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Ford Sierra RS Cosworth - Spoiler-Alarm im Cosworth-Coupé

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Seit 50 Jahren baut Ford RS-Modelle. Wir fuhren im ersten Ford, der ab Werk den Zusatz "Cosworth" trug: Im 1986er DTM-Homologationsmodell Sierra RS Cosworth.

Zwei Kraftwerke in freier Natur: Im Ford Sierra RS Cosworth kompensiert ein dicker Garrett-Turbo fehlenden Hubraum Zwei Kraftwerke in freier Natur: Im Ford Sierra RS Cosworth kompensiert ein dicker Garrett-Turbo fehlenden Hubraum Quelle: Arild Eichbaum für mobile.de

Von Arild Eichbaum

Köln - „Boah! Mit dem Riesenspoiler kannste alles ******, alles!“ Etwas vulgär beurteilte ein Besucher das Aufreißpotential unseres im vorletzten Jahr zum H-Kennzeichen gekommenen Homologationswagens. „Schau mal, die haben auch ihren Tisch mitgebracht“, bemerkte ein anderer. Ein dritter: „Theke geht immer. Schon allein deswegen kauft man sich so ein Auto!“

Die Preise, die inzwischen für diesen Sierra aufgerufen werden, kannte der Mann offenbar nicht. Der Ford Sierra RS war das Homologationsmodell eines erfolgreichen Teilnehmers der populären „Deutschen Tourenwagen Meisterschaft“ (1985-1995). Dank ihres vorteilhaft niedrigen „Turbo-Faktors“ entschieden 1985 turbogeladene Autos neun von elf Rennen für sich. Eines davon war der Ford Sierra XR4TI mit Klaus Ludwig am Steuer.

Zwar litt der Renn-Sierra an Kinderkrankheiten. Aber wenn er hielt, kam der Sieg quasi automatisch. Daher erhöhte die Oberste Nationale Sportkommission den Turbo-Faktor von 1,4 auf 1,7 und die Basisgewichte nahmen zu. Weil Rennerfolge mit einem Zusatzgewicht geahndet wurden, musste der Sierra beim Rennen auf der Berliner AVUS 1988 satte 1,6 Tonnen herumschleppen. Nachdem sich bei diesem Rennen die Vorderradaufhängung verabschiedet hatte, ließ sich der schnelle Ford über das Gewicht nicht mehr ausbremsen.

Neben dem Heckflügel umfasste das Bodykit für den Sierra RS Coswort Front- und Heckschürze, Radlaufverbreiterungen und Schwellerverkleidunge Neben dem Heckflügel umfasste das Bodykit für den Sierra RS Coswort Front- und Heckschürze, Radlaufverbreiterungen und Schwellerverkleidunge Quelle: Arild Eichbaum für mobile.de Also sollten Luftmengenbegrenzer auf der Ansaugseite eine Leistungsminderung bewirken. Keine Hürde für Klaus Ludwig, der 1988 mit seinem Sierra Cosworth die Serie gewann und danach zu Mercedes wechselte. Doch wir greifen vor. Im Kölner Ford-Stammwerk Niehl hat Ford den Tross aufgereiht, der die sportliche Geschichte dokumentieren soll. Escort XR3, Capri 2600 RS, 20M TS, Focus RS Mk1, Focus RS 500 und weitere. Wir steigen in den Sierra RS Cosworth.

Hubraum lässt sich doch ersetzen

Den V6 als 2,8-l-Einspritzer mit 150 PS gab es noch im Sierra XR4i mit wildem Doppelflügel, dessen Fließheck-Karosserie mit anderer Fenstergrafik auch unser RS aufweist. Der Hubraum beträgt hier allerdings nur 1.993 ccm, verteilt auf vier Zylinder in Reihe. Den fehlenden Hubraum überkompensieren ein Garrett T3-Turbo und eine Weber-Marelli-Einspritzung. So leistet die Straßenversion des Ford Sierra RS Cosworth 270 Newtonmeter Drehmoment bei 4.500 Touren sowie 204 PS bei 6.000 Umdrehungen. Von wegen, Hubraum sei durch nichts zu ersetzen.

Im Cockpit den „Coswurf“ informiert das das mehrfarbige Kontroll-Panel auch nach drei Jahrzehnten noch ohne Darstellungsprobleme über ordnungsgemäß ins Schloss gezogene oder offenstehende Türen. Den herrlich unprätentiösen Schlüssel ins Schloss gesteckt und gedreht, sofort springt der Sechzehnventiler an.

Während der nur wenige Jahre ältere Audi Sport quattro seinen Leistungsaufbau eher nach dem Motto „alles oder nichts“ gestaltet, arbeitet Fords Turbomotor deutlich kultivierter, und zwar über das gesamte Drehzahlband. Er tritt den Insassen der Recaro-Sitze netterweise nicht unvermittelt in den Rücken.

Obwohl Ford und Cosworth schon damals 25 Jahre eng zusammenarbeiteten, war der Top-Sierra das erste Fahrzeug, das offiziell beide Namen trug Obwohl Ford und Cosworth schon damals 25 Jahre eng zusammenarbeiteten, war der Top-Sierra das erste Fahrzeug, das offiziell beide Namen trug Quelle: Arild Eichbaum für mobile.de Dem Zeitgeschmack entsprechend, kleidet Veloursstoff statt Leder die Sitze – äußerst angenehm bei hohen Temperaturen und fehlender Klimaanlage. Der rutscharme Bezug trägt zum guten Seitenhalt der Sportsitze seinen Teil bei. Immerhin: elektrische Fensterheber und ein Stereo-Kassettenradio sind an Bord. Wir lauschen lieber dem zischenden Wastegate und dem kernig brüllenden Motor. Zu Wort meldet sich der Cosworth allerdings erst ab etwa 4.000 Touren, zum mitschwimmen im Stadtverkehr genügt die halbe Drehzahl.

Das Auto braucht etwas Kraft - vom Fahrer

Trotz der gelungenen Motorabstimmung ist der Oldtimer nicht ganz einfach zu fahren. Die Kraftübertragung erfolgt über ein manuelles Fünfgang-Getriebe mit ergonomisch sehr günstigem Schalthebel. Die hakelige und nicht sonderlich präzise Borg Warner-Box benötigt einen festen Griff, die Kupplung kräftige Tritte. Das griffige Dreispeichen-Lenkrad verlangt ebenfalls Kraft. Kein Vergleich zu modernen Pkw.

Die Ford-Ingenieure wollten damals eben ein fahraktives Auto bauen, kein handzahmes. Das 1.280 kg leichte Ford Coupé bleibt lange neutral, will zum Übersteuern regelrecht gezwungen werden. Ein wenig festhalten muss man ihn, nur für Gangwechsel bekommt die Rechte vom Lenkrad einen Moment frei. Besonders direkt stimmten die Kölner die Sierra-Lenkung nicht ab, dafür legten sie das Fahrwerk straff und mitteilsam aus.

So lässt sich der Ford Sierra RS Cosworth mit etwas Kraftaufwand insgesamt flüssig und zügig durch die gewundenen Landstraßen der Niederrheinischen Bucht dirigieren. Er lenkt sich so unbehelligt von Antriebseinflüssen, wie es eben nur ein von Assistenzsystemen freier Hecktriebler kann. Ganz anders also als heutige, elektronisch streng moderierte Fronttriebler.

Wer allerdings, im Geiste der großen Theke am Heck, auf quietschende Kavalierstarts setzt, wird enttäuscht. An der Ampel wie bei Zwischenspurts wird, auch dank des Visco-Sperrdifferentials, jedes Pferd in Vortrieb umgesetzt. Sehr schnell ist man viel zu schnell. Willig dreht der Doppelnocker hoch, läuft mit zunehmender Drehzahl immer runder.

Bodenständiger Ford

DOHC. 16V. Turbo. Das Cosworth-Triebwerk erfüllt auch abseits vom Ferrero-Regal drei Wünsche auf einmal DOHC. 16V. Turbo. Das Cosworth-Triebwerk erfüllt auch abseits vom Ferrero-Regal drei Wünsche auf einmal Quelle: Arild Eichbaum für mobile.de Der wilde Mittelklassewagen der 1980er Jahre kann in 6,8 Sekunden von 0 auf 100 und danach weiter bis auf 238 km/h rennen. Das konnten zu seiner Zeit die kostspieligen Alternativen wie BMW M3 mit 200 PS und Mercedes-Benz 190 E 2.3-16 mit 185 PS nicht besser. Rund 50.000 DM kostete der Sierra RS Cosworth damals.

Trotz des agressiven Auf- und Antritts: Die schlicht gehaltenen Instrumente und das direkt der Großserie entlehnte Interieur zeugen von Ford-typischer Bodenständigkeit. Für Bodenhaftung sorgt dagegen der alles andere als bodenständige, monumentale Spoiler am Heck. Die weitgehend fadingresistenten, kräftig zupackenden vier Scheibenbremsen fangen den Ford jederzeit wieder ein.

Am Ende der Ausfahrt darf sich das Homologationsmodell einer Ehrenrunde anschließen. Die hat sich der Sierra RS Cosworth allemal verdient. Auch wenn es ihm nicht in den Genen liegt, leise, langsam und dezent durch einen hübschen Park zu rollen. Ein billiger Gebrauchter war der Ford übrigens nie, heute ist er längst eine teure Spezialität am Oldtimermarkt. Für die sechs derzeit bei mobile.de angebotenen Exemplare rufen die Verkäufer Preise zwischen 20.000 und 80.000 Euro auf.

Ford Sierra RS Cosworth: Technische Daten

  • Motor: 2,0-Liter-Vierzylinder, Turbo
  • Leistung max.: 204 PS (150 kW) b. 6.000 U/min
  • Drehmoment: 270 Nm b. 4.500 U/min
  • Antrieb: 5-Gang-Schaltung, Hinterradantrieb
  • 0-100 km/h: 6,8 s
  • Geschwindigkeit: 238 km/h
  • Verbrauch: ca. 15 l/100 km
  • CO2-Ausstoß: -
  • Länge: 4,459 m
  • Breite: 1,728m
  • Höhe: 1,376 m
  • Radstand: 2,608 m
  • Leergewicht: 1.280 kg
  • Kofferraum: 370-1.210 l
  • Listenpreis Sierra RS Coswort: ab ca. 50.000 DM

 

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