Toyota Corolla GT AE86 Coupé (1984) im Test: Fahrbericht -
Tofu-Taxi und Reifen-Radierer
verfasst am 19.12.2018
Großer Sport im kleinen Toyota: Der Corolla bekam 1983 ein Derivat mit Längsmotor, Hinterradantrieb und Manga-Karriere. Testfahrt im Corolla AE86 Levin.
Köln – Im Fahrzeugschein steht schlicht „Toyota Corolla Coupé“. Eine dreiste Untertreibung. Dieses Auto hat nicht viel mit einem normalen Corolla von 1984 zu tun. Toyota war in der fünften Generation des Kompaktmodells für ein besseres Platzangebot auf Quermotoren und Frontantrieb umgestiegen. Das galt aber nicht für die sportlichen Varianten.
Als AE86 basierte der Corolla technisch noch auf dem Layout der vierten Generation. Der Motor saß längs im Chassis, angetrieben wurden nur die Hinterräder. Vorn war er kaum schwerer als hinten – die perfekte Voraussetzung für ein großartiges Sportmodell. Sogar mit den serienmäßigen 124 PS.
Zwischen den heißesten japanischen Sportlern war der „Hachi-Roku“ – japanisch für acht sechs – allerdings ein Niemand. Mazda RX-7, Nissan Skyline GT-R und Toyota Supra fuhren mit Ferrari und Porsche um die Wette. Der kleine Toyota bekam dafür, wovon die anderen nur träumen konnten: Er spielt die Hauptrolle in einer japanischen Manga-Buchreihe und der dazugehörigen Fernsehserie.
Toyota AE86: Der Star aus „Initial D“
Nur lenken, nicht driften: Die Sitzposition passt für ein Auto von 1984 erstaunlich gutQuelle: Toyota
In „Initial D“ liefert der 18-jährige Takumi Fujiwara mit einem AE86 Tofu aus. Auf den Pässen des Akina-Berges lernt er fahren und driften, bald gewinnt er Rennen. Sein weißer Corolla mit den Werbeschriftzügen auf den Türen wurde Kult. Viele Fans bauten ihn nach, andere tunten nach eigenen Vorstellungen. Serienmäßige Autos sind daher kaum noch zu bekommen.
In der Serie fährt der AE86 in der Variante Sprinter Trueno, als Coupé mit Klappscheinwerfern. Nach Deutschland kam diese Karosserieform nicht auf offiziellem Weg. Hier verkaufte Toyota nur den Corolla Levin, ein Stufenheckmodell mit größerem Kühlergrill. Basispreis bei seiner Markteinführung: Rund 20.000 Mark. Ein Golf GTI war teurer.
„Initial D“ sorgte für den Ruhm, die Fahrbarkeit des AE86 für viele Einsätze im Motorsport. Toyotas kleinster Sportler fuhr in der britischen Tourenwagenserie, in eigenen Rennserien, im Rallye-Sport – und natürlich bei Drift-Veranstaltungen. Nicht erst seit seinen Fernsehauftritten: Drift-Legende Keiichi Tsuchiya bewegte den AE86 schon 1987 für den Kurzfilm Pluspy seitwärts.
Ein Rennmotor im Volumenmodell
Die Stufe wirkt nicht besonders sportlich. Macht nichts, denn besonders das Heck bringt SpaßQuelle: Toyota
Wie fühlt sich diese Welt heute an? Der flotte Corolla ist kein übermotorisierter Show-Drifter, sondern ein fein ausbalancierter Kompaktwagen. Toyota achtete bei seiner Entwicklung zuerst auf Handling und Verbrauch. Eine Öko-Anzeige im Drehzahlmesser mahnt den Fahrer, die Last zu reduzieren. In den USA war in der sparsamsten Version ein Verbrauch von umgerechnet weniger als sechs Litern pro 100 Kilometer ausgewiesen.
Dabei steckte im AE86 die Serienversion eines Rennmotors. Der 4A-GE ähnelt dem BDA-Doppelnocker von Ford-Cosworth. Die Kurzhuber teilen das Verhältnis von Bohrung und Hub, die Größe der Ventile, den Ventiltrieb per Zahnriemen und weitere Details im Motor. In Deutschland leistete er 115 PS mit oder 124 PS ohne Katalysator.
Testfahrt. Der 16-Ventiler spricht spontan an und hat viel Spaß an hohen Drehzahlen. Der rote Bereich beginnt erst jenseits der 7.000 Touren. Dabei klingt er schärfer, als man es von einem japanischen Serienauto erwartet. Unterhalb von 4.000 Umdrehungen fühlt er sich etwas zugeschnürt an, darüber umso schöner. Mit dem leichten AE86 hat er keine großen Schwierigkeiten. Ein variables Saugrohr sorgt für einen feinen Drehmomentverlauf.
Ganz ohne Turbo-Schub rennt der Toyota in weniger als neun Sekunden auf Tempo 100. Die Werksangabe von 8,9 Sekunden unterbietet er locker, die eingetragene Höchstgeschwindigkeit von 195 km/h übertrifft er. Tuner holen mehr als 200 PS aus dem 1,6-Liter-Eisenblock. Toyota setzte ihn auch in den Modellen Celica und MR2 ein.
Toyota AE86: Lebendiges Heck, direkte Lenkung
Andere Märkte bekamen die AE86-Variante mit Klappscheinwerfern. Sie wurde in Deutschland nicht angebotenQuelle: Toyota
Es steckt eben doch eine Menge Sport im AE86. Der Kompakte lenkt direkt und präzise, fühlt sich handlich und toll kontrollierbar an. In Kurven neigt er sich trotz Stabilisatoren an beiden Achsen weit nach außen – so war das eben in den 1980ern. Aber es muss ja nicht immer auf klassischem Wege durch den Knick gehen.
Mit einem geschickt platzierten Lastwechsel und einem mutigen Gasfuß geht das Heck weg. Sperrdifferenzial und Starrachse machen es lebendig, man muss sich nur trauen und dranbleiben. Der AE86 driftet nicht mit Leistungsüberschuss, er braucht Geschick. Bei „Initial D“ gewann das Auto zunächst auch nur bergab und mit viel Mut, für mehr fehlte die Leistung.
Er lässt sich gut kontrollieren, wenn er einmal weggeht. Das liegt vor allem an der tollen Sitzposition. Moderne Autos können das besser, direkt vergleichbare nicht. Die fehlende Lenkradverstellung ließe sich über ein geschüsseltes Volant korrigieren. Alles andere sitzt am rechten Fleck, die Sitze unterstützen an wichtigen Stellen.
Der GT86 folgte spät auf den AE86
1984 war er einer der Stärksten seines Segments: Der 1,6-Liter-16-Ventiler des AE86 leistet 124 PSQuelle: Toyota
Nach dem AE86 kam bei Toyota lange nichts Vergleichbares. Aus dem Corolla wurde der Auris, aus zwei Antriebsformen nur noch eine. Erst 25 Jahre nach dem Ende des AE86 griff der Hersteller das Konzept wieder auf: Der GT86 ist sein später Nachfolger, im Namen, im Layout und beim Quer-Fahren.
Ab 2019 heißt der Kompakte von Toyota übrigens wieder Corolla. Ein Coupé mit Längsmotor wird nicht kommen, dafür ein Kombi mit Hybridantrieb. Aber die Marke hat den Sport nicht vergessen. Neben GT86 und Supra (2019) soll es bald einen dritten Flitzer im Programm geben. Konzernchef Akio Toyoda will nicht ohne Sport. Bei dieser Geschichte kann man es ihm nicht verdenken.