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30 Jahre 16V in Großserie - So eroberte „Sechzehnvau“ die Straßen

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Früher heiß, heute Standard: Seit 30 Jahren gibt es Motoren mit 16 Ventilen in der Großserie. Warum der „16V“-Schriftzug etwas Besonderes war – und heute nicht mehr ist.

Fast wie Turbo, aber ohne Löcher: Kadett GSI 16V von Thomas Niewalda Fast wie Turbo, aber ohne Löcher: Kadett GSI 16V von Thomas Niewalda Quelle: Haiko Prengel

Von Haiko Prengel

Berlin - In Zeiten der hochgezüchteten Mini-Motoren mag es anders sein. Doch wer früher ein Auto mit ordentlich Leistung fahren wollte, der kaufte einen Sechs- oder Achtzylinder. Mit vier Töpfen - manche V8-Fans sprechen verächtlich von einem halben Motor - lässt sich schließlich kein Dampf machen. Oder doch?

Nun, es kommt auf das Spezialbesteck an. Bei dem kleinen, aber zornigen Opel Kadett E von Thomas Niewalda wären dies: ein Zweiliter-Vierzylindermotor (Motorcode C20XE) mit vier Ventilen pro Zylinder, zwei obenliegenden Nockenwellen (DOHC) und einem mittleren Arbeitsdruck von hervorragenden 12 bar. Macht 150 PS bei 6.000 Umdrehungen pro Minute. So geht der unscheinbare E-Kadett „fast schon turbomäßig“ ab, schwärmt Niewalda, „allerdings ohne irgendwelche Löcher“.

Opel Kadett GSI: Cockpit Opel Kadett GSI: Cockpit Quelle: Haiko Prengel Niewalda ist passionierter Amateur-Rennfahrer und Besitzer von zwei Ferrari. Er besitzt auch jenen Opel Kadett GSi 16V und denkt gar nicht daran, ihn abzugeben. Denn dessen 150 PS mögen heutzutage nichts Besonderes mehr sein. Vor 30 Jahren war das enorm viel, insbesondere in der Kompaktklasse. Dort fuhr der Opel Kadett ab 1987 vielen Konkurrenten davon.

Damals stellte Opel den Kadett GSi 16V auf der IAA in Frankfurt am Main vor. Der VW Golf GTI 16V war schon ein Jahr früher auf den Markt gekommen, hatte mit seinen 139 PS (Motorcode „KR“, später als „PL“ mit Kat: 129 PS) im Duell mit dem Erzrivalen aus Rüsselsheim aber das Nachsehen.

Vierventiltechnik ab Werk

Das Kürzel 16V stand für eine wichtige Neuerung: Erstmals wurden in Großserienfahrzeugen Motoren mit äußerst effizienter Vierventiltechnik eingebaut. Und zwar nicht von irgendeiner Tunerschmiede, sondern ab Werk.

Zu den Pionieren gehörte Daimler-Benz. Der Hersteller präsentierte bereits 1983 den 190 E 2.3-16, einen besonders „bösen kleinen Benz“ („Auto Bild Klassik“) mit strammen 185 PS. Honda pflanzte dem CRX einen leistungsstarken 1,6-Liter-Motor mit 16 Ventilen ein. Und auch bei Porsche gingen mit dem 944 S Vierventiler in Serie.

Die Technik stammte aus dem Rennsport. Insbesondere Opel war damals noch sehr aktiv im Motorsport. 1982 gewann Walter Röhrl mit einem Opel Ascona 400 die Rallye-Weltmeisterschaft mit einem 2,4-Liter-Vierventil-Motor (ca. 270 PS, 0-100 km/h: 6,5 s). In dem zusammen mit der britischen Motorenschmiede Cosworth entwickelten Aggregat steuerten zwei oben liegende Nockenwellen 16 Ventile an.

Doch es sollte noch fünf Jahre dauern, bis die Rüsselsheimer im Kadett E dann erstmals einem eigenen Großserienmodell einen Vierventilmotor einpflanzten. Renn-Performance wurde praktisch demokratisiert.

Wenig Platz erfordert neue Ideen

Eine Zeitenwende, schienen 50 bis 60 PS eines durchschnittlichen Zweiventil-Motors für die breite Masse der Mittelklassewagen doch über Jahrzehnte ausreichend zu sein. „Mit 90 PS galt man schon als gut motorisiert“, erinnert sich Roland Sieber, Prüfingenieur bei der Sachverständigenorganisation GTÜ.

Schließlich war durch das Konzept des Frontantriebs der Platz im Motorraum begrenzt - und durch die bevorzugt quer eingebauten Vierzylinder auch die Motorleistung. „Über die Massenträgheit des Ventiltriebs wird die Motordrehzahl durch die Tellergröße und das Gewicht der Ventile physikalisch begrenzt, so dass der Zweiventiler schnell seine mechanische Grenze in der maximalen Motordrehzahl erreichte“, erklärt Sieber. Heißt: Bei zu hoher Drehzahl fangen die Ventile an zu flattern. Im schlimmsten Fall gibt es einen Motorschaden.

Sechzehnvau erlaubte viel Leistung in engen Motorrräumen: Blick in den Motorrraum des Kadett GSI Sechzehnvau erlaubte viel Leistung in engen Motorrräumen: Blick in den Motorrraum des Kadett GSI Quelle: Opel Wegen der knappen Platzverhältnisse im Motorraum war die klassische Leistungserhöhung durch den Einbau längerer Reihensechszylinder nicht möglich. Also ließen sich die Ingenieure etwas Neues einfallen: Statt einer pflanzten sie dem Zylinderkopf zwei Nockenwellen ein, von denen eine die Auslass- und die andere die Einlassventile steuert. Zwei kleine Ventile lassen mehr Luft in den Brennraum als ein großes. Außerdem sind sie leichter und kleiner, also bei schnellen Bewegungen stabil.

Mehr Leistung, saubereres Abgas

Die Vorteile: mehr Leistung durch höhere Drehzahlen des Motors. Dazu wird ein größerer Drehzahlbereich nutzbar, verbunden mit einem höheren Drehmoment. Positiver Nebeneffekt: Das Abgasverhalten verbessert sich. Vierventilmotoren arbeiten effizienter, also sauberer. Aber die Autofahrer begeisterte natürlich vor allem die Power.

„Diese Motoren waren einfach besser in fast jedem Geschwindigkeitsbereich fahrbar und machten so auch emotional mehr Leistung spürbar, was man zuvor nur im Rennsportfahrzeug kannte“, unterstreicht Kfz-Ingenieur Sieber.

Kadett-Fahrer Thomas Niewalda kann das bestätigen. Seit den 1970er-Jahren fährt der Stammtischleiter der Alt-Opel IG im Main-Kinzig-Kreis Rennen und Rallyes. Der frontangetriebene Kadett E hat bei Fans klassischer Hecktriebler wie Commodore, Manta oder C-Kadett nicht den besten Ruf. Aber „Frontkratzer“ hin oder her, meint Niewalda. „Rallyes fahren kann man mit dem GSi 16V ganz hervorragend.“ Die Art der Leistungsentfaltung sei phänomenal. „Da hast Du am Berg jeden Moment Zug an der Kette.“

Die Technik hat auch Nachteile

Wegen seines Erfolgs wurde der C20XE in den Folgejahren im Vectra A (Vectra 2000), im Sportcoupé Calibra und im Kadett-Nachfolger Astra F (Astra GSi) eingebaut. „Letztlich wurde der 16V mit zwei Litern Opels Brot-und-Butter-Motor der gesamten 1990er-Jahre“, sagt Niewalda. Sogar die großen Sechszylinder-Modelle wie Omega 3000 oder Senator bekamen Vierventil-Technik, dann mit dem Kürzel 24V.

Schneller Japaner der 1980er und 1990er: Honda CRX Schneller Japaner der 1980er und 1990er: Honda CRX Quelle: Cook24v via flickr.com (CC 2.0) Doch es gibt auch Nachteile der Vierventiltechnik: Rein mechanisch gibt es bei den höher drehenden Motoren mehr Verschleißstellen an der Motorsteuerung, die eine erhöhte Ausfallrate nach sich ziehen können. Gebrochene Nockenwellen, abgerissene Ventile, gerissene Zahnriemen, gebrochene Pleuel mit durchgeschlagenem Motorgehäuse oder durchgebrannte Kolben – das seien „gängige Schadenbilder“ der ersten Jahre gewesen, sagt Kfz-Ingenieur Sieber.

Auch die Motorreparatur wurde nun zur Sache von Spezialisten. Mechanische Spiele waren durch die höhere Fertigungsgenauigkeit der Komponenten deutlich spezifischer ausgelegt. Durch die wesentlich aufwändigeren Motorkomponenten wurden Motorreparaturen oder Instandsetzungen deutlich teurer. Bei Ausfällen erreichten Reparaturkosten den Fahrzeugzeitwert schnell.

Nicht viele haben überlebt

Tatsächlich ist der Bestand an Opels GSi-Kadetten ziemlich zusammengeschrumpft. Von den 48.000 Fahrzeugen, die bis 1993 gebaut worden sein sollen, waren im Januar 2016 laut Kraftfahrtbundesamt nur noch 386 Fahrzeuge mit dem 16V-Schriftzug am Heck zugelassen. „Viele wurden im Motorsport zerlegt“, sagt Liebhaber Thomas Niewalda. Andere fielen dem Rost zum Opfer.

Niewaldas eigener Kadett erfreut sich bester Gesundheit. Dass Vierventilmotoren generell anfälliger seien, sei Quatsch, meint der Alt-Opel-Fan. Abgesehen von den Hydrostößeln habe der wackere C20XE noch nicht revidiert werden müssen. Nur der Zahnriemen musste getauscht werden – das in all den Jahren auf der Piste allerdings mehrfach.

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