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Im Auto mit Michael Schumacher - So kennt man Schumi kaum

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Komfort ist wichtiger als Sport, Sicherheit zählt mehr als Tempo und sein ältestes Auto ist von 2009. MOTOR-TALK-Reporter Philipp Monse zeichnet ein neues Bild des Rennfahrers, über den man alles zu wissen scheint.

Privat schwört Schumacher im Auto auf Komfort. Assistenz- und Sicherheitssysteme gehören für ihn dazu Privat schwört Schumacher im Auto auf Komfort. Assistenz- und Sicherheitssysteme gehören für ihn dazu Quelle: Christoph Michaelis

Sindelfingen – Man weiß wenig über den Mann Michael S. Über den Rennfahrer Schumi weiß man fast alles: Ein Kerpener Jung' aus einfachen Verhältnissen, der schon mit vier Jahren ein Kettcar mit Mofa-Motor fuhr. Über Kart- und Nachwuchs-Rennserien stieg er bis in die Königsklasse des Motorsports auf - und wurde ihr erfolgreichster Fahrer.

Heute ist Michael Schumacher 44 Jahre alt. Er trägt dunkle Boots und blaue Jeans, einen schwarzen Pullover aus feiner Wolle und eine Winterjacke mit Pelzkragen. Sein Händedruck ist fest und warm. Statt im VIP-Bereich einer Rennveranstaltung treffen wir den Weltstar neben einer windigen Blechhütte am Ende eines fußballfeldgroßen Asphaltplatzes.

Zwischen den Fahrmanövern zeigt sich Schumacher locker aber bestimmt. Das Gespräch belässt er gerne bei technischen Aspekten Zwischen den Fahrmanövern zeigt sich Schumacher locker aber bestimmt. Das Gespräch belässt er gerne bei technischen Aspekten Quelle: Christoph Michaelis

Treffpunkt Sim City

Wir befinden uns mitten in Sim City. Für die meisten ist das ein Computerspiel aus den 80ern. Bei Mercedes ist es ein riesiges Forschungszentrum am Sindelfinger Werk. Das passt zu MOTOR-TALK, aber passt es zum Rekord-Champion?

Scheinbar. Denn Schumi ist hier, um bei Mercedes nach dem Rechten zu sehen. Und nach der neuen C-Klasse, Mercedes‘ Knaller für 2014. In ihr sollen künftig alle Assistenten zum Einsatz kommen, die auch in E- und S-Klasse lieferbar sind. Sie wird fast selbständig einparken, im Stau teilautonom fahren und im Notfall von allein bremsen.

Schumacher ist Botschafter für das Intelligent-Drive-Programm von Mercedes, also für genau diese Sicherheits- und Assistenzsysteme. Für ihn bedeutet das neben dem ganzen Werbezeug auch, sich einzubringen. Mit seiner Erfahrung unterstützt er die Mercedes-Ingenieure bei der Verbesserung der elektronischen Helfer. Wie groß diese Unterstützung sein kann, sieht man am Ferrari 458: ihn hat Schumacher maßgeblich geprägt.

Schumacher bleibt auf Kurs und auf dem Gas. Die E-Klasse kommt von allein vor dem Dummy zum Stehen Schumacher bleibt auf Kurs und auf dem Gas. Die E-Klasse kommt von allein vor dem Dummy zum Stehen Quelle: Christoph Michaelis Technisches Gerät, Testfahrten, Analysegeräte, das scheint noch immer die Umgebung zu sein, in der er sich wohl fühlt. Vielleicht ist es sogar eine, die er braucht. Der Rekord-Weltmeister ist an diesem Tag locker, aber bestimmt. Er sondiert, will alles wissen.

Sicherheit statt Leistung

Schumacher wurde Weltmeister mit Benetton und Ferrari. Später feierte er ein Formel-1-Comeback mit Mercedes. Mit den Stuttgartern fährt er auch in Zukunft. Wie sich das anfühlt, erleben wir live.

Auf dem Parcours vor uns steht ein riesiger Ballon. Mit ein wenig Fantasie wird er zu einer parkenden B-Klasse. Ein Stück hinter dem Ballonauto steht ein Dummy in blauer Jacke. Während wir zu unserem Testwagen gehen, erkläre ich Michael einiges über MOTOR-TALK. Er sagt, er sei dort, im Internet, relativ wenig unterwegs, das sei nicht so seins.

Privat fährt Schumacher Mercedes, natürlich, SLS und ML. Wir steigen in eine E-Klasse. Keinen E500, keine AMG-Version, eine ganz normale E-Klasse mit Vierzylinder und allen neuen Assistenzsystemen. Darum geht es heute, um Sicherheit. Für Schumacher war das immer ein wichtiges Thema, nicht nur für die Formel 1, sondern auch für den regulären Straßenverkehr. Schon in den 90ern engagierte er sich dafür.

Beim Bremstest mit einem stehenden Hindernis demonstriert Schumi, wie die E-Klasse auf ein spätes Eingreifen des Fahrers reagiert Beim Bremstest mit einem stehenden Hindernis demonstriert Schumi, wie die E-Klasse auf ein spätes Eingreifen des Fahrers reagiert Quelle: Christoph Michaelis Trotzdem wirkt die Situation surreal. Schumacher fuhr Mitte der 90er in Höllenmaschinen mit 700 PS und ohne ABS. Heute wirbt er für ein autonomes Bremssystem. Der schnellste Mann der Welt ist als Missionar für Assistenzsysteme unterwegs, bei denen man unwillkürlich an überforderte Rentner im Stadtverkehr denken muss.

Bremstest mit Rekord-Weltmeister

Die Sicherheitsgurte rasten ein. Fest umfasst Schumacher das Lenkrad. Er beschleunigt immer voll, in Kurven lenkt er mit millionenfach geübter Präzision ein. Das Tacho zeigt 50 km/h, wir steuern auf den Dummy in blauer Jacke zu. Der Mercedes piept wild, Schumacher bleibt ruhig auf Kurs – und auf dem Gas. Die E-Klasse bremst, bremst stärker, strafft die Gurte und kommt zum Stillstand, von alleine. Diese Übung wiederholen wir danach mit einem Ballon in B-Klasse-Format.

Michael Schumacher zieht die Fahrmanöver routiniert durch, er kennt die Systeme: Totwinkel-Assistent, Spurhalte-Assistent und die Pre-Safe-Bremse. Das alles kommt heute schon auf deutschen Straßen zum Einsatz - und in Schumachers Privatautos. Er legt großen Wert auf Komfort, Assistenzsysteme gehören für ihn dazu.

Das Interview führen wir direkt im Auto. Schumacher will es so, das spart Zeit Das Interview führen wir direkt im Auto. Schumacher will es so, das spart Zeit Quelle: Christoph Michaelis

Das neueste Auto ist immer das beste

Fragen beantwortet Schumacher so wie er Auto fährt. So, wie man es aus dem Fernsehen kennt, wie ein Formel-1-Fahrer vor dem Rennen. Nüchtern, klar. Passt ihm eine Frage nicht, dann sagt er das. Passt sie ihm überhaupt nicht, reagiert er mit rhetorischen Gegenfragen. So schwankt unser Gespräch zwischen professioneller Bestimmtheit und kleinen Höflichkeiten.

Nur wenn er über die technischen Grundlagen der Assistenzsysteme redet, taut er auf. Dann spricht Schumi frei. So erklärt er, dass die Puppe zum Teil mit Wasser gefüllt ist, weil das Mercedes-Radar sie sonst nicht wahrnehmen würde. Schließlich wolle man nicht, dass das System auslöst, wenn eine leblose Plastiktüte über die Straße fliegt. Ab und an huscht ihm dann ein Lächeln übers Gesicht, so dass man seine strahlend weißen Zähne sehen kann.

Schumacher ist technikverliebt. Das schnelle Autofahren an sich hat ihm nie gereicht, es muss eine technische Komponente dazu kommen. Mit Freude spricht er darüber, wie er Anfang der 90er als einer der ersten ein adaptives Fahrwerk in einem Renn-Sportwagen testete. Was ein Youngtimer ist, weiß er dagegen nicht, bis ich es ihm erkläre. Klar, sei er auch schon Mal in einem Oldtimer gefahren, und könne auch Klassikliebhaber verstehen, aber das neueste Auto, das sei für ihn eben immer das beste.

Wir kommen ins Plaudern. Als Schumacher fragt, was ich denn für ein Auto fahre, zeige ich ihm ein Bild meines 40 Jahre alten Ford Granada. Wir lachen und posieren für das letzte Foto des Tages.

Am liebsten spricht Schumacher über technische Details, sei es bei den neuen Mercedes-Assistenzsystemen oder bei Formel-1-Erinnerungen Am liebsten spricht Schumacher über technische Details, sei es bei den neuen Mercedes-Assistenzsystemen oder bei Formel-1-Erinnerungen Quelle: Christoph Michaelis

Epilog

Was kann man über einen Menschen sagen, mit dem man eine gute Stunde im Auto verbracht hat? Aus Michael Schumacher bekommt man in dieser Zeit nicht mehr raus als aus einer Mitfahrgelegenheit. Eher weniger. Weniger von dem, was viele interessiert.

Das war klar. Michael Schumacher muss keine Fragen mehr beantworten, der Mann muss gar nichts, auch kein Geld mehr verdienen. Die Sicherheit im Straßenverkehr scheint ihm also tatsächlich ein Anliegen zu sein.

Wer mehr über Michael Schumacher erfahren will, der muss sich ein frühes Interview ansehen. Oder die Pressekonferenz, nachdem er mit 41 Siegen zu Senna aufschloss und in Tränen ausbrach. Vielleicht auch das Rennen, in dem Schumacher 1996 zu seinem ersten Sieg in Monza fuhr. In einer Zeit, als die Formel 1 brandgefährlich war. In dieser Zeit, hat der Mann vor der Kamera gelebt, geweint und ist Rennen gefahren wie kein anderer.

 

Quelle: MOTOR-TALK

Avatar von granada2.6
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