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Serie: Deutsche Rennstrecken - Die Avus - Steil, schnell und lebensgefährlich

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Die Rennstrecken Deutschlands sind asphaltierte Geschichte – von Tragödien und Triumphen, echtem Leben und Tod. Heute: Avus.

Avus Rennen 1954: Die drei Mercedes-Banz Fahrzeuge liegen auf den Plätzen 1 bis 3 eng beieinander. Es führt Karl Kling vor Juan Manuel Fangio und Hans Hermann Avus Rennen 1954: Die drei Mercedes-Banz Fahrzeuge liegen auf den Plätzen 1 bis 3 eng beieinander. Es führt Karl Kling vor Juan Manuel Fangio und Hans Hermann Quelle: Daimler

Von MOTOR-TALK-Reporter Ralf Schütze

Berlin – Im Grunewald kann man heute noch Reste der alten Avus-Steilwand sehen. Die größten Spuren hinterließ die berühmte Berliner Rennstrecke aber in der Historie des Motorsports: mit Fahrten des Opel-Raketenautos, als erste Autobahn Deutschlands, als älteste Rennstrecke Deutschlands und als zeitweise schnellste Rennstrecke der Welt.

Die Fakten:

  • 8,3 Kilometer war die Avus zuletzt lang
  • 4 Kurven
  • 24. September 1921: Erstes Rennwochenende

Die 1936 erbaute Tribüne an der ehemaligen Nordkurve der Avus ist ein Schandfleck Berlins. Die zuständige Messegesellschaft kündigte 2013 eine Instandhaltung des heruntergekommenen Baudenkmals an - passiert ist bisher nichts. Gekauft hatte die Gesellschaft das Gebäude 2007, wie so oft in Berlin, mit großen Plänen.

Aber dem Vorbeifahrenden bereitet der graue Schrotthaufen an der Autobahn A 115 nach Potsdam bis heute Gänsehaut. Denn man spürt sie noch, die ruhmreiche Vergangenheit der Avus: Bis 1999 wurde auf der „Automobil- und Verkehrsübungsstraße“ fast acht Jahrzehnte lang Motorsportgeschichte geschrieben.

Nach ersten Anträgen ab 1909 genehmigt der autobegeisterte Kaiser Wilhelm II. den Bau der Avus. Doch schon kurz nach dem Start mussten die Bauarbeiten wegen des ersten Weltkrieges ruhen. Die Fertigstellung verzögert sich bis 1921. In den Jahren danach schwärmten bis zu 300.000 Zuschauer zur Strecke. Wer sich den Eintritt nicht leisten konnte, lugte durch Löcher im Holzzaun entlang der Avus oder kletterte auf hohe Grunewalder Bäume.

Heute ist auch das runde ehemalige „Mercedes-Haus“, später „Motel Avus“, ein unübersehbarer Zeuge dessen, was die Zuschauer der Rennen hier schon alles empfunden haben: Sternstunden, Schrecken, Schock und pure Verwunderung.

Internationales Avus-Rennen am 26 Mai 1935 Internationales Avus-Rennen am 26 Mai 1935 Quelle: Daimler

Fritz von Opel und seine Rakete

Sternstunden: Am 11. Juli 1926 gewinnt ein bis dahin kaum bekannter Autoverkäufer namens Rudolf Caracciola den Großen Preis von Deutschland. Allerdings wird dieser überraschende Sieg von einem Unfall überschattet. Der Rennfahrer Adolf Rosenberger verunglückt. Es sterben drei Streckenmitarbeiter, Rosenberger übersteht den Crash mit Verletzungen und viel Glück.

Als Sternstunde der Automobilgeschichte gilt die erfolgreiche Avus-Testfahrt von Fritz von Opel am 25. Mai 1928 in dem Raketenauto RAK 2. Der tollkühne Pilot beschleunigt den Renner bis auf 238 km/h. „Die heutige Vorführung soll ein lebendiger Beweis dafür sein, dass die Rakete als praktisches Antriebsmittel verwirklicht ist“, sagte Fritz von Opel vor dem Start.

Interessant: Rak 2 bleibt trotz des höllischen Tempos auf der Straße - den Tragflächen sei Dank. Das ist typisch für die Avus, wo wegen der hohen Geschwindigkeiten immer wieder aerodynamisch gestaltete Rennwagen das Bild bestimmen.

Noch gar nicht so lange her: 1996 fand auf der Avus der "Super-Tourenwagen-Cup" statt. Die Berliner Presse beklagte die "zweite Garde des Motorsports" Noch gar nicht so lange her: 1996 fand auf der Avus der "Super-Tourenwagen-Cup" statt. Die Berliner Presse beklagte die "zweite Garde des Motorsports" Quelle: dpa/Picture Alliance

Hans im Glück

Mit einem Schrecken kommt Hans Herrmann bei seinem schweren Formel-1-Unfall davon, als er mit 290 Sachen frontal auf einen nassen Strohballen prallt. Sein Glück: Er wird aus seinem BRM geschleudert, fliegt rund 50 Meter hinter dem sich überschlagenden Rennwagen her und bleibt praktisch unverletzt. Deshalb nennt man den deutschen Rennfahrer zu Recht „Hans im Glück“. Nicht erst seit dem Avus-Crash, denn bereits 1954 und 1955 hat er zwei schwere Unfälle unbeschadet überstanden.

Bis 1940 kostete die einstige Privatstraße saftige Gebühren. Vorher und danach kostete sie viele Rennfahrer das Leben. So auch den Franzosen Jean Behra, den es 1959 mit seinem Porsche über den rutschigen Klinker-Belag aus der 43,6 Grad steilen Kurve herauskatapultiert. Er prallte mit dem Kopf gegen einen Fahnenmast und war sofort tot.

Besonders die Steilkurve hat es in sich. Da damals wegen der starken Schräge kein Teer möglich war, wurden Klinker benutzt, die die Fahrer gnadenlos durchrütteln. Motorrad-Piloten holten sich ein blutiges Kinn, wenn sie als Avus-Neulinge ohne extra Kinnschutz auf dem Tank ihre ersten Runden drehten.

ADAC-Avus-Rennen am 12. September 1993: Der Sieger des 1. und 2. Laufs Roland Asch mit der Startnummer 12 in einem AMG Mercedes 190 E Klasse 1 ADAC-Avus-Rennen am 12. September 1993: Der Sieger des 1. und 2. Laufs Roland Asch mit der Startnummer 12 in einem AMG Mercedes 190 E Klasse 1 Quelle: Daimler

Auf dem Dach übers Ziel

Beim Berliner DTM-Lauf 1990 überquert BMW-Pilot Dieter Quester auf eine nicht ratsame Art und Weise die Ziellinie: Er überschlägt sich und rutscht auf dem Dach liegend übers Ziel. Der TV-Kommentator bemerkt das erst mit Verzögerung. Quester wird Dritter.

„Knapp hinter Jacques Laffite liegend wollte ich viel zu schnell durch die Nordkehre fahren. Ich touchierte einen Reifenstapel, der Rest ist Geschichte“, sagt Quester. Doch nicht nur wegen dieses Vorfalls bleibt Dieter Quester beeindruckt von der Avus: „Im BMW M1 sind wir damals mit bis zu 280 km/h die Autobahn runtergedonnert. Da durfte wirklich nichts passieren. Ich war immer froh, wieder heil heimfahren zu können.“

Solche Unfälle waren es, die nach dem Mauerfall das Ende des Rennbetriebs auf der Avus einläuteten. Denn obwohl die Strecke verkürzt und mit Schikanen entschärft wurde, blieb sie gefährlich. Das letzte offizielle Rennen am Funkturm fand 1998 statt. Seit der Abschlussfeier ein Jahr später dient die Avus nur noch als Autobahn. Was die Berliner genauso bewegte: Im Mai 1989 führte der rot-grüne Senat auf der Avus ein Tempolimit von 100 km/h ein.

 

Video zum Unfall von Hans Herrmann:

 

Video zu Dieter Questers unkonventionellem Zieleinlauf:

 

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