Frankfurt - Was heute noch futuristisch scheint, könnte schon in der nächsten Fahrzeug-Generation Standard werden. Denn neben überdimensionalem Showroom für Neufahrzeuge ist die IAA auch Vorbote für alles, was in mittelferner Zukunft auf den Markt kommt. In Sachen Fahrzeuginnenräume zeigen da zum Beispiel die Zulieferer in Halle 5.1 wie wir 2020 Auto fahren werden.
Ein Bildschirm ist nicht genug
Mehrere Bildschirme sind in künftigen Fahrzeug-Generationen offenbar unverzichtbar. Neben dem digitalen Instrumentenfeld hinter dem Lenkrad kommt mindestens einer hinzu. Im Showcar beim chinesischen Zulieferer Yanfeng hat sogar der Beifahrer einen kleinen Bildschirm, mit dem der sein Smartphone verbinden kann. Das Display für den Fahrer muss aber nicht zwingend im Armaturenbrett sitzen, wie Zulieferer Faurecia zeigt: Die Franzosen haben den Bildschirm, über den alle Infotainment- und Navifunktionen bedient werden, auf dem Mitteltunnel positioniert – in Längsrichtung verschiebbar, damit jeder Autofahrer die für seine Armlänge bequeme Entfernung zum Tippen auf dem Touchscreen einstellen kann und nicht immer nach vorn langen muss.
Continental: Ein bisschen erinnern Design und Farbgebung an die 70er Quelle: SP-X
Ein andere Philosophie hat Continental, wo der Bildschirm weiter oben in der Mittelkonsole positioniert ist und über ein Touchpad bedient wird, das von der bequem aufliegenden rechten Hand bedient werden kann. Derartige Bedienung gibt es schon, beispielsweise in der C-Klasse, neu ist in der IAA-Version die sogenannte Krafterkennung, die mithilfe eines haptischen Feedbacks auch eine „blinde“ Bedienung möglich machen soll, ohne ständig die Augen von der Straße zu nehmen.
Touch-Flächen statt Schaltern oder Knöpfen
Berührungsempfindliche Flächen sind in Zeiten von Smartphones ohnehin auch aus dem Auto nicht mehr wegzudenken. Bei Yanfeng wird fast alles über Touchflächen bedient. Sogar der Automatikwählhebel fällt im Showcar weg, per Fingertipp wählt man „P“ oder „D“, der Startknopf ist sowohl bei Yanfeng als auch bei Faurecia eine Startfläche. Denn auch im Innenraum des Faurecia-Ausstellungsstücks sucht man echte Knöpfe vergeblich: Auf einer Fläche aus gebürstetem Aluminium wird beispielsweise die Intensität der Lüftung per Fingertipp bedient, wärmer oder kälter wird es mit einem Wisch.
Apropos Lüftung: Während heute die Düsen im ein oder anderen Fall das geschwungene Design der Armaturenbretter eher unterbrechen als unterstützen, werden die künftigen Ausströmer so dezent in schmalen Schlitzen versteckt, dass sie kaum noch sichtbar sind. Eine Art Fächermechanismus hinter den Schlitzen sorgt zum Beispiel bei Yanfeng dafür, dass die Klimaanlage gleichzeitig auch zugfreier als heute arbeitet.
Gestensteuerung als zusätzliche Bedienmöglichkeit
Bisher noch nur zusätzlich zu den üblichen Bedienmöglichkeiten sieht Zulieferer Delphi seine Gestenbedienung: Per Handstreich, den eine Kamera im Innenspiegel erkennt, kann das Infotainment-System bedient werden. Das System ist bereits im BMW 7er im Serieneinsatz. Aber auch die meisten anderen Lösungen sind nach Angaben ihrer Hersteller serienreif und könnten in wenigen Jahren auf die Straße kommen.
Noch etwas weiter entfernt von der Realisierung sind die Konzepte, die sich ums autonome Fahren drehen. Bei Yanfeng kann man schon einmal beobachten, wie sich bei Aktivierung des autonomen Modus das Lenkrad ein- und der Sitz zurück fährt. Der Fahrer klappt dann einen kleinen Tisch aus und holt aus einem großen Ablagefach in der Tür seinen Laptop. Weil das Auto der Zukunft – zumindest hier – mit E-Antrieb fährt, ist die Gestaltung frei und es ist dort beispielsweise Platz für eine Handtaschen-Abstellfläche, wo früher einmal der Mitteltunnel saß.
Faurecia: Granit oder Schiefer ersetzen Plastik im Cockpit Quelle: picture alliance / dpa-tmn
Auch Kostal beschäftigt sich mit der Zeit, wenn das autonome Fahren Realität geworden ist. Der Zulieferer, der unter anderem den Duftspender für die Mercedes S-Klasse beisteuert, denkt daran, eine Wellnessoase zu schaffen, mit bequemen Liegesesseln und Schlummerduft, damit der Fahrer entspannter aus- als einsteigt.
Armaturenbrett aus Granit statt Plastik
Aber zurück zur nahen Zukunft: Die Aussteller auf der IAA machen auch klar, dass Plastikwüsten ausgedient haben, die im Innenraum verwendeten Materialien werden immer experimenteller. So zeigt Faurecia zum Beispiel ein Armaturenbrett aus Schiefer, möglich wäre auch Granit. Die steinerne Verkleidung soll aber nicht schwerer sein als ein vergleichbares Stück aus Holz. Auch Strickelemente könnten künftig im Innenraum zum Einsatz kommen.
Bei Maserati werden bei Sitzen und Verkleidung Leder und Seide kombiniert. Zulieferer Johnson Controls trägt den fortschreitenden Individualisierungswünschen der Autokäufer mit neuen Sitzbezugsmustern Rechnung: Weil nicht für jedes Design ein neuer Stoff entwickelt werden muss, sondern auf einen Uni-Stoff gedruckt wird, kann der Autohersteller künftig seinem Kunden die außergewöhnlichsten Kombinationen anbieten. Dank neuer Drucktechnik sind auch die heute so modischen Farbverläufe oder feinste Linien möglich.