Der Smart Fortwo ist zehn Jahre alt. Kaum ein anderes Auto kann in einem Jahrzehnt auf ein so bewegtes Leben voller Stolpersteine, Träume und Operationen zurück blicken. Von Roland Löwisch Hätte der amerikanische Landes-Vertriebsfürst - der Name spielt keine Rolle - seine Kritik noch etwas derber formuliert, hätte es vermutlich nie einen Smart gegeben. Sein Kommentar, als er erstmals das winzige "Nahverkehrsfahrzeug" (Nafa), eine Idee des Mercedes-Benz-Strategiegremiums, sieht: "Der fällt in New York ja in jedes Schlagloch rein." Das war vor 19 Jahren. Damals war der apple big, ebenso die Autos, die Zuversicht und der Glaube der Amerikaner an ihr Land. Klein war nur der Benzinpreis. Dass der "Elefantenschuh" dennoch jetzt zehnjährigen Geburtstag feiern kann, ist sowohl weitsichtigen Mercedes-Visionären als auch - ausgerechnet - dem US-Staat Kalifornien zu verdanken. Erstere ließen sich nicht ins Boxhorn jagen und entwickelten den Zweisitzer vom Nafa über den MCC (Mercedes City Car, später Micro Compact Car) zum Smart. Der Westküsten-Staat verabschiedete 1990 den ''Clean Air Act'': Danach sollten - beginnend ab 1998, bis 2002 - mindestens zehn Prozent aller Autos in dem Sonnenstaat schadstofffrei fahren. Zu der Zeit hatte niemand Pläne für ein verbrauchsarmes Kleinstauto in der Schublade - außer Mercedes. Seit 1998 läuft der Kleine vom Band in Hambach. Happy Birthday, Smartie. Du hast 2,4 Milliarden Mark Entwicklungskosten gefressen, das Elch-Test-Desaster des großen Bruders namens A-Klasse mit ein paar blauen Flecken überstanden, den Spruch von Mercedes-Chef Jürgen Hubbert ("Fahren ist tatsächlich nicht der Spaß, den man sich vorstellen kann") überlebt, das nie voll verwirklichte "Smartmove" genannte Mobilitätskonzept vergessen lassen, pseudo-hippe Smart-Verkaufstürme abgehakt und die Kunden trotz eines fast schon prohibitiven Einstandspreises von 16.480 Mark überzeugt. Respekt. Vergessen die Versuche, aus Smart eine komplette Modellfamilie zu machen: Der Forfour überlebt nur kurz, ebenso Roadster und Roadster-Coupé. Die 220-km/h-Studie "Formore" schafft es nicht auf den real existierenden Markt, sorgt aber für eine unkende Internet-Fangemeinde: In Blogs wird augenzwinkernd das Mofa "Forone" gefordert, der Kleinbus "Formuchmore", die Zugmaschine "Fortrailer". Der Smart-Mythos wankt, der nun "Fortwo" genannte Zweisitzer nicht. Im Gegenteil: Als Alleinvertreter der Marke und mit Partnern wie dem dachlosen Crossblade, dem Cabrio und dem Diesel ist der Stadtfloh heute nicht mehr aus dem Straßenbild wegzudenken. Vom Fortwo sind inzwischen rund eine Million Stück gebaut worden. Allein in der Smart-Hauptstadt Rom wuseln mehr als 50.000 Mercedes-Minis. Allerdings hat es lange gedauert, bis die Amis sich vorstellen konnten, so einen Kleinwagen vor ihrem kreditfinanzierten Einzelhaus zu parken: Verkaufsstart war dort im Januar 2008. Seitdem wurden in der Neuen Welt bereits mehr als 16.000 Fortwo verkauft. Ein paar davon sind allerdings kaum mehr als solche zu erkennen. Sie wurden Opfer des amerikanischen Spieltriebes. Eine der aktuell schrägsten Smarties hat sich Coachbuilder George Barris ausgedacht: Der "Batsmart" ist ein tiefschwarzer Fortwo mit Flügeltüren von "Vertical Doors" und Düsenauspuff. Preis des geflügelten Kinderschrecks: umgerechnet etwa 23.000 Euro. 40 Stück sollen gebaut werden. Ebenfalls ein Hingucker, allerdings aus Schweden: der Mustang-GT500-Eleanor-Smart von der Firma Thalondesign. Die Basis: germanische Präzisionstechnik. Die Optik: Hollywood-Style aus dem Film "Gone in 60 Seconds". Ausgerechnet der rund 2,5 Meter lange Fortwo gehört zu den beliebtesten Tuning-Objekten aus dem Hause Mercedes. Und wahrlich nicht immer nur optisch: Wenn zum Beispiel der Grieche Stefanos Attart seinen Smart startet, wartet die Nachbarschaft mit ihrer Fahrt. Denn der Respekt vor Attarts Universal-Motorgerät ist riesig: Sein Fortwo kann mit 65 Zentimeter Bodenfreiheit problemlos jeden Kritiker platt walzen, trotz übersichtlicher Karosseriemaße logiert er am Steuer in etwa zwei Metern Höhe. Mit 100 PS ist der Wagen geringfügig stärker als die Serienversion, der Motor besitzt allerdings doppelt so viele Zylinder wie der Dreizylinder aus dem Laden. Auch mit einem Liter Hubraum hat sich der Rallye-Fahrer nicht zufrieden gegeben - 5,7 Liter Hubraum sollten es schon sein. Und selbstverständlich sind die Räder leicht getunt: fette 26-Zoll-Geländegummis statt 15 Zoll-Asphaltschlappen. Zugegeben: Attart hat mehr als nur ein bisschen nachgeholfen, um aus einem Fortwo den Schrecken der Region zu machen. Unter seinem "Forfun2" steckt nämlich ein waschechter Unimog-406-Unterbau samt -Antrieb. Fünfeinhalb Monate bastelte er, bis der überdimensionale Stadtfloh auf den Rädern stand. Andere Extrem-Bastler weiden die Mobilitätsgaranten bis zur nackten Tridion-Zelle aus und bestücken sie mit hochdrehenden Motorrad-Motoren. Besonders beliebt dabei: der Antrieb aus einer Suzuki Hayabusa GSX 1300 R. Dann fetzen sie - natürlich auf Privatgeländen - mit diesen extrem gestrippten und gestärkten Fortwos herum und nennen sie am liebsten "Diablo". Mit diesen Zwittern aus deutscher Qualitätsarbeit und japanischem Hochdrehkonzept brennen die Schrauber Donuts in die Vorgärten, dass der Nachbar vor lauter Gummiqualm nichts mehr sieht. Oder sie fordern mit ihren Teufelchen Platzhirsche wie den Ferrari 430 heraus. Auf Youtube ist das Ergebnis so eines Sprintrennens zwischen einem Temperamentsbolzen aus Maranello gegen einen Hambacher Beelzebub zu sehen: Die bearbeitete allemannische Präzisionspretiose benötigt für 400 Meter 13,29 Sekunden, die italienische Gefühlsgranate 13,40 ... Nachteil solcher Extremumbauten: Sie sind nicht für die Straße zugelassen. Anders die Smarties, die sich zum Beispiel zu Events wie "Carvoting" im Internet stellen: Karin Reglers "Shrek" ist nicht nur wild farbchangierend mit seiner "Scarab"-Lackierung, sondern auch mit einer der besten HiFi-Anlagen ausgestattet. Der "Future One" von Herbert Sodamin kommt mit einem völlig veränderten Gesicht dank diverser Anbauteile und Schlitzaugen daher, ebenso das Cabrio ''Sodamin''. Nicht minder extrem der "Xtreme" von Sascha Wassmuth, der ein Coupé von 2001 unter anderem mit verstärkter Bodengruppe, Überrollkäfig, Gewindefahrwerk sowie Schalensitzen ausgerüstet hat und mit 110 PS Wiesbaden unsicher macht. Andere Smarties sind vollgestopft mit Anbauteilen, wie zum Beispiel der "Crossblade" von Michael Lange. Ihm hat es nicht gereicht, dass Smart mit der auf 2000 Stück limitierten Bertrandt-Werkskonstruktion einen der ungewöhnlichsten Blickfänge auf die kleinen Räder stellte. Lange hat seinen Zweisitzer, der von Haus aus bereits ohne Dach und Scheiben auffährt, bis zum Überrollbügel aufgerüstet: Volllederausstattung, Sportfahrwerk, Spurverbreiterung, Edelstahlsportauspuff, gelochte Bremsscheiben, Edelstahlheckblende, Kohlefaserlüftungseinlass, Musikpaket mit Endstufenmodul und Subwoofer, und natürlich eine Leistungssteigerung auf 82 PS. Was die Fans sonst noch aus dem Smart schälen, ist am besten bei den großen Smart-Treffs zu bewundern. Der größte war bis zum Jahr 2006 der London-Brighton-Run: Hier trafen sich mehr als 2000 Smart-Fahrer mit ihren Autos - egal ob Fortwo, Roadster, Roadster-Coupé oder Forfour - und rollten durch England. 2008 gab es eine Alternative: der London-to-Berlin-Run des Smart-Clubs Niedersachsen mit Besuch der legendären Brookslands-Rennbahn. So eine Horde Smart in der Steilkurve ist ein echter Blickfang ... Auch die deutschen Tuner haben den kleinsten Mercedes schon lange als dankbares Umrüstungsobjekt entdeckt. Allen voran Edeltuner Brabus, der ebenfalls eine limitierte Sonderserie aufgelegt hat: Der "Brabus Ultimate 112" basiert auf dem Cabrio. Mit 112 PS sprintet der Power-Floh in 9,5 Sekunden auf 100 km/h. Hinten steht die City-Drohne auf 235er-Reifen, die 170 km/h Höchstgeschwindigkeit werden durch ein Gewindefahrwerk und eine breitere Spur stabilisiert. Innen dominiert Mastikleder und Aluminium. Der Exhibitionisten-Mini kostet 38.500 Euro ohne Steuern - und dürfte damit wohl der teuerste Serien-Fortwo der Gegenwart sein. Die persönlichsten Exemplare dagegen verdanken eine kleine Schar versierter Bastler dem deutschen Tuner Michalak. Der bietet seit Ende 2006 den Bausatz C7 an - geduldige Schrauber machen so aus einem ausgelebten Fortwo einen schnittigen Roadster. Zum Beispiel Josef Biermann: Der Modellflugzeugbauer und gelernte Kfz-Mechaniker hat rund ein Jahr für den straßenzulassungsfähigen C7 gebraucht - außer Nerven hat ihn das rund 20.000 Euro gekostet. Dennoch würde er es jederzeit wieder machen: "Man muss sich doch auch im Alter noch fit halten." Übrigens: Der Mann ist 80 Jahre alt. Kann sich Konzernmutter Mercedes mit solchen Kleinserien-Derivaten gut anfreunden, hört das Verständnis auf, wenn Kopierer versuchen, mit der Smart-Idee groß abzusahnen. Wie die Chinesen. Besonders dreist war die Firma Shuanghuan, die den "Noble" anbot - ein klares Smart-Plagiat mit aufgemalter Tridion-Sicherheitszelle, das vor den internationalen Gerichten nicht bestand. Genauso groß wie beim Nachmachen war die Kreativität der Chinesen bei der Namensgebung: So versuchten Pseudo-Smarties namens Huoyun HY B-22 und Jinan FlyBo XFD-6000ZK, als Elektromobile für 5800 Euro in Amerika Fuß zu fassen. Was nicht gelang. Der ehemalige Smart-Boss und heutige Daimler-Kommunikationschef Anders Sundt Jensen kann sich trotzdem noch heute über die Dreistigkeit der Chinesen aufregen: "Schlimm ist, wenn jemand suggeriert, ein Auto billiger bauen zu können als das Original. Das grenzt an Frechheit und ist nicht akzeptabel." Deswegen schlägt das Imperium zurück: Ab Mitte 2009 rollen Original-Smarts aus Deutschland auf Chinas Straßen. Die Idee eines "Smart für jedermann" setzt der Stuttgarter Konzern in Deutschland lieber selber um, und zwar mit dem Original: Seit Oktober können 500 Daimler-Konzernforscher in Ulm beim Pilotprojekt "Car2Go" sich in ihrer Stadt einen von 50 speziellen weißblauen Miet-Smarts greifen und so lange übers Web, Handy oder per Hotline mieten, wie sie ihn benötigen. Die Mischung aus Carsharing und Mietwagen kostet pro Minute 0,19 Cent, pro Stunde 9,90 Euro pro Stunde oder pro Tag 49,90 Euro. Klappt das Mobilitätskonzept, sollen auch die restlichen 200.000 Ulmer ab Frühjahr 2009 in den "Car2Go"-Genuß kommen. Dann postiert Daimler weitere 150 Diesel-Smarties in der süddeutschen Stadt. Damit ist die Smart-Story noch lange nicht am Ende. Es gibt ihn inzwischen als Micro-Hybrid-Smart, in London werden die ersten reinen Elektro-Smart getestet. Besonders die Stromer dürften für ein langes Leben des einst belächelten Kleinstwagens sorgen. Nicht nur im Clean-Air-Staat Kalifornien. Es würde uns übrigens nicht wundern, wenn der Fortwo in weiteren zehn Jahren fliegen kann ... -> Chromjuwelen-Fotogalerie: "10 Jahre Smart"
Fotoquellen:
-> Smart, Dodge Charger Daytona: Mike Musto, Cardomain.com -> George Barris "Batsmart": Smart42parts.com -> Smart Eleanor "Smartinor": Thalon Design -> Smart ForFun2: Attart Off Road Park -> Smart Tuning: Sodamin -> Halloween Smart: Smartcar Of America -> Ed Hardy Smart: Smart Car Tattoo
Quelle: Chromjuwelen |
verfasst am 09.12.2008
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