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Der Diesel und die Stickoxid-Debatte - Verbieten, verbannen oder endlich richtig messen?

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Der Diesel steht wieder einmal im Mittelpunkt von Umweltdebatten. Stickoxide und Feinstaub sorgen in Großstädten für dicke Luft. Faktencheck: Wie schlimm ist der Selbstzünder?

Die gesetzlichen Vorgaben für Emissionen werden strenger: Debattiert wird derzeit ein Verbot von älteren Dieselfahrzeugen in Umweltzonen. Das gab es schon einmal Die gesetzlichen Vorgaben für Emissionen werden strenger: Debattiert wird derzeit ein Verbot von älteren Dieselfahrzeugen in Umweltzonen. Das gab es schon einmal Quelle: Bosch

Köln - Der Diesel, die Umwelt und die Gesundheitsrisiken: Das Thema ist alt. Tatsächlich starb bereits sehr früh ein Mensch nachweislich am Dieselmotor. Rudolf Diesels Gesundheit war nach jahrelangen Patentstreitigkeiten um den 1897 vorgestellten Motor am Ende, auch geschäftlich lief es nicht gut. Die tatsächlichen Umstände seines Todes auf See konnten nie geklärt werden.

Brüssel mahnt NO2-Grenzwerte in Deutschland

Ursprung der aktuellen Diskussionen um Stickoxide (NOx) und Dieselmotoren ist ein Mahnschreiben der EU-Kommission, das besagt, Deutschland habe seine Pflicht zur Reinhaltung der Luft in Innenstädten nicht erfüllt. Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) seien zwischen 2010 und 2013 an zahlreichen Orten nicht eingehalten worden.

Am 18. Juni wurde daher ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Als Maßnahme schlug die Kommission unter anderem vor, Dieselfahrzeuge in bestimmten Stadtgebieten zu verbieten, da vor allem Diesel die gesundheitsgefährdenden Stickoxide ausstießen. Speziell NO2 gilt als eine Vorstufe von Ozon, die Atemwegserkrankungen verursachen kann.

Euro-6-Norm soll Stickoxidausstoß senken

Ein unter realen Bedingungen durchgeführter Test beweist: Die maximale Menge an ausgestoßenen Stickoxiden wird auch bei neueren Motoren überschritten Ein unter realen Bedingungen durchgeführter Test beweist: Die maximale Menge an ausgestoßenen Stickoxiden wird auch bei neueren Motoren überschritten Quelle: picture alliance / dpa

Mit Euro 6 trat eine neue Abgasnorm in Kraft, seit Herbst 2014 ist sie gültig für neue Modellreihen und ab dem 1. September 2015 für alle neu zugelassen Fahrzeuge. Damit verringern sich die zulässigen Mengen an Stickoxiden pro Kilometer beim Diesel von 180 auf nur noch 80 Milligramm (mg). Benziner dürfen 60 Milligramm emittieren. Zum Vergleich: Bei der Abgasnorm Euro 3 durften Diesel noch 500 und Benziner 150 mg ausstoßen.

Um die Norm umzusetzen, mussten die Hersteller investieren: Zum Beispiel in so genannte SCR-Katalysatoren. SCR steht für Selective Catalytic Reduction, selektive katalytische Reduktion. Dem Abgas wird Ammoniak beigemischt, und dadurch chemisch der Anteil von NO und NO2 verringert. Für die in Autos verwendete, synthetisch hergestellte Substanz sicherte sich der Verband der Automobilindustrie (VDA) den Markennamen AdBlue, in der Öffentlichkeit wird verbreitet von Harnstoff gesprochen.

Praxistest deckt deutlich zu hohe Realwerte auf

Ist damit alles gut? Organisationen wie das International Council of Clean Transportation (ICCT) sehen das anders. In Tests erreichten Diesel-Fahrzeuge mit Euro 6 die theoretischen Werte nicht einmal annähernd. 15 Fahrzeuge wurden 140 Stunden und 6.400 Kilometer im Alltag bewegt, und stießen dabei im Schnitt siebenmal mehr Stickstoff aus, als es die Norm vorsieht: statt 80 Milligramm also mehr als 500 Milligramm und damit Euro-3-Niveau. Denn wie die Verbrauchsangaben wird auch der Schadstoffausstoß unter Laborbedingungen ermittelt. In der Realität dagegen stinkt es.

Trotzdem warnen auch kritische Fachleute davor, den Diesel zu verdammen. „Der Diesel ist nicht per se dreckig“, erklärt etwa Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD). Das Problem beruhe vielmehr auf den unrealistischen Messmethoden, die für Autos vorgeschrieben sind.

GM Duramax-Diesel: Nach Angaben des ADAC sind in den USA verkaufte Diesel mittlerweile erheblich sauberer als EU-Diesel. Das liege an unterschiedlichen Messverfahren GM Duramax-Diesel: Nach Angaben des ADAC sind in den USA verkaufte Diesel mittlerweile erheblich sauberer als EU-Diesel. Das liege an unterschiedlichen Messverfahren Quelle: General Motors

Neuer Messzyklus soll realistische Werte liefern

„Reale Messungen im Verkehr sind wichtig“, so Lottsiepen. Die Zukunft der Abgasmessung dreht sich um die drei Buchstaben RDE. Die stehen für Real Driving Emissions, also die Messung der Abgase im realen Fahrbetrieb. Schließlich stößt ein Diesel beim Beschleunigen oder bei hohem Tempo wesentlich mehr Stickoxide aus als unter Laborbedingungen.

RDE ist von der EU beschlossen, mit der Umsetzung wird 2017 gerechnet. Gefordert haben die neuen Messverfahren nicht nur Umweltschützer. Auch Rolf Bulander vom Zulieferer Bosch sagt: „Verbrenner und insbesondere Diesel müssen zukünftig auch bei starkem Beschleunigen und hohen Geschwindigkeiten sauber sein.“

Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH), sieht die Probleme der Euro-6-Diesel ebenfalls in der Abgasmessung. Der Diesel sei in den USA zwar bis heute ein Nischenprodukt, doch US-Diesel seien deutlich sauberer als Diesel in Europa. In den USA seien realistische Messmethoden längst Alltag, zudem überprüfen die Behörden die Angaben der Hersteller regelmäßig.

Laut dem ADAC ist ein US-Diesel inzwischen etwa 25 Mal sauberer als einer, der in Deutschland angeboten wird. Für Michael Niedermeier vom ADAC haben Euro-6-Diesel noch ein weiteres Problem: AdBlue müsste dem aktuellen Fahrzustand entsprechend zugemischt werden. Beim Beschleunigen oder bei hohem Tempo deutlich mehr als bei gleichmäßiger Fahrt. Dies sei jedoch nicht der Fall.

„Die Hersteller möchten größere Wartungsintervalle, und sie möchten, dass die Tanks für AdBlue dazwischen nicht vom Autofahrer selbst nachgefüllt werden müssen.“ Dies könne dazu führen, dass der Einsatz von AdBlue auch dann auf Sparflamme erfolgt, wenn eigentlich das Gegenteil erforderlich wäre.

Altbestand an Dieselfahrzeugen belastet die Bilanz

In sechs Jahren müssen die Hersteller einen Flottenverbrauch von 95 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen. Das geht kaum ohne den Diesel In sechs Jahren müssen die Hersteller einen Flottenverbrauch von 95 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen. Das geht kaum ohne den Diesel Quelle: picture alliance / dpa

Das eigentliche Problem für die Luftqualität sind trotz alldem nicht neue Diesel, sondern alte Fahrzeuge. Im Jahr 2014 wurden 435.462 Neuwagen mit Euro-6-Diesel zugelassen. Der Gesamtbestand an Diesel-Pkw allerdings lag bei 13.806.836 Fahrzeugen. Von Januar bis Juni 2015 wurden weitere 421.738 Neuzulassungen von Euro 6-Dieseln gemeldet, gleichzeitig erfüllten immer noch 355.859 neue Diesel nur Euro 5.

Bis neue Technologien wie der SCR-Kat spürbaren Einfluss auf die Umwelt haben, wird es also noch dauern. „Zudem sind Fahrzeuge zwar eine Quelle von Stickoxiden, aber lange nicht die einzige“, sagt Dr. Michael Krüger, Chefentwickler für Dieseltechnologie bei Bosch. Also doch: Verbot? Der gesamte Verkehr – Autos, Busse, LKW, Loks und Schiffe – ist in Europa für 46 Prozent der NOX-Emissionen verantwortlich. Mit rund 54 Prozent der Emissionen liegen Energieerzeugung, Industrie und Haushalte gleichauf.

Zielkonflikt CO2-Reduktion

Wer den Diesel auf die Stickstoff-Debatte reduziert, übersieht außerdem einen Zielkonflikt: Gleichzeitig muss die Industrie den CO2-Ausstoß senken. In knapp sechs Jahren müssen die Autoflotten der Hersteller einen Grenzwert von maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen.

Zwar sank der CO2-Ausstoß, zumindest gemessen nach der fragwürdigen NEFZ-Norm, zwischen 2009 und 2014 um 12,8 Prozent auf 134,5 Gramm pro Kilometer. Aber ob es in dem Tempo weitergehen kann? VW-Chef Martin Winterkorn wurde unlängst mit der Aussage zitiert, jedes weitere gesparte Gramm CO2 würde den Konzern 100 Millionen Euro kosten.

Vor allem aber sind die geforderten Grenzwerte bis 2021 ohne Diesel kaum zu schaffen. Der Diesel verbraucht im Schnitt bis zu 25 Prozent weniger als gleich starke Benziner.

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