Leonie Müller fährt fast täglich mehrere Stunden Bahn - hat aber feste Schlafstationen: Eine Studentin macht ihr Bahn-Abenteuer zum Kernstück ihrer Bachelor-Arbeit an der Universität Tübingen.
Quelle: Foto: Felix Mayr/privat Tübingen - Sie studiert in Tübingen, hat keine eigene Wohnung und verbringt einen großen Teil ihrer Zeit in Zügen: Die 23 Jahre alte Leonie Müller zahlt eine Bahncard 100 mit freier Fahrt auf allen Strecken statt Miete und pendelt seit Mai zwischen Universität und verschiedenen Übernachtungsorten hin und her. Ein beachtlicher Teil von Leben und Arbeiten spielt sich für sie seitdem im Abteil ab. Ihr ungewöhnliches Projekt, über das zuerst Spiegel-Online berichtete, sei auch Teil des Studiums der Medienwissenschaften, teilte sie der Deutschen Presse-Agentur mit. Gemeldet ist Müller bei ihrem Freund in Köln. Sie übernachtet bei Freunden und Familie an verschiedenen Orten. Wie kam es zu der Idee? Leonie Müller sagt, die Idee sei ganz spontan entstanden. Sie habe Ärger mit ihrer Vermieterin in Stuttgart gehabt und wollte dort nicht mehr wohnen. "Gleichzeitig fing meine Beziehung in Köln an und die Feststellung kam, eigentlich gar nicht mehr selber irgendwo wohnen zu wollen." Braucht es Mut für so eine Entscheidung? Die 23-Jährige findet es mutig, etwas zu tun, vor dem man Angst hat. "Ich habe ja keine Angst vor der Wohnungslosigkeit und der Reiselust", sagt sie. "Meine Mutter ist immer viel mit mir gereist und hat mich gelehrt, spontanen Eingebungen zu folgen." Wie funktioniert dauerndes Reisen und Studieren in Tübingen? Bei fast allen Veranstaltungen herrsche Anwesenheitspflicht, sie könne sich ihren Stundenplan aber relativ frei zusammenstellen und so mit dem Fahrplan koordinieren. Im Wintersemester will sie möglichst viel in Blockseminaren arbeiten."Für meine Bachelorarbeit im Hauptfach Medienwissenschaft», sagt Leonie Müller. Den Blog, den sie betreibt, sei das "Bachelor-Werkstück, dazu kommt eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Medium Blog". Wie ist es, im ICE zu schlafen, sich hier zu waschen? "Ich fand es dort weder eklig noch eng", sagt Müller. Sie habe die Erfahrung von wochenlangen Reisen durch Indien und Südostasien. "Hygieneprobleme sind etwas anderes." Normalerweise schläft die Studentin bei Freunden und Familie - "tagsüber dösen geht gut im Zug, wirkliches schlafen nicht! Zu ungemütlich, und man kann auf seinen Rucksack nicht aufpassen, wenn man schläft", sagt sie. Wie sind die Reaktionen? Die Aufmerksamkeit seit der ersten Medienveröffentlichung seien krass und ungewohnt. Sie merke, dass ihr Thema polarisiere, weil sie indirekt provoziere. Jeder habe eine Wohnung, sie eben mal keine. "Ich möchte das ausprobieren, ich mache mich abhängig, bin gleichzeitig aber unheimlich frei. Ich riskiere zu scheitern." Ein Sprecher der Deutschen Bahn findet Müllers Art des Reisens gut. "Wir freuen uns über so begeisterte Bahnfahrer und dass jemand zeigt, wie vielfältig man die Zeit in einem Zug nutzen kann." Wenn jemand die Bahncard 100 so heftig nutze, sei das völlig in Ordnung. "Es gibt viele Menschen, die viel Zeit in Zügen verbringen, das ist jetzt nicht so ungewöhnlich." Nach Angaben der Bahn nutzen 40 000 Menschen die Netzkarte, die auch im Nahverkehr der Städte gilt. Für die 2. Klasse kostet die Bahncard 100 bei einmaliger Zahlung 4090 Euro für ein Jahr oder monatlich 379 Euro. |