ein wenig rauer zu laufen scheint. Doch mit den zugelassenen 1.600 Kilogramm Anhängelast schleppt der V8 selbst die Beach Cruiser zur nächsten Einsetzstelle. Und ist der Bootstrailer abgekoppelt, kann es mit bis zu 240 km/h wieder nach Hause gehen. Das sind die Vorzüge des Porsche 928 der ersten Generation - kein anderes Coupé aus den Siebzigern serviert das Dinner aus Leistung und Luxus mit so lässiger Perfektion wie der Porsche 928. Er hätte alles Zeug dazu gehabt, den Elfer mit funkelndem Pomp und fülligen Ehrenzeichen zu Grabe zu tragen - wenn da diese verflixten Fahrleistungen nicht wären. Um den Porsche 911 für Sportfahrer attraktiv zu halten, schminkte Porsche das verheißungsvolle Antlitz der technischen Daten regelmäßig nach: 1977 kam der Porsche 911 SC mit drei Litern Hubraum und 180 PS, 1979 bekam er 188 Pferdestärken, 1980 dann 204 bei 5.900/min Auf der Rennstrecke gewinnt der 911er Das Gewicht sprach ohnehin für den luftgekühlten Wirbelwind: Während der Porsche 911 SC mit nur 1.180 Kilogramm Leergewicht punktet, bringt der Porsche 928 je nach Ausstattung zwischen 1.450 und 1.540 Kilogramm auf die Messplatte. Und Gewicht macht sich ja drei Mal unangenehm bemerkbar - beim langsameren Beschleunigen, beim früheren Bremsen und bei niedrigeren Kurvengeschwindigkeiten wegen der höheren Fliehkraft. Gehen Porsche 911 SC und Porsche 928 im sportlichen Wettstreit auf die Rundstrecke, gewinnt in aller Regel der leichtere Elfer. Das hier antretende Coupé stammt aus dem Jahr 1980, wird also bereits von 204 PS in Marsch gesetzt. Und da klingeln dem Porsche 928 nicht nur die Ventile, sondern sozusagen auch die Ohren: Von null bis 100 km/h hetzt der SC in 5,9 Sekunden, während der 928 schon 7,2 benötigt. 200 km/h liegen im Elfer nach 26,3 Sekunden an, im 928 erst nach 32,3. Die Höchstgeschwindigkeit des Sechszylinders liegt ab 1980 mit 240 km/h auf dem Niveau des Porsche 928. Der Elfer ist lauter und unkomfortabler. Sein Lenkrad zappelt über jeder Unebenheit, beim Lastwechsel in schnellen Kurven dreht er sich gern ein, und hinter den Frontsitzen ist noch weniger Platz als im Porsche 928. Aber schnelles Fahren macht hinterm Lenkrad viel mehr Spaß. Vermutlich ist dies das Lebenselixier, das den Porsche 911 in ewiger Jugend erhält und den 928 zur Zeiterscheinung stempelt. Unser Porsche 911 SC ist sogar in Eichengrün lackiert, sein Interieur-Design hört auf Pasha cork. Oak green war die Lieblingsfarbe von Ferry Porsche. Der wusste schon, was einen Evergreen am besten kleidet.
Quelle: Motor Klassik |
verfasst am 20.12.2010
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