Opels Werbespruch der 70er-Jahre: Nur Fliegen ist schöner. Das stimmt immer noch, zumindest im Opel GT. Ausfahrt zum 50. Geburtstag des wohl schönsten je gebauten Opel.
Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de Rüsselsheim – Die Münder standen offen, damals auf der IAA 1965. Was da auf dem Opel-Stand parkte, hatte mit Kadett, Olympia und Rekord so viel gemeinsam wie die (damals jungen und wilden) Rolling Stones mit bäuerlicher Hausmusik. Opel zeigte ein Coupé, ein Experimentalfahrzeug - nicht gedacht für den Verkauf. So etwas wie diese Studie gab es bei Opel bisher nicht: Einen rassigen Zweisitzer, höchst unpraktisch und nur für den Spaß gebaut, mit zwei Sitzplätzen und wenig Platz. Ein flacher Sportwagen mit geschwungenen Hüften, langer Motorhaube und kurzem Heck. Das Coke-Bottle-Design orientierte sich an einem Traumwagen, der US-Mutter, der Corvette. Die schmalen Türen zogen sich weit ins Dach hinein. Technisch abgeleitet vom Kadett und mit vielen Griffen ins Konzernregal bot der GT solide Technik und ermöglichte bezahlbare Preise. Nicht verwunderlich also, dass die Studie als Projekt 1484 und Kadett GT entstand. Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de Drei Jahre später rollte der erste GT 1900 tatsächlich von den Bändern in Bochum – und wurde schnell zum Verkaufsschlager und Imageträger für Opel. Die vorkonfektionierte Karosserie kam vom Karosseriemeister Brissonneau et Lotz in Frankreich, montiert wurde das Coupé im frisch eröffneten Kadett-Werk. Schneller als Porsches 914Unter dem Blech des Gran Tourismo Coupé steckt weniger Aufregendes: Der 1,9-Liter-Vierzylinder aus dem Opel Rekord setzt auf zwei Ventile pro Brennraum und eine oben liegende Nockenwelle im Zylinderkopf (CIH). Nur drei Liter Motoröl halten den Vierzylinder geschmeidig. Damit der Motor hinter der Vorderachse unter die Haube passt, ist der Ventildeckel vorn abgeschrägt. Die Beule in der Motorhaube bietet Platz für den Luftfilter. Erstaunlich, wie viel Raum dagegen vor dem Kühler verschwendet wird. Fürs Gas-Luft-Gemisch sorgt ein Fallstrom-Registervergaser von Solex. 90 PS fließen an die Hinterachse und katapultieren den Sportwagen in 11,5 Sekunden auf Tempo 100. Erst bei 185 km/h ist Schluss. Sensationelle Werte in einer Zeit, in der ein VW 1200 mit 116 km/h auf der rechten Spur rumzuckelte und ein Porsche 911 T 200 km/h erreichte. Dazu überzeugte beim Opel der Preis: 1968 kostete der GT 1900 11.880 Mark. Ein Porsche 911 T kostete 19.970 Mark, ein Porsche 914 (Spitze 177 km/h) kam ab 1969 auf 12.560 Mark. Einen Käfer gab es allerdings schon für 4.525 Mark. Keine Konkurrenz. Mit etwas Mühe krabbeln wir in den nur 1,22 Meter hohen Opel, sind froh über die weit ins Dach geschnittene Tür. So eng ist der Einstieg. Auch der Innenraum sollte eher Innen-Enge heißen. Die Beine sortieren sich mühsam, der linke Arm berührt sofort die Tür. Würden wir jetzt Gepäck verstauen wollen, müssten wir es hinter die Sitze legen. Eine Kofferraumklappe gibt es nicht, im Heck befindet sich der Tank. Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de Doch vor uns blicken wir auf die schönste Opel-Uhrensammlung, die man finden kann. Das Cockpit zieren der Drehzahlmesser und ein Tacho, der stolz bis 240 km/h reicht. Etwas übertrieben, aber der GT durfte auf dicke Hose machen. Drei kleine Rundinstrumente geben Infos zu Öldruck, Stromstärke, Wassertemperatur, Tankinhalt und Uhrzeit. Opel GT: 960 Kilo, 90 PSDas Simili-Holzlenkrad mit seinem dünnen, schlüpfrigen Kranz liegt gut in der Hand. Direkt rechts neben dem rechten Knie ragt der Schalthebel des Viergang-Getriebes in die Höhe. Der Anlasser schraubt sich nach dem ersten Zündschlüsseldreh heulend auf das Schwungrad, gibt nach ein paar Umdrehungen nach und lässt dem Vierzylinder freien Lauf. Aus dem mittig angeordneten Doppelauspuff blubbert es satt. Nicht schlecht für einen 1.9er. Mit ein bisschen Gas und zarter Hand liegt der erste Gang an. Die Kupplung kommt sehr spät, schnalzt kurz und packt dann griffig zu. Etwas mehr Gas und die Drehzahl klettert gemächlich in die Höhe, kurz Zwischengas und der nächste Gang flutscht locker durchs Getriebe. Erstaunlich, wie leicht und wendig das Auto fährt. Gut 960 Kilogramm wiegt der GT, die 90 PS haben damit kaum Mühe. Vorausgesetzt, die Drehzahl stimmt. Der Vierzylinder verlangt mindestens 3.500 Touren, bevor Dynamik aufkommt. Dann aber vibriert der GT lässig um die Ecken. Die schmalen Räder flehen nach der ersten Kurve um Zurückhaltung, bieten selbst im warmen Zustand nur wenig Grip. Schon etwas zu viel Gas drückt das Heck des GT nach außen, das lässt sich aber mit der direkten Lenkung schnell einfangen. Gefährlich? Nein, eher spaßig. Schöne Details, hartes FahrwerkQuelle: Fabian Hoberg für mobile.de Das Fahrwerk zählte schon damals nicht zu den technischen Höhepunkten des GT. Vorn setzt das Coupé auf Einzelradaufhängung, hinten auf Starrachse mit Längslenkern, Schraubenfedern und Panhardstab aus dem Kadett B. Scheibenbremsen vorn und Trommeln hinten müssen reichen. Dazu rollt der Zweitürer serienmäßig auf schmalen 165er-Reifen und 13-Zoll-Rädern. Schon bei leichten Bodenwellen und Unebenheiten gehen Stöße ungefiltert in die Bandscheibe, so hart stimmten die Ingenieure den GT ab. Doch was soll's. Beim Anblick der geschwungenen Karosserie, schöner Details wie dem aus dem Vollen gefrästen Tankstutzen, den vier runden Rückleuchten und angesichts des prägnanten Doppelauspuffs treten technische Daten in den Hintergrund. Ein besonderes Detail: schwenkbare Scheinwerfer, verstellbar mit einem Hebel in der Mittekonsole. Hebel fest nach vorne drücken, der Scheinwerfer dreht sich über ein Gestänge um seine Längsachse und rastet laut ein. Ein Kontakt schließt den Stromkreis für die Lampen. Lampe hoch, Lampe runter: Allein damit könnte man stundenlang spielen. Rund die Hälfte aller GT ging in die USADie Opel-Vierzylinder gelten als extrem robust und brauchen nicht viel Liebe. Ein regelmäßiger Ölwechsel, ab und zu ein Ventilspiel-Check – das reicht. Sorgen bereitet beim GT eher das Blech. Viele Coupés starben den Rosttod. Bis 1973 verkaufte Opel 103.463 GT. Neben dem 1.9er lief in Bochum ein 1,1-Liter-Motor des Rallye-Kadett mit 60 PS von den Bändern. Der war deutlich zu schwach und verkaufte sich nur bis 1970. 1971 folgte der GT/J für 10.499 Mark mit schwarzen Zierleisten und Streifen für ein junges Publikum. Chrom fehlt bei dem Modell komplett. Als Rekordwagen GT-Nagelfeile stellte ein umgebauter GT zwei Weltrekorde und einige internationale Rekorde auf. Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de Eigentlich hätte Opel den Erfolg des GT gerne weiter ausgekostet. Aber der Karosseriebauer in Frankreich gehörte mittlerweile zu Renault, Opel stellte den Genspender Kadett von B auf C um - und die verschärften Abgasbestimmungen in den USA erschwerten dort den Verkauf der alten Benziner mit Vergaser. Rund 80 Prozent der Zweitürer verkaufte Opel ins Ausland, rund die Hälfte aller GT ging in die USA. Dort beliebt: die Dreigang-Automatik. In Deutschland haben nur wenige Fahrzeuge überlebt. Zwar stehen rund 50 Autos bei mobile.de zum Verkauf. Davon sind aber nur 20 fahrtauglich. Gut erhaltene Exemplare kosten mindestens 15.000 Euro. Deutlich weniger als ein Flugzeug also – und fliegen kann man mit einem GT auch. Zumindest über die Landstraße. ***** In eigener Sache: Ab sofort verschicken wir unsere besten News einmal am Tag (Montag bis Freitag) über Whatsapp und Insta. Klingt gut? Dann lies hier, wie Du Dich anmelden kannst. Es dauert nur 2 Minuten. Technische Daten Opel GT 1900
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