Die Motorrad-Saison hat begonnen. Gerade Anfänger und Wiedereinsteiger leben gefährlich, sie überschätzen sich leicht. Was Biker jetzt beachten sollten, lest Ihr hier.
Bonn - Beste Straßenverhältnisse, feinste Kurven, griffiger Asphalt. Und vor allem: Das Wetter spielt endlich wieder mit. Doch vielen Motorradfahrern fehlt jetzt im Frühjahr die Routine. Wer sein Bike zu schnell in die Kurve legt, dem kann leicht der Asphalt ausgehen. Das kann tödlich enden: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Gefahr, bei einem Unfall zu sterben, auf dem Zweirad 18-mal höher als in einem Auto. Oft sind die Motorradfahrer gar nicht selber Schuld. Mehr als 40 Prozent der Unfälle mit Bikern werden durch Autofahrer verursacht. Doch gerade Anfänger seien gefährdet, sie überschätzten sich leicht, sagt Jürgen Bente vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Nicht nur beim Tempo, sondern auch beim Kurvenfahren und Bremsen. "Vorder- und Hinterradbremsen zu synchronisieren, ist gar nicht so einfach, das muss geübt werden." Meist bremsen Anfänger hinten stark und vorne zu schwach, sodass das Motorrad instabil wird. Sicherheistrainings helfen Einsteigern und RoutiniersBente rät, möglichst früh ein Sicherheitstraining einzuschieben. Nicht sofort, aber nach ein paar Monaten Fahrpraxis ergibt das Sinn. "Die Instruktoren erklären dabei korrektes und sicheres Bremsen - viele Motorradfahrer scheinen davor Angst zu haben", sagt Bente. Ebenso wie vor großen Schräglagen in Kurven. "Die innere Hemmschwelle liegt bei etwa 20 Grad Schräglage, dabei schaffen moderne Fahrwerke und Reifen weitaus mehr als 30 Grad." Warum das wichtig ist? Fahren Biker zu schnell in eine Kurve, kann mit mehr Schräglage der Radius verkleinert werden und der Fahrer ohne Blessuren aus der Kurve kommen. "Sicherer wäre natürlich, die Geschwindigkeit schon vor der Kurve zu reduzieren", sagt Bente. Doch mitten in der Kurve ist es dafür zu spät. Um flüssig und sauber zu fahren, rät er, auf einer langsamen Tour den eigenen Fahrfluss zu beobachten. Oder vor einem guten Bekannten zu fahren, der nach der Tour ein Feedback gibt. Wiedereinsteiger überschätzen sich gerneDie Freude über den bestandenen Führerschein sollte Anfänger jedenfalls nicht dazu verleiten, sich selbst zu überschätzen. Und Michael Lenzen vom Bundesverband der Motorradfahrer sieht ganz ähnliche Risiken bei Wiedereinsteigern, die nach Jahren der Abstinenz wieder auf eine Maschine steigen. "Am Anfang geht es noch vorsichtig, doch schon bald herrscht das Gefühl vor, dass es wieder so gut oder sogar besser geht als früher." Konkrete Fehler beträfen riskantes Überholen, abrupte Fahrspurwechsel, das Einschätzen von Fahrsituationen und Strecken sowie die Blickführung und die Kurvenlinie. Richtig sitzen, besser fahrenFür mehr Sicherheit sei auch die richtige Sitzposition wichtig. Nur dann hat der Fahrer einen guten und unverkrampften Kontakt zum Motorrad und fährt locker. Lenzen rät zum häufigen Üben abseits des Straßenverkehrs auf großen Parkplätzen, am besten Grundübungen. Dazu zählen das Fahren von Kreisen und Achten, Slalom-Fahrten und Bremsübungen. Von langen Touren rät Lenzen für den Anfang ab. Man sollte sich nicht gleich mit großen Touren belasten, sondern sich allmählich steigern. "Wichtig ist, dass sich der Fahrer wohlfühlt, dass er konzentriert bleibt, viele Pausen macht und genügend trinkt", sagt Lenzen. Gut beraten seien Motorradfahrer damit, ihr eigenes Können immer wieder infrage zu stellen, sagt Matthias Haasper vom Institut für Zweiradsicherheit (Ifz): "Wo habe ich mich bei der letzten Ausfahrt vielleicht überschätzt, wo wurde es eng, eventuell sogar gefährlich? Was könnte ich besser machen, um sicherer unterwegs zu sein?" Das Überdenken der eigenen Sicherheit sei eine gute Voraussetzung, neue Verhaltensweisen aufzubauen. Ein Risiko, dem vor allem Anfänger ausgesetzt sind: Ihnen sei häufig nicht bewusst, dass sie schnell übersehen werden, sagt Haasper. Die schmale Motorrad-Silhouette löst oftmals keine Reaktion bei Autofahrern aus. "Defensiv fahren sowie aufmerksam und bremsbereit bleiben, lautet das Motto", rät er. Das falsche Motorrad ist gefährlichManche Fehler machen Motorradfahrer schon vor der ersten Fahrt: Sie kaufen das falsche Motorrad. "Wenn das Motorrad zu hoch ist oder der Lenker zu weit vorne liegt, kann der Fahrer verkrampfen und er wird mit der Maschine wenig Freude haben", sagt Bente. Bei durchgedrückten Beinen sollten beide Fußsohlen den Boden berühren, während der Pilot locker auf der Sitzbank hockt. "Für Anfänger ideal sind niedrige, leichte Maschinen wie die neue Generation des Scrambler und Retro-Bikes." Beim Gebrauchtkauf rät Haasper, einen fachkundigen Bekannten mitzunehmen: "Bei gebrauchten Motorrädern können im Laufe der Jahre verschleißbedingt Defekte vorhanden sein, die ein Laie auf den ersten Blick nicht erkennt. Daher ist ein sachkundiger Kennerblick notwendig." Findet sich niemand, bieten Prüforganisationen die Möglichkeit, das Motorrad auf sachgemäßen Zustand zu prüfen. Wichtig auch: die Probefahrt. "Die dient dazu, mögliche Fehler zu finden, die erst während der Fahrt auftreten können. Vor allem aber soll sie dem zukünftigen Besitzer einen Eindruck über das Fahrverhalten des Motorrades vermitteln." Je länger sie dauert, desto konkreter wird der Eindruck und die damit verbundene Kaufentscheidung. Motorradkleidung sollte funktional seinZur Sicherheit auf dem Motorrad gehört die richtige Bekleidung. Hier steht Funktionalität an oberster Stelle. Erst danach kommt die Optik. Ganz gleich ob Stoff oder Leder: Die Kleidung muss sitzen und aktuelle Protektoren integriert haben. "Natürlich muss sie passen, darf nicht flattern, aber auch nicht zu eng sein. Und sie sollten auf dem Motorrad ausprobiert werden, also im Sitzen", sagt Bente. Ganz wichtig: der Helm. Auch er wird am besten bei einer Probefahrt ausprobiert. Nur so merkt der Fahrer, ob er richtig und straff sitzt, ohne zu flattern oder Druckstellen zu verursachen. "Ein typischer Fehler bei der Auswahl besteht darin, dass Motorradbekleidung tendenziell eher zu groß gekauft wird", sagt Haasper. Der volle Schutz kann sich nur entfalten, wenn Helm oder Jacke richtig sitzen. Die Protektoren in Jacke und Hose müssen die jeweilige Körperregion eng umschließen und dürfen nicht verrutschen. Nur, wer sich wohl fühlt, fährt entspannt und nur, wer entspannt fährt, fährt sicher. Hier weiterlesen: Die spannendsten Motorradneuheiten 2017 Hier weiterlesen: Die richtigen Klamotten und anderes Zubehör für Biker
Quelle: dpa/Fabian Hoberg |