Die Gerüchte haben sich bestätigt: Smart zeigt auf dem Pariser Autosalon erstmals ein Zweirad. Der "escooter" genannte Elektro-Roller überrascht mit etlichen pfiffigen Lösungen in punkto Antrieb, Sicherheit und Komfort. Kaum wird Smart von einer Frau geleitet, zeigt die Daimler-Tochter jene innovativen Produkte, die man bei den Autos - trotz des E-Fortwo in Kleinserie - zuletzt vermisst hat. Das ist natürlich nicht ganz fair, weil ein Motorroller nicht in wenigen Wochen konzipiert wird, aber es versprüht jede Menge Aufbruchstimmung, die die Marke braucht. Auffälligstes Merkmal in punkto Design ist der Gegensatz aus kompakt-geschlossener Front und luftigem Heck mit weit hinten platziertem Hinterrad. Beide Räder sind an Einarmschwingen aufgehängt. Die tragende Chassisstruktur wurde bewusst der "Tridion"-Sicherheitszelle des Fortwo nachempfunden. Der Rahmen aus Stahl und Aluminium ist mit Bodypanels aus Kunststoff verkleidet, die vollständig austauschbar sind. Auch in den Details hat sich Smart mehr Mühe gegeben als beim letzten Fortwo-Facelift: Als Beispiele sei die LED-Technik genannt, die sowohl am Scheinwerfer als auch der bündig eingepassten Heckleuchte mit integriertem Markenlogo zum Einsatz kommt. Der escooter hat sich aber nicht nur Coolness auf die Fahnen geschrieben, sondern auch Sicherheit: So haben sich die Ingenieure großflächige lichtdurchlässige Elemente an den seitlichen Kanten der Frontverkleidung ausgedacht. Diese beleuchteten "Sidemarker" sorgen für verbesserte seitliche Sichtbarkeit und dienen gleichzeitig als markante Blinker. Unter dem Lenker wartet ein Airbag darauf, hoffentlich nie in Aktion treten zu müssen. Während sich beim Airbag die Frage nach der Serientauglichkeit stellt, gilt dies nicht für das ABS am Vorderrad, das ebenfalls ein Novum in dieser Klasse darstellt. Zum sicheren Bremsen genügt ein einziger Handgriff, um Vorder- (mechanisch) und Hinterrad (elektrisch) gleichzeitig zu verzögern. Schließlich hat Smart seinem Messestar auch noch einen Totwinkel-Assistent verpasst, der ganz so wie in der E-Klasse mittels Warnlampe im Außenspiegel bei Spurwechseln vor ungewolltem Kontakt mit nachfolgenden Fahrzeugen warnt. Coolness, Sicherheit - da fehlt noch das Umweltthema. Hier setzt Smart natürlich auf einen Elektroantrieb, der bei solchen Zweirädern noch viel sinnvoller erscheint als bei Autos: So macht der für Großstädte konzipierte escooter nicht nur weniger Lärm, sondern verzichtet vollständig auf lokale Emissionen. Klarer gesprochen: Den bei Pkw längst ausgestorbenen, bei Rollern aber nach wie vor zulässigen Gestank gibt es nicht. Für den Antrieb sorgt ein scheibenförmiger, sehr kompakter und mit 4 kW (5,4 PS) dennoch leistungsfähiger Elektromotor, der in der Radnabe des Hinterrades sitzt. Da das volle Drehmoment sofort beim Anfahren zur Verfügung steht, ist ein zügiger Start möglich. "An der Ampel können escooter-Fahrer den meisten Autos mühelos davon fahren", schwärmt Smart bereits. Die Maximalgeschwindigkeit ist allerdings auf 45 km/h begrenzt, dafür dürfte man den escooter auch mit dem Autoführerschein fahren. Nervige Schaltrucke wie im Fortwo gibt es mangels Getriebe nicht. Den Fahrstrom liefert ein Lithium-Ionen-Batteriepaket mit 48 Volt. Dank einer Kapazität von 80 Ah sind sollen Reichweiten von bis zu 100 Kilometer möglich sein - mehr als genug für städtische Fahrten. Aufgeladen werden kann der escooter in drei bis fünf Stunden an jeder üblichen Haushaltssteckdose. Die Ladedose dafür ist in der Front des Rollers unter dem Smart-Emblem untergebracht, das Ladegerät ist bereits im Roller integriert. Sonnenkollektoren in der Front unterstützen das Aufladen bei Sonnenschein auch während der Fahrt. Ebenso wird natürlich die Bremsenergie des Hinterrads in die Akkus zurückgespeist. Die Akkus sind hinter der Verkleidung im Fußbereich untergebracht und sorgen so für einen niedrigen Schwerpunkt. Weil der Motor keinen Platz im Rahmen beansprucht, stehen dort Ablagefächer zur Verfügung. Das unter dem Sitz soll sogar zwei Helme aufnehmen können. Zwei? Ja, denn auch wenn es ein schönes Wortspiel gewesen wäre, ist der escooter kein Smart forone. Ein über dem Hinterrad ausklappbarer Sitz ermöglicht die Mitnahme der Frau des Herzens - oder heutzutage vielleicht öfter die Mitnahme des Mannes durch die Dame. Die zugehörigen Fußstützen für den Sozius fahren beim Ausklappen des Zusatzsitzes automatisch mit aus. Der Soziussitz kann bei Bedarf durch eine Gepäckbrücke ersetzt werden. Die Bedienung hat Smart nicht mit wenig ansehnlichen Instrumenten wie im Fortwo gelöst, sondern so, wie man es bald wohl auch in Autos und vielen anderen Gerätschaften sehen wird: Ein Smartphone, beim Messeexemplar ein Apple iPhone 4, dient als Steuer- und Kommunikationszentrale. Vor dem Start wird das Gerät in eine Lenker-Halterung eingesetzt und deaktiviert die Wegfahrsperre. Während der Fahrt dient das iPhone als Navigationssystem und Tachometer und informiert über Ladezustand und Reichweite. Sollte man einmal vergessen haben, wo man seinen escooter abgestellt hat, kann man mit Hilfe der Applikation "GPS-Tracking" auch den Standort ermitteln. Schließlich lässt sich über das Display auch die Beheizung der Lenkergriffe aktivieren. Das alles klingt innovativ und dürfte bei der Zielgruppe junger, urbaner, nicht ganz armer Lifetsyle-Menschen viele Begehrlichkeiten wecken. Zudem eignet es sich hervorragend zur Einbindung in Carsharing-Konzepte wie Daimlers car2go. Zu möglichen Serienplänen hüllt sich Smart aber noch in Schweigen. Der escooter gebe einen "Ausblick auf künftige Null-Emissions Produkte [sic] der Marke", heißt es hinreichend unkonkret. Dr. Annette Winkler, die neue Smart-Chefin, könnte mit einer schnellen Serienfreigabe möglicherweise mehr als nur ein Zeichen setzen. Trauen Sie sich, Frau Winkler!
Quelle: Autokiste |
verfasst am 22.09.2010
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