Manchmal steht ein besonderes Taxi am Stand. Diese Autos und ihre Fahrer stellt MOTOR-TALK vor. Diesmal ein originales London Taxi: als Rechtslenker, aber in Hellelfenbein.
Quelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.de Von Haiko Prengel Berlin - Wenn es im Taxi von Wolfgang Slipek voll wird, müssen die Fahrgäste auf Klappstühlen mit Schaumstoffpolsterung Platz nehmen. Das mag für manche nicht die feine englische Art sein - die originale englische Art ist es allemal. Und ungemein praktisch, wie der Berliner Taxifahrer findet. "Das ist das ideale Großstadtauto!", sagt er über sein etwas klobiges britisches Gefährt. Der 58-Jährige fährt London Taxi, mitten in Berlin. In der britischen Heimat heißen die Autos der London Taxi Company (LTI) im Volksmund "Black Cabs". Wichtigste Eigenschaft: Auch der Hut oder gar Zylinder tragende Gentleman reist in den hoch aufragenden Karosserien bequem. Quelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.de 1899 wurde LTI in Coventry gegründet und baut seitdem Taxis für die Millionenmetropole London und andere Städte im Vereinigten Königreich. Für Touristen und Alteingesessene sind die schwarzen Taxis ein Markenzeichen der Stadt an der Themse. Die dieselangetriebene Droschke von Wolfgang Slipek ist dagegen an der Spree zuhause und trägt die gleiche Farbe wie alle anderen 8.000 Droschken der Bundeshauptstadt: Hellelfenbein. Bis zu sechs MitfahrerWir treffen uns in Alt-Stralau. Das ist zwar nicht der Hyde Park, aber auch schön grün. Und die Immobilienpreise auf der mit Neubauten bestückten Halbinsel sind auch schon fast auf Londoner Niveau. "Oh, ein London Taxi in Berlin. Schön!", freut sich eine Spaziergängerin, als Wolfgang Slipek mit seinem Taxi vorfährt. Solche Kommentare hört er oft. Und sie schmeicheln ihm. "Ich bin wirklich gerne Taxifahrer", sagt Slipek, der nicht nur Deutsch, sondern auch fließend Englisch spricht. Wir nehmen im Fond hinter einer dicken Trennwand Platz, der Beifahrersitz auf der linken (!) Seite ist nur ein Notsitz, falls mal sechs Leute mitfahren müssen. Normalerweise würden Wolfgang Slipeks Worte an der gläsernen Trennscheibe verhallen, aber es gibt ein Mikrofon im Wagen und Lautsprecher im Fond. So kann sich der Taxifahrer mit seinen Fahrgästen unterhalten - wenn er denn möchte. Größter Pluspunkt seines London Taxis: Im riesigen Fond können sich - dank Klappsitzen - bis zu fünf Leute gegenüber sitzen wie in einem Zugabteil. Eine sechste Person findet auf dem Beifahrersitz Platz. Auch Fahrräder oder einen Kinderwagen schluckt das zwei Tonnen schwere Mobil problemlos, zudem ist es ab Werk rollstuhlgerecht ausgebaut. Trotzdem hat sein Modell LTI TX4 (Baujahr 2007) einen sensationellen Wendekreis von bloß 25 Fuß beziehungsweise 8,3 Metern. "Das kann ein VW oder ein Mercedes nicht", meint Slipek. Berliner Taxi-KarriereQuelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.deDabei hat der Mann mit dem grauen Dreitagebart Mercedes einiges zu verdanken. 1984 kam er als junger Mann nach Berlin, weil er trotz Lehramtsstudiums (Mathe, Sport) keine Anstellung fand und als abgelehnter Kriegsdienstverweigerer nicht zur Bundeswehr wollte. Ein Taxibetrieb ermöglichte ihm den P-Schein. Anschließend wechselte Slipek in ein Taxikollektiv, wo sich 25 Kollegen drei 123er Mercedes (die später gegen 124er ausgetauscht wurden) als Arbeitsautos teilten. Für den Schritt zum Ein-Mann-Betrieb entschied sich Wolfgang Slipek nach dem Mauerfall. Im November 1990 bekam er seine eigene Konzession und fuhr zunächst ein Jahr lang einen gebrauchten 123er Mercedes. 1991 gönnte sich Slipek dann einen nagelneuen 190 D. An den "Baby-Benz" erinnert er sich gerne zurück: "Das war ein sehr sehr haltbares Auto. Solide und sparsam." Dass er den 190er nach elf Jahren aufgab, lag weniger am Benz als vielmehr an den Fahrgästen. Beziehungsweise an ihrer Art zu kommunizieren. "Ende der 90er Jahre fingen die Leute an, immer und überall mit ihren Handys zu telefonieren", erklärt Wolfgang Slipek. Manche seien so beschäftigt, dass sie ein Taxi als Büroraum nutzten. Verstehen könne er diese Betriebsamkeit könne vielleicht noch. „Aber ich muss nicht dabei sein." Endlich eine Trennscheibe!Slipeks Entschluss: Er wollte mehr Trennung von seinen Fahrgästen. Und das einzige Auto auf dem Markt, das eine dicke Trennwand und einen guten Schutz vor allzu nervigen Passagieren biete, sei das London Taxi der Traditionsfirma LTI. 2002 war es dann so weit: Slipek kaufte sich sein erstes London Taxi, ein gebrauchtes Exemplar von 1997. Damals wurde das alte, seit 1953 praktisch unverändert gebaute Fairway-Modell vom TX1 abgelöst. Quelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.de Seit dem TX1 sind alle LTI-Modelle rollstuhlgerecht, und der Motor von Nissan sei nicht totzukriegen gewesen, sagt Wolfgang Slipek. Das änderte sich mit dem TX2, wo unter der Haube ein Aggregat vom Ford Transit steckte - "eine Katastrophe, der hat nur Probleme gemacht." Vor allem wegen seiner Praxistauglichkeit war Slipek mit dem London Taxi so zufrieden, dass er 2007 einen Neuwagen kaufte: einen TX4. Der wird von einem 2,5-Liter-Dieselmotor des italienischen Herstellers VM Motori angetrieben. Der 102 PS starke Selbstzünder hat seine Mühe, den zwei Tonnen schweren Stahlkoloss anzuschieben. Auf 140 km/h Spitze hat es Wolfgang Slipek auf der Autobahn einmal gebracht, was er seitdem kein zweites Mal versucht hat. Viel mehr Freude bereite das Auto in der Stadt - auch, weil es ein Rechtslenker ist. Aussteigen kann Wolfgang Slipek auf der gefahrlosen Seite am Bürgersteig. Der Nachfolger fährt mit HybridAls rechtsgelenktes TX4-Modell ist Wolfgang Slipeks Auto das einzige London Taxi seiner Art in Deutschland. Regelmäßig wird sein LTI deshalb für Film- und Fernsehproduktionen gebucht. Die Barefoot Films von Til Schweiger etwa haben laut Slipek schon öfters gebucht, in der TV-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" sei sein Taxi sogar über ein Jahr lang in die Story eingesponnen worden. Darüber hinaus bietet er Hochzeits- und andere Sonderfahrten mit seinem zumindest in Deutschland skurrilen Gefährt an. Zehn Jahre will Wolfgang Slipek noch in Berlin Taxi fahren, dann möchte er "runter vom Bock". Am liebsten wäre ihm, wenn sein TX4 so lange durchhält. Momentan stehen 273.000 Kilometer auf der Uhr. Die Türen haben bereits sichtbar Rost angesetzt. Ein wenig liebäugelt der 58-Jährige mit dem Nachfolgemodell TX5, das seit einigen Monaten auf dem Markt ist. Die London Taxi Company (LTI) musste zwar im Jahr 2012 Insolvenz anmelden. Doch ein Jahr später stiegen chinesische Investoren ein, inzwischen gehört das Traditionsunternehmen dem Geely-Konzern, der auch schon Volvo gekauft hatte. Geely setzt auf alternative Antriebe. Das hat seinen Grund: Londons versmogte Innenstadt soll zur Umweltzone werden, seit Anfang des Jahres werden dort nur noch Taxis mit Elektro- oder Hybridantrieb neuzugelassen. Quelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.de Den TX4 verkauft London Taxi, inzwischen LEVC, zwar noch. Inzwischen mit Euro-6-Zulassung, für umgerechnet 52.000 Euro. Der Neue, nur noch "TX", ist ein Plug-in-Hybrid. Der Dreizylinder-Verbrenner kommt von Volvo, die Lithium-Ionen-Batterie für den Elektromotor kann via Steckdose oder unterwegs über Benzin nachgeladen werden. Die Gesamtreichweite soll mit vollem Tank und aufgeladenen Akkus 1.400 Kilometer betragen. Taxifahrer Wolfgang Slipek ist von der neuen TX-Generation sehr angetan. Ein Elektroauto sei nicht nur vom Antrieb her zeitgemäß, sagt er. Als Taxi sei der TX5 auch noch praktischer, noch geräumiger, schwärmt Slipek: Statt zwei gebe es im Fond nun sogar drei Klappsitze. Very British! Technische Daten: London Taxi LTI TX4 (2007)
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