Seit März bietet Renault den Mégane in der vierten Auflage an. Die Franzosen haben viele elektronische Gimmicks eingebaut. Nicht alle haben uns im Alltag überzeugt.
Berlin – Man muss schon ein bisschen verspielt sein, um den neuen Renault Mégane zu mögen. Der Franzose blinkt, klingt und leuchtet wie die Galeries Lafayette zu Weihnachten. Nur ist er nicht so teuer. Und während man am pompösen Pariser Kaufhaus nichts ändern kann, lässt sich im Mégane mit Multi-Sense Vieles einstellen und anpassen. Das klingt zunächst gut, doch wir merken schnell: Das muss man wollen. Ist die aufdringliche Ambientebeleuchtung einmal ausgeschaltet, der Massagesitz vom Comfort-Modus entkoppelt und der Motorsound vom Sportprogramm, kann man sich aufs Wesentliche konzentrieren: Auf den feinen, kleinen Diesel zum Beispiel oder das angenehm agile, aber nicht unkomfortable Fahrwerk. Auf Landstraßen kann der Mégane nämlich richtig Spaß machen. Doch das ist in der Kompaktklasse allenfalls Kür – und wenn im Motorraum ein 1,5-Liter-Diesel mit 110 PS ackert, eigentlich überflüssig. Wie der Mégane die Pflicht in der Stadt und auf der Autobahn meistert, lest Ihr hier. Karosserie/Platzangebot: Viel Raum auf viel LängeKompaktklasse ist Kompromissklasse: Nicht zu sperrig, aber trotzdem geräumig sollen die Modelle sein. Mit knapp 4,36 Metern misst der Renault Mégane ziemlich exakt so viel wie ein Ford Focus oder ein Opel Astra. Ein Hyundai i30 ist sechs Zentimeter kürzer, ein Peugeot 308 oder ein Golf sogar fast zehn. Mehr Platz bietet der Mégane Insassen trotzdem nicht. Was da ist, reicht aber. Auch für die Frisur gibt es keine Probleme. 384 Liter Volumen verspricht das Datenblatt für den Kofferraum. Das erscheint glaubwürdig. Beladen lässt der Mégane sich nicht so leicht. Die Ladekante liegt hoch, der Stoßfänger ragt weit hinaus. Die seitlichen Häkchen für die Taschenbefestigung wirken billig, sitzen aber da, wo man sie braucht. Beim Umklappen der Rückbank entsteht eine kleine Stufe, an der sich gerne Fahrradpedale verhaken. Ein doppelter Ladeboden könnte Abhilfe schaffen – auf Kosten des Volumens – den gibt es aber nur im Kombi Grand Tour. Am besten wird die Rückbank durch die Beifahrertür umgeklappt, Hebel im Kofferraum fehlen. Nettes Detail: Laschen an den Seiten der Rückbanklehne halten den Gurt, damit er sich beim Hochklappen nicht einklemmt. Interieur: Alle Lampen anDen Trend zur fetzigen Lichtstimmung im Innenraum hat Renault voll erkannt. Nur die unteren Ausstattungslinien Life und Experience kommen ohne „Multi-Sense mit Ambientebeleuchtung“. Ab "Intens" gibt es die LED-Lichtleisten in den Türen und am Mitteltunnel dazu – ob man will oder nicht. Und sie leuchten je nach Fahrmodus oder persönlicher Auswahl in Grün, Lila, Rot oder Blau. Und immer grell. Unsere Augen fühlten sich am wohlsten, wenn das Licht aus war. Unserem Hintern gefielen die Ledersitze mit den perforierten Sitzflächen auch auf langen Strecken. Der Kunststoff auf dem Armaturenbrett fühlt sich gut an, die weich bezogenen Armlehnen und Tür-Innenverkleidungen im Ellenbogenbereich ebenfalls. Wie üblich beginnt auf Handschuhfach-Höhe das Hartplastik. Ein Peugeot 308 wirkt schicker, ein Hyundai i30 solider. Der Mégane setzt keine Maßstäbe in der Klasse, Anlass zur Mäkelei gibt es aber nicht. Infotainment: Ganzheitliches SystemEin Schalter, alle Funktionen. Im Mégane verstellt man mit "Multi-Sense" auf Knopfdruck Lenkung, Ansprechverhalten und Klang des Motors. Kennen wir von fast allen Herstellern. Doch Renault geht eine Spur weiter: Auch die Innenraum- und Cockpitbeleuchtung oder der Massagesitz (so vorhanden) werden anpasst. Die schlechte Nachricht: Man muss etwas Zeit investieren, um alles seinem persönlichen Geschmack anzupassen. Die gute Nachricht: Man kann es. Lästig fanden wir, dass nach der Wahl des Fahrmodus der Auswahl-Bildschirm erst weggeklickt werden muss. Quelle: MOTOR-TALK Renault bietet das Infotainment R-Link 2 mit großem (7 Zoll) und mit sehr großem (8,7 Zoll) Bildschirm an. Beim Testwagen saß die Topvariante hochkant im Armaturenbrett. Rechts daneben sitzen einige Schaltflächen für die Lautstärke, das gekoppelte Smartphone oder um den Home-Bildschirm direkt anzuwählen. Links daneben, also auf der Fahrerseite wäre schöner gewesen. Die Menüstruktur ist auf der oberen Ebene leicht verständlich, die Bedienung per Tippen, Wischen oder Fingerzoom funktioniert intuitiv. Große Schaltflächen fürs Navi, die Musik oder Fahrdaten erschließen sich sofort. Wer tiefer in die Menüs einsteigt, findet sich nicht mehr so leicht zurecht, dafür aber viele Möglichkeiten, sich seine Homescreens nach Wunsch anzupassen. Die Verbindung mit dem Smartphone per Bluetooth funktioniert tadellos. Das Musik-Streaming über Google Play wollte nur mit einem Android-Telefon gelingen, nicht aber per iPhone. Eine Einschränkung, die wir bislang bei keinem anderen Hersteller fanden. Android Auto oder Apple Carplay kann R-Link 2 nicht, Renault bietet aber über den eigenen R-Link-Store einige Apps an. Assistenzsysteme: Übereifrige ParkpiepserAb der Ausstattung "Intens" baut Renault das Safety-Paket mit Fernlichtassistent, Spurhalte-Warner und Verkehrszeichenerkennung ein. Für den Notbremsassistenten und den Abstandswarner werden 300 Euro berechnet – unabhängig vom Ausstattungsniveau. Beide sind im „Safe-Cruising-Paket“ für 690 Euro enthalten, dazu noch der adaptive Tempomat (ACC). Leider funktioniert der nur zwischen 40 und 140 km/h. Wer schneller fahren will, muss selbst Gas geben. Die Abstimmung des Abstandstempomaten kann allerdings noch etwas Feinarbeit vertragen. Gelegentlich fuhr unser Mégane etwas unwirsch an den Vorausfahrenden heran, um dann relativ plötzlich abzubremsen. Dafür gibt das Auto schon beim Blinkersetzen artig Gas, wenn man überholen will. Deutlich zu diensteifrig fanden wir den Einparkpiepser. Wir sind in der Hinsicht Kummer gewohnt, der Mégane toppt aber selbst die übervorsichtigsten Autos. Aus dem Nichts fängt er manchmal an zu piepsen, obwohl sich weit und breit kein Auto in der Nähe bewegt. Antrieb/Getriebe: Unharmonisches EDCDer kleine 1,5-Liter-Diesel ist erwartungsgemäß kein Quell von Spritzigkeit oder Temperament. Er zieht gerade kräftig genug für die meisten Lebenslagen und macht unaufdringlich und laufruhig seine Arbeit. Das Geräuschniveau geht für einen Kompaktwagen absolut in Ordnung. Auch bei 160 km/h sind Unterhaltungen problemlos möglich. In der Stadt gefiel uns der Kompakte nicht so gut. Schuld ist das Doppelkupplungs-Getriebe EDC, das Renault ab der Ausstattung "Intens" im Mégane anbietet. Das schaltet beim Ausrollen oft zu früh runter, und bringt die Motorbremse ins Spiel, wenn man lieber auf sie verzichten würde. In Übergangsphasen zwischen Ausrollen und Halbgas meint man zudem die Kupplungen Flattern zu spüren. Insgesamt wirkt das EDC unharmonisch. Da braucht es definitiv Abstimmungsarbeit. Der Verbrauch geht mit ein bisschen Wohlwollen noch als akzeptabel durch. Im Berliner Stadtverkehr waren es bei vorsichtiger Fahrweise selten mehr als 6 Liter, mit ein bisschen Ampelglück auch mal weniger. Ähnlich sieht es auf der Autobahn aus, wenn man den Tempomaten nutzt – also kaum schneller als 140 km/h fährt. Fahrwerk/Lenkung: Bad VibrationsLandstraße hui, Kopfsteinpflaster pfui. Das Fahrwerk des Mégane gefiel uns auf sportlichen Ausritten richtig gut: straff, aber nicht unkomfortabel, gut ausbalanciert und mit genügend Rückmeldung von der Fahrbahn. Doch diese Verbindlichkeit wird ihm in der Stadt zum Verhängnis. Berliner Kopfsteinpflaster gefällt dem Fahrwerk so gut, dass es die gesamte Karosserie zum Mitschwingen anregt. Das dröhnt wie der Schädel nach einer Partynacht. Der Lenkung könnte eine Spur mehr Direktheit nicht schaden. Doch das gilt nur für den Landstraßenspaß. In der Stadt gefielen uns Übersetzung und Lenkgefühl tadellos. Nicht zu fest und nicht zu weich kommt man so prima durchs Verkehrsgewusel. Ausstattung/Preis: Viel Ausstattung für wenig GeldRenault verlangt mindestens 16.790 Euro für den Mégane mit 100-PS-Benziner und Basisausstattung. Dafür bekommt man bei Peugeot nicht mal den 82-PS-308 und bei VW gerade mal den 90-PS-TSI – im Polo. Der getestete Mégane dCi 110 steht ab 21.190 Euro in der Liste. Die serienmäßige "Experience"-Ausstattung bringt immerhin 16-Zoll-Räder, Lederlenkrad, DAB-Radio und auch hinten elektrische Fensterheber mit. Zusätzlich zur Klimaanlage, zum Tempomaten und Bluetooth- sowie USB-Anschluss. Ein solider Grundstock. Wir würden dazu mindestens noch das Safety-Plus-Paket mit Notbremse und Abstandswarner für 300 Euro nehmen oder besser gleich das Safe-Cruising-Paket mit ACC für, wie erwähnt, 690 Euro. Allerdings geht das nur in Verbindung mit der "Intens"-Ausstattung. Vermutlich sowieso die beste Wahl. Für 23.690 Euro gibt es 16-Zoll-Alus, Einparkhilfe hinten, Fernlichtassistent, 2-Zonen-Klimaautomatik, Licht- und Regensensor, das Infotainmentsystem R-Link 2 mit Online-Diensten und 7-Zoll-Touchscreen sowie das Safety-Paket (Fernlichtassistent, Spurhalte-Warner, Verkehrszeichenerkennung). Fazit: Guter Motor, schönes FahrwerkUns hat er anfangs ein bisschen genervt, der Renault Mégane. Vor allem wegen zu viel Blingbling im Innenraum. Den Trend hat Renault nicht erfunden, setzt ihn aber eine Spur zu aufdringlich um. Das muss man mögen - oder sich besser mit dem System auseinandersetzen und es entsprechend anpassen. Wer das erledigt hat, findet im Mégane einen soliden Kompakten und viel Gegenwert fürs Geld. Außerdem einen mit einem feinen Fahrwerk und einem sehr guten kleinen Diesel. Nur die Steuerung des Doppelkupplungsgetriebes scheint Renault nicht wirklich im Griff zu haben. Da sollten die Techniker nochmal ran. 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