Über die Optik des Jeep Cherokee wurde viel gesprochen. Aber wie fährt er, der erste echte Fiat-Chrysler in Europa? Wir haben es probiert, im Fiat-Testzentrum Balocco.
Mailand - Avanti, go faster! ruft Alessandro, mit den Armen rudernd. Die Reifen drehen durch und wirbeln Staub und Kiesel durch die Luft. Einen Meter vor Alessandro geht es in eine scharfe Rechtskurve, dann stoppt der Cherokee Trailhawk. "Bene", grinst der Fotograf. Fürs Foto will er ein Versprechen inszenieren, das Jeep dem Cherokee auf den Weg gibt: "uncompromising offroad capabilities", kompromisslose Eigenschaften im Gelände. Aber, verspricht Jeep, der Cherokee ist auch ein komfortables SUV für hohe Ansprüche. Die selbstbewusste Ansage: Der Neue soll sich mit BMW X3, Mercedes GLK oder Audi Q5 messen. Dass Chrysler in dieser Liga spielen kann, beweist der feine Grand Cherokee. Wie aber schlägt sich sein kleiner Bruder, der ohne "Grand", dafür aber mit einer kontroversen Optik leben muss? Quelle: MOTOR-TALK Von außen wirkt das 4,62 Meter lange SUV wuchtig, aber nicht brutal und auch nicht hässlich. Der Cherokee dokumentiert das Zusammenwachsen von Fiat und Chrysler: Die Plattform und den Dieselmotor stellen die Italiener, der V6-Benziner und der Allradantrieb ist "born in the USA". Die Botschaft: Auch, wenn dieser Jeep aussieht wie ein SUV - it's a Jeep. Auch, wenn die Basis ohne Allradantrieb dasteht, in den meisten Cherokee steckt anspruchsvolle Geländetechnik. Die Neungang-Automatik ist ein HighlightAuf der ersten Fahrt zeigt sich schnell: Unter der runden Schale steckt ein rauher Kern. Leise ist der 2,0-Liter-Diesel sicher nicht, aber er arbeitet gut zusammen mit einem Meisterstück süddeutscher Ingenieurskunst: Die Anpassung der Neungang-Automatik von ZF ans neue Auto verzögerte zuerst die Auslieferung in den USA, inzwischen fertigt Chrysler sie in Lizenz. Das Getriebe wechselt sanft und harmonisch die Fahrstufen und hält den Diesel meist zwischen 1.600 und 1.900 Touren. Im Bordcomputer stehen am Ende 6,9 Liter auf 100 Kilometer (Normverbrauch: 5,6 l/100 km) Auf Landstraße und Autobahn fährt der Cherokee komfortabel wie eine Limousine: Fahrwerk und Lenkung legen die Amerikaner europäisch straff aus, von SUV-typischem Wanken und lauten Windgeräuschen ist nichts zu merken. Ein zweiteiliges Glasdach (Aufpreis: 1.450 Euro) lässt die Sonne hinein. Der Jeep gibt damit eine gute Bewerbung als Arbeitsgerät für den Außendienst ab, und auch die Liste elektronischer Assistenten ist up to date: Abstands-Tempomat, Spurhalte-Assistent, Notbrems-System, Parkpilot und Co kosten im Paket 2.000 Euro. Fürs Herz druckten die Designer einen Gruß an die Historie auf die Windschutzscheibe: Einen kleinen Willy's Jeep, unter den Scheibenwischern. Quelle: Jeep So viel Liebe zum Detail findet sich im Cherokee-Innenraum leider nicht überall: Die Mittelkonsole knarzt, die scheppernde Lenkrad-Verstellung würde nicht Winterkorns Gnade finden. Der Qualitätseindruck reicht nicht an den des Grand Cherokee heran. Über Fels und SandWie steht es nun um die Gelände-Kompetenzen des Cherokee? Die Trailhawk-Version bietet fünf Gelände-Modi, eine mechanisches Sperrdifferenzial hinten, 2,5 Zentimeter mehr Bodenfreiheit, einen Unterfahrschutz und eine programmierbare Bergabfahrhilfe. Mit dieser Allrad-Vollbedienung meistert der Cherokee locker alle Hindernisse auf Fiats Offroad-Testrecke Balocco: Das Differenzial mahlt, abwechselnd heben Räder vom Boden ab und finden ihn wieder. Im Kriechgang geht es mit einer Geländeuntersetzung von 2,92:1 steile Betonhügel hinauf und hinunter. Die Bedienung der komplexen Allradtechnik wäre mit Drucktasten für die Fahrmodi aber intuitiver gelöst als mit dem vorhandenen Drehknopf. Zwischen Kindergarten und Grand CanyonWeniger easy als die Fahrt abseits der Straße ist die Navigation durch die Preisliste: Wenn der Cherokee nur ein SUV und kein Trailhawk-Gelände-Indianer sein soll, dann gibt es zwei Ausstattungslinien, Longitude und Limited. Den V6 gibt es nur in der teureren Variante, den schwächeren Diesel gibt es nur mit Sechsgang-Handschaltgetriebe, reinen Frontantrieb gibt es nur für den schwächeren Diesel. Und: den Trailhawk gibt es nicht als Diesel. Warum, weiß keiner so richtig. Schließlich, sagt Jeep, verlangt die Offroad-Gemeinde weltweit zunehmend nach drehmomentstarken Selbstzündern. Quelle: Jeep Unterm Strich: Der Italo-Amerikaner aus Toledo/Ohio bietet nicht ganz den Edel-Faktor der süddeutschen Konkurrenz, dafür aber mehr Ausstattung, viel Komfort und eine überlegene Allradtechnik. Genau das ist seine Nische: Väter, die vom Grand Canyon träumen, können Mutti den Cherokee durchaus als Familien-SUV schmackhaft machen. Dabei hilft der Preis: Bei 34.800 Euro geht es los, mit Frontantrieb und 140 Diesel-PS. Ein vergleichsweise spartanisch ausgestatteter BMW X3 mit 150 PS kostet 37.200 Euro. Aber, auch das muss man sagen: Für rund 7.000 Euro weniger könnte man sich auch einen guten Nissan Qashqai oder einen einfach bestückten VW Tiguan vors Reihenhaus stellen. Lest hier mehr zum Jeep Cherokee mit einem 2,2-Liter-Diesel. Technische Daten: Jeep CherokeeDer Benziner
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