Die EU-Kommission setzt Deutschland bei der Bekämpfung von Stickoxiden unter Druck. Erste Stimmen äußern sich kritisch zu möglichen Fahrverboten.
Update am 01.03.13 um 13:00 Uhr Brüssel/Berlin- Gestern berichteten wir, dass die EU-Kommission Deutschland zu Maßnahmen für die Luftverbesserung in Ballungsräumen drängen will. Heute gibt es erste Stimmen dazu. Die wichtigste Stellungnahme kommt vom Bundesumweltministerium selbst. Wie die Online-Ausgabe der Tageszeitung „taz“ berichtet, zerstreute das Ministerium die Befürchtung flächendeckender Fahrverbote in Deutschland. "Auch die EU-Kommission kann die betroffenen Städte, die für die Einhaltung der Grenzwerte zu sorgen haben, nicht zwingen, unverhältnismäßige Maßnahmen wie etwa flächendeckende Fahrverbote zu verhängen. Neben dem berechtigten Interesse, für saubere Luft in den Innenstädten zu sorgen, müssen auch öffentliche und private Interessen bei solchen Entscheidungen berücksichtigt werden.", zitiert die Zeitung eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums. Weiterhin merkte diese an, dass die neuen Abgasnormen ab 2014 zu einer maßgeblichen Entlastung der Innenstädte führen würden. ADAC-Experte Christian Laberer warnt laut "Bild online" vor Schnellschüssen. „Stattdessen sollte die Regierung alternative Antriebe finanziell fördern. In anderen Ländern ist das längst üblich. Auch die Autohersteller müssen endlich saubere Fahrzeuge zu bezahlbaren Preisen anbieten," zitiert ihn "Bild". Rainer Hillgärtner, Pressesprecher des Auto Club Europa (ACE) will, dass „Park & Ride“-Angebote und Fahrgemeinschaften stärker gefördert werden. Und klar, auch Greenpeace hat eine Meinung. Die ist erstaunlich autofreundlich: Die Umweltschutzorganisation betonte, dass Autos immer weniger Anteil an der Verschmutzung durch Ruß und Stickoxide haben. Mindestens genau so bedeutsam für die Luftverschmutzung seien Baumaschinen und Kraftwerke. Bisherige Maßnahmen reichen nichtDie Luftqualität in Deutschland genügt vielerorts nicht den Anforderungen, die die EU 1999 beschlossen hat und die seit 2010 rechtsverbindlich sind. Dabei geht es um die Schadstoffe Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei. Deutschland hat für viele Regionen eine Verlängerung der Frist für die Einhaltung der Grenzwerte beantragt. Diese darf maximal um fünf Jahre (also bis 2015) verlängert werden. Jetzt hat die EU-Kommission Einwände gegen die Verlängerung erhoben. Betroffen wären davon 33 der insgesamt 57 Regionen. Darunter befinden sich alle wichtigen Ballungsräume: Berlin, Stuttgart, München, Hamburg, Bremen und das Ruhrgebiet. Die Nachweise und Pläne zur Luftverbesserung bis 2015 reichen der EU-Kommission nicht. Bisher hatte Deutschland beim Kampf gegen giftige Emissionen auf Umweltzonen und die Umsetzung von EU-Abgasnormen gesetzt. Viele Regionen versuchen zudem, den Fahrradverkehr und den öffentlichen Nahverkehr zu fördern. Ohne ausreichenden Erfolg. Die verkehrsbedingten Stickstoffoxid-Emissionen sanken nicht, die Emissionen aus Dieselfahrzeugen stiegen sogar. Zwar soll die neue Euro 6-Norm (ab September 2014) die Abgase mindern. Doch bis die Auswirkungen von sauberen Diesel spürbar messbar werden, wird es noch lange dauern. Der ADAC fordert deshalb Steuererleichterungen für Diesel mit Euro 6-Norm. Die Bundesregierung muss jetzt schnell neue Pläne zur Verminderung der NO2-Emissionen (Stickstoffdioxid) und NOx-Emissionen (Stickstoffoxid) vorlegen. Wie die aussehen könnten, weiß noch niemand konkret. Drohen nun drastische Fahrverbote?Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hat auch ein paar radikale Ideen parat. Um Strafzahlungen zu verhindern, müsse der motorisierte Individualverkehr schnell reduziert werden, sagte ein BUND-Sprecher. Dabei dürften die Emissionen aus Schifffahrt, Baumaschinen und Diesellokomotiven nicht vergessen werden. Möglich wäre eine schnelle Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes in Ballungsräumen auch durch ein Einfahrverbot für Dieselfahrzeuge, die nicht die Euro 6-Norm erfüllen. Dies wären aktuell allerdings noch fast alle. Nur 0,1 Prozent der am 1. Januar 2013 zugelassenen Pkw erfüllen die Euro 6 Norm. Diese Regionen sind betroffenWelche Städte und Regionen laut der EU-Kommission erhebliche Probleme mit sauberer Luft haben, zeigt unsere Auflistung: Berlin, Freiburg, Mannheim/Heidelberg, Stuttgart, Regierungsbezirk Karlsruhe, Regierungsbezirk Tübingen, Regierungsbezirk Stuttgart, München, Augsburg, Nürnberg/Fürth/Erlangen, Oberbayern, Ballungsraum Niedersachsen/Bremen, Ballungsraum Rhein-Main, Kassel, Mittel- und Osthessen, Hamburg, Wuppertal, Münster, Köln, Hagen, Essen, Dortmund, Düsseldorf, Bielefeld, Aachen, Mönchengladbach, Rheinisches Braunkohlerevier, Urbane Bereiche NRW, Duisburg, Koblenz/Neuwied, Mainz, Worms/Frankenthal/Ludwigshafen, Weimar |