Eigentlich haben sportliche Audis einen Allradantrieb. Bis auf den R8 RWS. Der kommt mit dem Heck, spät und nur wenn man ihn reizt. Dann aber richtig. Erste Fahrt.
Madrid – Dieser Audi R8 ist wie dieser verwegene Junge aus der Nachbarschaft, mit dem man als Kind nie spielen durfte. Über den lässt es sich tuscheln. „Heckantrieb! Und so etwas in einer Allrad-Modellfamilie. Wo doch die Audi-Sportmodelle seit jeher mit Quattro kommen.“ MOTOR-TALK spielte nicht nur mit dem aktuell bösesten Ingolstädter, sondern provozierte ihn auch noch: Driften mit dem Audi R8 RWS (Rear Wheel Series). Drift-Souveränität in MomentaufnahmenQuelle: Audi „Aber doch nicht mit einem Mittelmotorsportwagen“, hätte uns Mama im Treppenhaus nachgerufen. Und recht gehabt, irgendwie. Ein solches Konzept ist für schnelle Runden gedacht, nicht für lange Drifts. Das ist klassisches Territorium der Hinterradgetriebenen mit Front-Motor. Doch Audi lässt in der Werbung einen R8 RWS durchs Parkhaus wedeln, betont in der Pressekonferenz, dass es – einigermaßen – geht. Und stellt uns auch noch eine freie Fläche mit Pylonen bereit. Wir wählen über die Taste am Lenkrad auf den scharfen Dynamic-Modus, hier lässt sich das Stabilitätsprogramm gänzlich deaktivieren. Überreden einen Fotografen, sich am Kurs zu postieren. Und sind schon nach wenigen Kurven froh, nicht seinen Kollegen mit der Videokamera gefragt zu haben. Großes Drift-Kino vom Kurveneingang bis weit auf die nächste Gerade hinaus, das gelingt selten. Drift-Souveränität gibt es in Momentaufnahmen. Etwa, wenn das Heck beim Einlenken auf der Bremse leicht wird. Wenn man es planmäßig mit einem leichten Gasstoß ausscheren lässt. Der V10 aus dem Allrad-R8 kurz aufröhrt und die Hinterräder den Grip verlieren - lange bevor der 5,2-Liter-Sauger seine Bestmarken von 540 PS und 540 Newtonmeter erreicht. Oder wenn sich der Drift am Gas halten lässt. Vorsichtig, ganz vorsichtig. 50 Kilogramm GewichtsersparnisQuelle: Audi Es ist ein bisschen, als würde man ein volles Wasserglas immer weiter in Richtung Tischkante schieben. Geht lange gut. Aber irgendwann ist schnelles Abfangen gefragt. Dann geht mitunter ein bisschen was daneben. Manchmal alles, und wir stehen verkehrt herum da. Freilich, so leicht bricht der erste Heckantriebs-Audi der Nachkriegsgeschichte sonst nicht aus. Die Fahrbahn ist staubig, die Techniker stellten das Auto auf geschundene Winterreifen. Auf normalem Belag und mit Pirelli-P-Zero-Sportreifen braucht es ungleich mehr Tempo und Risiko, um die Hinterachse nennenswert aus der Spur zu bringen. Auf ihr lasten rund 60 Prozent des Gewichts. Das R8 RWS Coupé wiegt 1.590 Kilo, rund 50 weniger als der Allrad-Bruder. Die Spyder-Version des RWS ist rund 40 Kilogramm leichter als der gleich starke, offene Allrader. Resultat des Verzichts auf ein Differenzial sowie eine Kardan- und zwei Antriebswellen. Ansonsten blieben größere Eingriffe aus. Die Motorsoftware arbeitet wie beim herkömmlichen 540-PS-Modell. Die 610-PS-Variante bleibt dem V10-Plus-Modell mit Quattro-Antrieb vorbehalten. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ist gleich abgestimmt, im zweithöchsten Gang erreicht das R8 Coupé seinen Topspeed von 320 km/h. Die Lamellensperre im verbliebenen Differenzial sperrt unverändert mit bis zu 45 Prozent bei Schub- und 25 Prozent bei Zugbetrieb. Das Modell entsteht gemeinsam mit den Allradvarianten im Werk "Böllinger Höfe" bei Heilbronn. Lockeres Sicherheitsnetz für die LandstraßeQuelle: Audi Audi Sport konzentrierte sich auf Abstimmungsdetails. Erhöhte den Negativ-Sturz an der Hinterachse auf minus 1,2 Grad. Verbaute andere Stabilisatoren und härtere Dämpfer. Die elektromechanische Lenkung arbeitet im Bereich um die Mittelstellung anders als im Quattro, die grundsätzliche Übersetzung veränderten die Ingenieure nicht. Das Stabilitätsprogramm wurde angepasst. In der Zwischenstufe „Sport“ steht das System noch zum Abfangen bereit, lässt die Hinterachse zuvor jedoch überraschend weit wandern. Heizen mit Sicherheitsnetz – für einen Ausflug auf Bergstraßen passt das. Bei trockenen, warmen Bedingungen gibt sich der R8 RWS höchst unkompliziert. Die wenig belastete Vorderachse läuft Spurrillen nur selten nach. Den Heckantrieb nimmt man eher als Partner beim Verengen des Radius wahr denn als Gasfuß-strafende Quelle des Heckausbruchs. Meistens jedoch: gar nicht. 999 R8 von unkompliziert bis garstigQuelle: Audi Dann denkt man nur beim Blick auf das Armaturenbrett an die Zahl der angetriebenen Räder. „1 of 999“ steht dort auf einer Plakette. Mehr Exemplare entstehen nicht. Rund 70 Prozent davon werden Coupés, sagt Audi. Weil das Verhältnis beim Allradmodell ähnlich ausfällt. Und weil man die bisherigen Vorbestellungen kennt. Ausverkauft sei er noch nicht. Mit Basispreisen von 140.000 Euro für den geschlossenen und 156.000 Euro für den offenen RWS starten die Hecktriebler rund 26.000 Euro unterhalb der vergleichbaren Allrad-R8. Kein schlechter Deal, das limitierte Modell wird auf lange Sicht an Wert zulegen. Die Sammler sind Audis erste erklärte Zielgruppe, die zweite sind Puristen mit Rennstreckenambitionen und gelegentlichem Interesse am Drift. Die, denen Audis jüngste Sportmodelle zu brav und kompromissbereit gerieten. Der R8 RWS tut ihnen und der Marke gut. Technische Daten Audi R8 RWS Coupé
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