Hagen - Zwei Autos halten an einer roten Ampel. Links ein roter Skoda, rechts ein schwarzer Audi. Als die Lichter auf Grün springen, geben beide Gas. Nur Sekundenbruchteile später sind die Wagen aus dem Blickfeld verschwunden. Diese Aufnahmen einer Cockpit-Kamera aus dem Auto eines pensionierten Polizisten sollen beweisen, dass sich zwei Männer im Mai 2016 in Hagen ein illegales Autorennen geliefert haben. Sie geraten in den Gegenverkehr und prallen mit zwei anderen Fahrzeugen zusammen. Bei dem Unfall werden fünf Menschen zum Teil schwer verletzt. Zum Prozessbeginn vor dem Hagener Landgericht am Montag wird die Videosequenz abgespielt.
Angeklagt sind ein 34- und ein 47-Jähriger, sie weisen die Vorwürfe zurück. Der ältere Beschuldigte erscheint am Montag selbst mit Krücken zum Prozess. Bei dem Unfall vor gut einem Jahr hatte er sich einen komplizierten Oberschenkelbruch zugezogen. Der Familienvater gibt zu, an diesem Abend mit seinem roten Skoda zu schnell gefahren zu sein. Den Richtern sagt er aber: "Meine Frau hatte mir am Telefon gesagt, dass es unserem Sohn sehr schlecht geht. Mir sind die Nerven durchgegangen. Ich wollte einfach nur noch nach Hause." Von einem rücksichtslosen Rennen könne keine Rede sein.
Einer der Fahrer zeigte Reue vor Gericht
Dass bei dem Zusammenprall außer ihm vier Menschen - darunter zwei elf und sechs Jahre alte Kinder - schwer verletzt wurden, entsetze den 47-Jährigen bis heute. "Ich bin nicht mehr der Mensch, der ich vorher war", sagt er den Richtern. Seine Frau habe ihn verlassen, er sei ängstlich geworden und habe 20 Kilo zugenommen. Er habe versucht, den beiden Kindern Geschenke zu schicken. Diese hätten jedoch die Annahme verweigert. "Ich kann das verstehen", sagt der Angeklagte.
Im Februar fand in Berlin ein illegales Autorennen mit Todesfolge statt. Die beiden Raser wurden wegen Mordes verurteilt Quelle: Picture Alliance
Der pensionierte Polizist, einer der wichtigsten Zeugen der Anklage, belastet die Beschuldigten dagegen schwer. Der 66-Jährige stand mit seinem Mercedes direkt hinter dem roten Skoda, als er sah, wie dieser an einer Ampel urplötzlich "rasant beschleunigte" und mit hoher Geschwindigkeit neben dem Audi herfuhr. "Für mich war klar, dass die ein Rennen fahren", sagt der Zeuge am Landgericht. Noch während die Bergungsarbeiten am Unfallort liefen, übergab der 66-Jährige einer Polizistin eine Videokamera, die er auf dem Armaturenbrett seines Autos installiert hatte. Dabei gehe es ihm aber nicht darum, Fehlverhalten anderer Autofahrer zu dokumentieren. Vielmehr habe er Spaß daran, Oldtimer auf den Straßen zu beobachten, sagt der Zeuge.
Der Unfall selbst ist auf dem Video nicht zu sehen. In einer Rechtskurve soll ein vom Straßenrand anfahrendes Auto dafür gesorgt haben, dass die beiden Beschuldigten das Steuer verrissen. Im Gegenverkehr kam es dann zum Zusammenstoß. Der 47-Jährige soll bei seiner Bergung aus dem demolierten Auto sein Telefon in der Hand gehalten haben. "Ich muss meine Frau anrufen", sagte er nach Angaben von Augenzeugen.
Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung
Obwohl im Februar in Berlin nach einem tödlichen Autorennen erstmals zwei Raser wegen Mordes verurteilt wurden, ist eine Verschärfung der Anklagevorwürfe im Hagener Prozess bislang kein Thema. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung erhoben. Von einer "spontanen Absprache" ist in der Anklageschrift die Rede. Und davon, dass beide Angeklagte "das Rennen um jeden Preis gewinnen" wollten. Der 34 Jahre alte Beschuldigte äußert sich zum Prozessauftakt am Montag nicht zu den Vorwürfen. Mit einem Urteil ist nicht vor Anfang Juli zu rechnen.
Quelle: dpa