Simson, MZ, EMW, Wartburg: Für MOTOR-TALKerin Jessica ist die jährliche "Ostalgie-Ausfahrt" im Wartburgkreis eine Familientradition. Für uns berichtet sie vom 2018er-Treffen.
Quelle: Jessica Schaefer für MOTOR-TALK Von Jessica Schaefer Eisenach - Wie sich der Automobilstandort Eisenach in Zukunft entwickeln wird, jetzt wo die Franzosen bei Opel das Sagen haben, wissen wir nicht. Was wir dagegen genau wissen: Viele Menschen hier haben das sprichwörtliche "Benzin im Blut". Oder auch Zweitaktgemisch. Schon zu Jugendzeiten starteten mein Vater Uwe und seine Freunde Thomas und Thorsten jährlich gemeinsam in die Zweiradsaison, immer am 1. Mai. Die Begeisterung für Zweitakter und das gemeinsame Schrauben daran war für sie stets mehr als nur ein Hobby. Das die Wende 1990 nicht nur überlebte, sondern Kreise zog. Zuerst unter Nachbarn und Freunden, dann weit darüber hinaus. Seit 2009 spätestens ist die Truppe um meinen Vater Gründer einer echten Ausfahrt. Mehr als 30 Fans von Simson, MZ, EMW und Wartburg wollten mitfahren. Die Vorfreude ist großQuelle: Jessica Schaefer für MOTOR-TALK Inzwischen ist die "Ostalgie Ausfahrt in Eisenach" eine Thüringer Zweirad-Institution. In diesem Jahr nahmen 417 hübsch aufpolierte DDR-Fahrzeuge teil - mehr als bei mancher großen Oldtimer-Rallye. "Da freun Mann und Frau sich das ganze Jahr drauf!!", schreibt jemand ein paar Tage zuvor auf der Facebook-Seite zur Veranstaltung. Schon während der kalten Wintermonate posten die Motorradfans hier regelmäßig Bilder, wie sie an ihren Maschinen herumschrauben. Fast wie "früher" tauschen sie den Winter über Ersatzteile. Die Maschinen, die zur Ostalgie Ausfahrt aus den Garagen geschoben werden, haben schon etliche Jahre auf dem Buckel. Viele Teile gibt es einfach nicht mehr. Unser Familien-Fuhrpark zählt eine 29 Jahre alte MZ ETZ ( MZ- Kürzel für u. a. Motoradwerke Zschopau GmbH | ETZ - Einzylinder-Telegabel-Zentralkastenrahmen), einen Simson-Roller SR50 aus Suhl Baujahr 1989 und ein S51 Simson-Moped Baujahr 1989. Die S51 entdeckte mein Vater in einer Ecke, vergessen auf dem Hof seines Onkels. Meine Schwester fährt damit seit ihrem 15. Lebensjahr aus. Gemeinsam mit Vater hat sie das Motorrad restauriert. Frühlingsstart mit ÜberraschungDie Route legen wir jedes Jahr kurzfristig fest. Mal erzwingt das Wetter, mal der Straßenbau eine letzte Änderung. Für die schwach motorisierten Mopeds geht es zum Beispiel über Wutha-Farnroda und Seebach nach Sättelstädt. Kleine Dörfer und schmale Straßen sind einfach besser für die alten Fahrzeuge als Autobahn und Großstadt. Die Anwohner freuen sich schon auf uns - hoffen wir zumindest, wenn sie aus den Fenstern ihrer Fachwerkhäuschen schauen. Ich fahre nicht mit, denn ich muss fotografieren. Die Tour findet ihren Abschluss auf dem Firmengelände einer Autopflege im Gewerbegebiet Stregda. Es gab natürlich Thüringer Rostbratwurst und kühles Bier. Quelle: Jessica Schaefer für MOTOR-TALK Treffen der GenerationenWas bei unserer stark gewachsenen Familien-Ausfahrt vielleicht besonders ist: Teilnehmer vom Dreijährigen bis ins hohe Alter verbindet hier die Liebe zu den Ost-Zweirädern. Opas, die mit Enkelkindern oder gar Urenkeln mitfahren - hier kommen Generationen zusammen. In meiner Familie ist es auch so, ebenso bei den Mitgründern Thomas und Thorsten. Von Anfang an sind alle dabei: die Frauen im Beiwagen, die Kinder, wenn sie selbst schon mitfahren können, auf dem Zweirad. Oder, wie ich, in einer organisatorischen Rolle. Erstaunlich, wie viele junge Menschen aus der Region heute noch eine Leidenschaft für diese alten Fahrzeuge entwickeln - die mitunter dreimal so alt sind wie sie selbst. Wer sagt, die Jugend interessiere sich nur noch für Handys und Carsharing, sollte diese Jungs und Mädels einmal besuchen, wenn sie mit dem Werkzeugkasten in der Garage an ihren Schmuckstücken schrauben. Woher kommt diese Begeisterung?Quelle: Jessica Schaefer für MOTOR-TALK Unsere Region mag da speziell sein, denn hier dreht sich seit Generationen (fast) alles um Autos und Motorräder. Meine Schwester schrieb eine Seminarfacharbeit für das Abitur gemeinsam mit 4 Mitschülern, Thema: “Zweiradbau der DDR - Zweitakt zwischen Suhl und Zschopau”. Die Begeisterung für Fahrzeuge gehört mindestens so sehr zur Wartburgregion wie Rostbratwurst und Martin Luther. Wir leben damit seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, als in Eisenach das erste Autowerk gebaut wurde. Im frühen 20. Jahrhundert kauften die Bayrischen Motorenwerke (BMW) die damalige DIXI-Fahrzeugfabrik und ermöglichten sich den Einstieg in die Automobilbranche. In der DDR wurden hier Wartburg montiert, seit der Wende Opel. Es gibt praktisch keine Familie, in der nicht irgendjemand beruflich etwas mit Autos und Motorrädern macht. Für unsere nicht mehr so kleine Ausfahrt steht 2019 das offizielle, 10-jährige Jubiläum an. Wie viele dann nach Eisenach kommen? Sicher nicht weniger als dieses Jahr. Mein Vater und meine Schwester werden die Tour in jedem Fall anführen. Wie in jedem Jahr. ***** In eigener Sache: Wir verschicken unsere besten News einmal am Tag (Montag bis Freitag) über Whatsapp und Insta. Klingt gut? Dann lies hier, wie Du Dich anmelden kannst. Es dauert nur 2 Minuten. |