Die Überschrift sagt alles: Der modifizierte Turbo-S-911er rast künftig in weniger als 3 Sekunden auf Tempo 100. Das verändert alles.
Johannesburg – Die Launch Control hat viel von Eric Cantona. Kompromisslos, zuweilen brutal tritt sie zu. Beifahrer trifft das härter als den Impulsgeber. Dabei kommt nichts unvorbereitet. Denn während der linke Fuß die Bremse hält, und der rechte das Gas auf 6.800 Umdrehungen treibt, bollert es zünftig hinter den Sitzen. Die Elektronik sendet automatisch: alle 580 PS in Alarmbereitschaft. Löst der Fuß die Bremse, jagt ein Blitz durch den Wagen und schlägt im Kreuz oder der Magengrube der Fahrenden ein. Je nach Konstitution. Porsche 911 Turbo S Facelift: Mindestens 202.872 EuroQuelle: Porsche Ein schneller Blick auf den Tacho, aber da sind die 100 längst überschritten. Vor 32 Jahren unterbot der Turbo-Elfer eine Sprintzeit von 5 Sekunden auf 100 km/h. Heute knackt der neue Turbo S die 3-Sekunden-Marke. Dem S mit jetzt 580 PS gilt unser Interesse, weil er der stärkste Turbo ist und weil ihn die Kunden favorisieren. Wer in dieser Klasse einkauft, so sagt Porsche, der will eh meist alles und das Beste. So entscheiden sich drei von vier Turbo-Käufern für den S. Etwas mehr als 28.000 Euro trennen die beiden Turbo-Serien beim Preis. 202.872 Euro kostet der Stärkere, dafür gibt es das, was man normalerweise unter Vollausstattung versteht - inklusive Keramikbremsen. Porsche bietet trotzdem noch Extras für rund 40.000 Euro an. Das Wesentliche hat der Autor dieser Zeilen bereits vor drei Jahren zum Turbo zusammengeschrieben. Mit der Modellpflege ändern sich Details an Front und Heck. So leuchten die Hauptscheinwerfer mit LEDs. Der Heckdeckel bekommt neue Lüftungsgitter, die Heckschürze und Heckleuchten werden moderner. Das wirkt jetzt unauffällig, wird aber in 30 Jahren für Sammler noch mal wichtig. Auch das: Die Türgriffe haben keine Griffschale mehr. Sachen gibt's. Benzindruck steigt, NEFZ-Verbrauch sinktEntscheidender sind die kleinen Eingriffe bei der Technik. Die beiden Turbo-Variationen erhalten unterschiedliche Lader. Der Turbo-S einen mit größerem Verdichterrad. Der maximale Einspritzdruck steigt von 140 auf 200 bar. Mehr Druck auf allen Leitungen ermöglicht mehr Leistung. Nebeneffekt für den NEFZ: Der Verbrauch sinkt um 0,6 Liter/100 km. Interessiert eh keine Sau. Wichtiger für Rennfahrer in spe: Die Schaltrichtung beim manuellen Schalten des Doppelkupplungsgetriebes (PDK) wurde umgekehrt. Ziehen heißt Gang rauf, Schieben Gang runter. Diese Änderung gilt für alle neuen PDK-Elfer. Dazu hat der Turbo-S jetzt etwas Playstationhaftes. Ein Drehknopf am neuen GT-Lenkrad erlaubt das Einstellen der Fahrmodi (Normal, Sport, Sport Plus, Individual). In der Mitte des Rädchens befindet sich ein weiterer Knopf. Er ermöglicht 20 Sekunden Höchstleistung. Dann schaltet das Getriebe einen Gang runter, alle technischen Parameter wechseln auf Attacke-Modus und der Fahrer kann kurz demonstrieren, wo der Bauer den Most... Auch fein: die Funktion Dynamic Boost. Wie gesagt, klingt nach Konsole, bedeutet aber, dass bei Lastwechseln der Ladedruck aufrechterhalten wird. Ohne Zündfunke, aber mit geöffneter Drosselklappe. Ergo fällt der einige Millisekunden dauernde Moment zum Aufbau des Ladedrucks weg. Anders als die anderen ElferQuelle: Porsche Unverändert fährt sich der Wagen anders als alle anderen Elfer. August Achleitner, seit 15 Jahren der leitende Ingenieur hinter allen 911er-Modellen, fasst das Außergewöhnliche in einem Wort zusammen: Souveränität. Der Autor braucht zur Beschreibung mehr Buchstaben und Zeilen. Weil das Außergewöhnliche im Leben oft so schwer begreifbar ist. Hier stehen auf der einen Seite Fahrwerte, die vor zehn Jahren für Großserienautos (ca. 25.000 verkaufte Modelle) kaum vorstellbar waren. Auf der anderen eine Alltagsfahrbarkeit, wie manch Massenauto sie nicht zu zeigen vermag. Die Lässigkeit, mit der sich dieser Turbo-Porsche von jedem Vollhorst bewegen lässt, auch über die Buckelpisten der Bundeshauptstadt, ist unvergleichlich. Ferrari, Lambo, viel zu steif dafür, Nissans GTR ohne die Eleganz. Der andere Kram aus dem Autoquartett: Nicht schnell genug. Schneller um die NordschleifeIn dieser Erhabenheit zockelt der Wagen erst zur Arbeit und dann über die Rennstrecke. Geschärft wurde er auf der Nordschleife, unverändert. Nur, dass der Modellgepflegte dort schneller fährt. 7:18 Minuten erreichen die Porsche-Testfahrer. 7:27 Minuten sollten es vor drei Jahren gewesen sein. In dem Fahrbericht auf MOTOR-TALK nannten wir noch 7:24 Minuten. Haarspalterei. Weil der Wert ohnehin nicht das bestmögliche Ergebnis widerspiegelt. „Die 7:18 Minuten könne der ein oder andere Profi-Motorsportler unterbieten,“ sagt Achleitner. Aber darum geht es nicht. Es geht um Reproduzierbarkeit. Also die Erfahrbarkeit für Autofahrer ohne Rennlizenz als Grundvoraussetzung. Im Gespräch mit MOTOR-TALK betont Achleitner, dass der Turbo-S die 2,9 Sekunden auf 100 km/h locker schafft. Bei bestem Wetter und Grip seien schon 2,65 Sekunden gemessen worden. „Weil der Elfer so eine perfekte mechanische Traktion hat.“ Gemeint ist damit der Motor hinter der Hinterachse und der Allradantrieb. Die verbesserte Rundenzeit verdankt das Auto dennoch nicht nur den neuen Ladern. Sondern vor allem seinen phantastisch verbesserten Gummis der Sorte Pirelli P-Zero. Sie verschieben die Grenze zwischen "geht" und "geht nicht mehr" stark in die richtige Richtung. Topspeed und SpotifyAuskosten durfte der Autor dieses auf rund 20 Rennstreckenkilometern. Zu wenig, um eine Kaufempfehlung für ein Plus-200.000-Euro-Auto zu geben. Aber genug, um festzustellen, wie sich Multi-Millionäre an ihren besseren Tagen fühlen. Saugeil, einfach gesagt. Um auch das klar zu sagen: Die paar Minuten genügen nicht, um einen Unterschied zwischen Vorgänger und Facelift-Turbo zu erfahren. Die oben gerühmten Gummis spüren Besitzer des noch aktuellen Turbos sicher. Doch die Performance des Wagens ist so weit über dem Vorstellbaren, dass es Tage auf Teststrecken bräuchte, um alle Feinheiten zu erfahren. Doch der kurze Eindruck ist der richtige. Nie war es leichter, einen Supersportwagen als ambitionierter Laie so schnell zu bewegen. Wenn der Wagen rasend schnell über die Piste schießt, das Gehirn die Lenkbefehle zu hektisch oder unkoordiniert sendet, dann rutscht der Po schon mal ein Stück. Auch so eine Neuheit. Das Stabilitätssystem erlaubt diesen Spaß bis zu einem bestimmten Winkel. Und sortiert den Wagen dann wieder unterstützend. Was noch wichtig ist: Die Höchstgeschwindigkeit steigt beim Turbo-S um 12 km/h. 330 Stundenkilometer trumpfen im Autoquartett auf. Ein PS muss nur noch 2,95 Kilo mobilisieren. Und das neue Touchscreen-System versteht sich besser mit Smartphones, zumindest denen von Apple. Mehr Ambivalenz passt wohl in keinen Sportwagen. Auf der einen Seite Schnellster seiner Art. Auf der anderen Seite: SMS und Spotify steuern. Das ist ein Porsche Turbo 42 Jahre nach seiner Erfindung. Immerhin: Eine Hybridisierung des 911 Turbo plant Porsche noch nicht für die kommende Generation. So weit geht es dann doch (noch) nicht. Porsche 911 Turbo S Facelift: Technische Daten
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