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VW Beetle LSR: Fahrt über den El Mirage Dry Lake - Über diesen Beetle lacht bestimmt niemand

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Sonne, Sand und Salz - die Speed Days von El Mirage sind Pilgerstätte für Geschwindigkeitsjunkies. Wir haben uns mit einem 600-PS-Beetle auf den Salzsee gewagt.

VW Beetle LSR: Immer nur geradeaus, aber das höllisch schnell. Bei den Speed Weeks fordert selbst ein "Käfer" reichlich Respekt VW Beetle LSR: Immer nur geradeaus, aber das höllisch schnell. Bei den Speed Weeks fordert selbst ein "Käfer" reichlich Respekt Quelle: Volkswagen

El Mirage/Kalifornien - Eigentlich könnte er es ruhiger angehen lassen. Ron Main hat die 60 längst überschritten, doch es zieht ihn immer wieder in die Hitze und Trockenheit. Auf ausgetrocknete Seen tief im Westen der USA. Der Mann mit der von Sonne, Sand und Salz gegerbten Haut braucht Geschwindigkeit. Land Speed Racing heißt seine Passion.

Deshalb steht er heute in El Mirage. Mal wieder. In dieser staubigen Ebene von schier endloser Weite, zwei Stunden nordöstlich von Los Angeles. Mit ein paar Hundert anderen Verrückten jagt er über eine meilenlange Gerade, genau so, wie sie es hier schon seit den Dreißiger Jahren tun. „Das ist eine Sucht, und wenn sie dich einmal gepackt hat, wirst du sie nie wieder los“, sagt Main. Dann zwängt er sich in seine mehr als 1.000 PS starke Rennzigarre und geht erneut auf Rekordjagd.

Für die Zuschauer hinter den Absperrungen sind Männer wie Ron Main Freaks, die man wahlweise bedauern oder bewundern kann. Doch wer einmal selbst am Steuer eines Land Speed Racers sitzt, für den ist Main ein tollkühner Held, der nichts anderes verdient als Respekt und Anerkennung.

Die Würfel am Heck verraten den Speed-Freak: Bremsfallschirme machen dem Spuk am Ende der Geraden ein Ende Die Würfel am Heck verraten den Speed-Freak: Bremsfallschirme machen dem Spuk am Ende der Geraden ein Ende Quelle: Volkswagen

Mit 330 km/h der schnellste Beetle

Es sieht so leicht aus. Es geht nur geradeaus, es zählt nur die Geschwindigkeit. Doch drei Meter vor der Startlinie, nur wenige Sekunden bis zum Start, festgezurrt in einem Rennwagen, schwindet die Selbstsicherheit. Dabei ist dieser Rennwagen nur ein VW Beetle. Wobei: Nur? Der hier hat ein paar Monate in der Werkstatt von Tom Habrzyk verbracht.

Der aus Polen ausgewanderte Tempo-Junkie gehört zu den Koryphäen unter den Land Speed Racern und hat aus dem zahmen Käfer im Auftrag von VW eine Kanonenkugel gemacht: Fast 600 PS machen den gelben Knubbel zum stärksten "Käfer" der Welt. Und seit er vor ein paar Wochen auf den Salzseen von Bonneville mit 205,122 Meilen pro Stunde (330,112 km/h) gemessen wurde, ist er auch der schnellste.

Auf den ersten Blick sieht die Knutschkugel dabei noch ganz friedlich aus. Die etwas weiter nach unten gezogene Frontschürze fällt kaum auf. Die dünnen Rädchen mit den voll verkleideten Felgen könnten auch aus dem Zubehörhandel für nicht ganz geschmackssichere Tuner stammen. Doch was sollen die beiden Stoffwürfel am Heck? Bremsfallschirme - das macht skeptisch.

Der Fahrersitz befindet sich im Beetle LSR dort, wo in normalen Autos die Rückbank steckt Der Fahrersitz befindet sich im Beetle LSR dort, wo in normalen Autos die Rückbank steckt Quelle: Volkswagen

Bremsfallschirm und Feuerlöscher

Im Inneren ist der Beetle ein Rennwagen reinsten Wassers. Wo früher mal die Rückbank war, hat Tom ganz tief unten eine Sitzschale auf den Boden geschweißt. Da fixiert das Team den Fahrer wie in einem Schraubstock. Helm auf, HANS-System im Nacken, die Hosenträgergurte so stramm, dass man kaum atmen kann, sitzt man da. Die Bewegungsfreiheit reicht gerade, um das weit nach vorn gerückte Lenkrad und das verlängerte Schaltgestänge zu erreichen. Und, um im Notfall den Feuerlöscher zu zünden und natürlich, um die Hebel für die Fallschirme zu ziehen.

Zündung und Benzinpumpe an, Startknopf gedrückt - das Auto wird in Nullkommanix zum Backofen. Da hilft auch der Tank mit Eiswasser neben dem Fahrer kaum, der die Ladeluft um 20 Grad herunterkühlt. Mit den beiden riesigen Turbos und ein paar „kleinen Modifikationen“, für die Tom immerhin fünf Monate gebraucht hat, wird aus dem kreuzbraven 2,0-Liter-Motor des Serienmodells eine kleine Höllenmaschine. Statt bislang auf maximal 220 PS kommt der Beetle jetzt fast auf die dreifache Leistung. Rund 600 PS und dazu fast 600 Newtonmeter Drehmoment. Über diesen Käfer lacht hier keiner.

Unter den neugierigen Blicken von Männern wie Ron Main hat sich der Beetle mittlerweile unter die Hot Rods, die Stromlinien-Zigarren, die Naked Bikes und die voll verkleideten Highspeed-Motorräder gemischt. Meter für Meter kriecht er an die Startlinie.

Auch vollverkleidete Motorräder treten in El Mirage zur Geschwindigkeitsjagd an Auch vollverkleidete Motorräder treten in El Mirage zur Geschwindigkeitsjagd an Quelle: Volkswagen

Die breite Piste wird zum schmalen Grat

Dann kommt der Moment: Der Marshall gibt die Strecke frei, die Kupplung schnappt mit dem Geräusch eines Hammerschlags zu. Die Reifen quietschen selbst auf dem Sand. Sie brennen eine schwarze Spur hinter die Startlinie. Ein ohrenbetäubendes Brüllen lässt alles andere verstummen und eine dicke Wolke feinen Staubes legt sich über die Szenerie.

Der Höllenritt hat begonnen. Eben war der Untergrund noch fest, plötzlich ist er es nicht mehr. Eisern kämpfen die Hände am Lenkrad gegen das Schlingern. Die Gerade wird schief und krumm, eben noch eine endlos breite Piste, ist sie plötzlich ein schmaler Grat geworden. Das Bild vom Ritt auf Messers Schneide - hier passt es wirklich.

Erst im allerletzten Moment nehmen die Augen die flackernd roten Lichter wahr. Kurz vor 8.000 Touren kündigt der Drehzahlbegrenzer sich an. Klack, zweiter, klack, dritter, klack, vierter Gang. Der Auspuff röhrt, der ganze Wagen dröhnt und der Beetle zieht eine Staubschleppe hinter sich her, als sei gerade ein Sandsturm losgebrochen.

Seit den 30er-Jahren treffen sich Speed-Junkies zur Speed Week, manche Karossen stammen noch aus der Zeit Seit den 30er-Jahren treffen sich Speed-Junkies zur Speed Week, manche Karossen stammen noch aus der Zeit Quelle: Volkswagen

Land-Speed-Rekord bei 700 km/h

Mit zentnerweise Ballast irgendwie am Boden gehalten, jagt der Käfer durch die Wüste, als hätte jemand auf „fast forward“ gedrückt. Die vier Sekunden von 0 auf 100 km/h dauern nur ein Blinzeln, die Strecke ist noch nicht einmal zur Hälfte geschafft. Einen gedehnten Augenblick später schält sich aus dem sandigen Panorama die Ziellinie. Erlösung. Der Fuß geht vom Gas, der Beetle lässt sich in die Schirme fallen, die der Raserei mit einem Ruck ein jähes Ende machen.

Plötzlich ist alles still. Die Zuschauer sind meilenweit weg, der Motor ist verstummt. Der Adrenalinspiegel fällt ins Bodenlose, genauso schnell, wie er gestiegen war. Man sinkt im Sitz in sich zusammen. Doch die Ruhe währt nur wenige Sekunden. Sie wird abgelöst vom Verlangen, nach einem neuen Kick. Ron Main hatte gewarnt vor der Sucht nach Speed. „Ich habe es dir doch gleich gesagt“, hört man ihn noch rufen, während man zurück an den Start will. Um das nächste Mal noch schneller zu fahren. Und schneller. Und schneller. Und schneller.

Ron Main beobachtet die Szenerie mit einem wissenden Lächeln, mit einer Spur Mitleid und mit der Milde eines Mannes, der nichts und niemandem mehr etwas beweisen muss. Und der vor allem nicht um seinen Ruhm zu fürchten braucht. Denn selbst wenn VW doch noch jemanden findet, der diesen Beetle mit Vollgas über das Salz jagt und die theoretisch möglichen 400 km/h knackt, Main kann er nicht gefährlich werden. Der Rekord seines „Speed Demon“ als weltweit schnellstes Fahrzeug mit Hubkolbenmotor ist zwar schon viele Jahre alt, doch bis heute ungebrochen – bei mehr als 700 km/h.

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Quelle: sp-x

Avatar von MOTOR-TALK (MOTOR-TALK)
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