Berlin – Wenn es um Supersportler geht, denken viele Hersteller klassisch. Kleines Gewicht, großer Motor, nur zum Teil mit Turbos. Honda macht es anders. Und ist damit ganz allein: Der NSX ist der einzige Vollhybrid in seiner Klasse. Eine Klatsche für alle, die sich wenig trauen und jetzt nur staunen können. Denn der NSX funktioniert ausgezeichnet.
Die Industrie beobachtet den schnellen Honda ganz genau. Hochrangige Entwickler anderer Marken schwärmen unter der Hand von seiner Abstimmung und dem Gesamtkonzept. Honda hat mit viel Aufwand vier Motoren synchronisiert. Sie arbeiten perfekt zusammen, liefern höllisch viel Leistung und verbrauchen wenig Sprit.
Wir waren mit Hondas Zweisitzer unterwegs, fuhren auf Straße und Rennstrecke, absolvierten Alltag und Autotreffen. Negativ aufgefallen sind wir nie – ein Kunststück mit einem 200.000-Euro-Sportler in Berlin. Was wir sonst erlebt haben und wie sich der NSX schlug, lest Ihr in unserer Detailwertung.
Abmessungen | Platzangebot | Karosserie
Der Klappenauspuff des NSX komponiert tollen Sound. In den scharfen Modi stimmen die Elektromotoren gut hörbar mit ein Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK
Der NSX sortiert sich selbstbewusst in ein wirklich schnelles Segment. In Preis, Leistung und Größe ähnelt er Porsche 911 Turbo, Ferrari 488 und dem Duo aus Audi R8 und Lamborghini Huracan. Viel Technik reduziert im NSX den bewohnbaren Raum auf das Nötigste: Zwei Stühle, ein winziger Kofferraum. Mehr Platz gibt es nicht. Mehr ist allerdings in einem Sportwagen kaum nötig.
Honda baut bequeme Sitze ein und lässt für die meisten Menschen genug Luft am Haupthaar, trotz einer Fahrzeughöhe von einem Meter zwanzig. Der Sitzfläche fehlt allerdings eine Höhenverstellung. Kleine Piloten können nicht richtig über das Lenkrad schauen, große lehnen sich weit nach hinten. Eine Tiefenverstellung des Volants wäre hilfreich. Honda spart sie ein.
Zwei Personen haben viel Platz und sitzen gemütlich im NSX, auch auf langen Strecken. Becherhalter gibt es nicht, aber eine clevere Ablage für das Smartphone und ein klug konstruiertes Fach am hinteren Ende des Mitteltunnels. Unter der Fronthaube gibt es keinen Stauraum, hier sitzen Elektromotoren und Kühlung. Ins Heck passt Handgepäck. Toll: Weit abstehende Spiegel sorgen für eine gute Übersicht.
Innenraum | Verarbeitung | Materialien
Bei der Gestaltung des Cockpits macht sich Honda viel Mühe. Klar: Lambo- und Ferrari-Kunden sollen sich im NSX wohlfühlen. Auf Sitzen, Verkleidungen und Armaturenbrett spannen Leder und Alcantara, optional kommen Teile aus Carbon ins Auto. Ergonomie und Haptik stimmen, Funktionen sind klug sortiert, Schalter übersichtlich angeordnet.
Optional: Keramik-Bremsanlage für 11.500 Euro Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK
Abzüge gibt es im Kofferraum. Die Motorhitze strahlt stark in das kleine Fach, für Lebensmittel wird es auf kurzen Strecken zu warm. Nicht schön, mit Blick auf das Package aber verständlich. Wirklich ärgerlich ist der starke Geruch nach Zwei-Komponenten-Kleber, der sich sofort im Gepäck festsetzt. Dort Verstaute Jacken erinnerten uns noch zwei Tage später an den NSX.
Infotainment | Radio | Konnektivität
Zurück ins Cockpit: Ein Touch-System übernimmt die Steuerung der Infotainment-Funktionen. Hier dürfte Honda gern mehr Liebe investieren. Die Grafiken sind überholt, insgesamt wirkt das Gerät nicht besonders modern. Dafür funktioniert die Handy-Anbindung problemlos. Viele Funktionen sind in das Lenkrad integriert.
Die wichtigsten Infos kommen ohnehin vom Kombiinstrument. Zentrales Element ist der Drehzahlmesser, die Geschwindigkeit zeigt der NSX als Zahl an. Je nach Fahrmodus verändert sich der Umfang der Anzeige: Ab „Sport+“ ergänzt das System ein Instrument für die Öltemperatur. Ladestand der Batterie und ihre aktuelle Aufgabe (Laden oder Strom abgeben) werden ständig angezeigt. Alles ist auf einen schnellen Blick klar erkennbar.
Assistenzsysteme | Sicherheit
Der NSX ist ein Fahrerauto. In dieser Funktion will er gefahren werden, nicht selbst fahren. Autonomie ist nicht an Bord. Honda beschränkt die Unterstützung auf Parkpiepser, Rückfahrkamera und einen Tempomat. Gut so, gefehlt hat uns nichts.
Antrieb | Motor | Getriebe
LED-Lampen gibt es im NSX serienmäßig. Gutes Licht leider nicht Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK
Das gleiche gilt für den Motor. Beinharte Benzindampfinhalierer mögen auf mindestens acht Zylinder bestehen, vorzugsweise frei atmend. Der Honda zeigt derweil eindrucksvoll, wie schnell und schön Fortschritt sein kann. Auch wenn das bedeutet, dass die Technik höchst komplex und verdammt kompliziert wird.
Die Eckdaten: Ein 3,5-Liter-V6 mit zwei Turbos und 507 PS leitet seine Kraft über ein Neungang-Doppelkupplungsgetriebe an die Hinterachse. Zwischen Verbrenner und Getriebe sitzt ein wassergekühlter Elektromotor. Er arbeitet als Generator, Anlasser oder Unterstützer. Zwei weitere Elektromotoren an der Vorderachse steuern unabhängig voneinander die Vorderräder an. Ein beeindruckendes Konstrukt!
Die Kunst besteht hierbei weniger in der Unterbringung aller Elemente. Wichtiger ist, wie sie zusammenarbeiten. Im Normalfall generiert der NSX beim Bremsen Strom, wenn der Akku fast leer ist auch über den Verbrenner. In den sportlichsten Modi lädt der NSX die Batterie immer voll, wenn gerade Leistung übrig ist – und nimmt sich den Strom, wenn er Power braucht.
Über diese Technik eliminiert Honda jegliche Verzögerung im Antriebsstrang. Das Paket spricht spontan an wie der obengenannte Sauger, dreht bis siebeneinhalb, liefert aber früh sein volles Moment. Das eng gestufte Doppelkupplungsgetriebe arbeitet flott und findet zielsicher den richtigen Gang.
Blick in den Innenraum des NSX: Viel Leder und Alcantara, optionales Carbon Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK
Damit lässt es sich herrlich schnell fahren. Aber eben auch ganz normal. Sanftes Gleiten im Straßenverkehr funktioniert rein elektrisch. Unser Rekord: Fast drei Kilometer weit blieb der Verbrenner aus. Die Übergänge zwischen den Motoren lassen sich perfekt mit dem Gas dosieren, alle Antriebe fügen sich nahtlos ineinander. Sobald der NSX Sport wittert, springt der V6 automatisch an, zum Beispiel bei starkem Bremsen oder schnellen Lenkbewegungen.
Wer sich ein bisschen beherrschen kann, schafft im NSX problemlos den angegebenen NEFZ-Verbrauch von glatt zehn Litern. Wer sich nicht beherrschen möchte, der spürt gewaltige Kraft. Und entdeckt tolle Klänge: Auf Attacke getrimmt saugen die Elektromotoren beim Bremsen gierig Tempo ein und generieren pfeifend Strom. Dazu ein heiserer Sound des V6 mit kurzen Abgaswegen, das Atmen der Lader und unartiges Prötzeln beim Schalten.
Fahrverhalten | Fahrwerk | Lenkung
Das Antriebspaket bringt viel Gewicht ins Auto. Vier Motoren und ein Akku (1,3 kWh) erhöhen die Leermasse auf rund 1.850 Kilogramm (mit Fahrer). Die Konkurrenz wiegt sogar ohne Dach weniger, obwohl Honda durch Carbon-Monocoque, Alu-Struktur, Keramik-Bremsen (optional) und den kleinen Verbrenner viel Gewicht einspart.
Dass der NSX Elektro-Speck angesetzt hat, merkt man ihm nicht an. Denn es ist genau dieser Speck, der ihn so toll durch Kurven fahren lässt. Ein Elektromotor beschleunigt gezielt das äußere Rad, das innere bremst. So zieht sich die Vorderachse selbst in Lenkrichtung, der schwere Sportler bewegt sich grazil wie ein ganz leichter um den Knick.
Feine Stoffe und sichtbare Nähte sollen Kunden der Konkurrenz überzeugen Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK
Dabei vermittelt das gesamte Auto viel Gefühl. Federn und Dämpfer übermitteln den Zustand der Fahrbahn, Lenkung und Bremse informieren über die Vorderachse. Alle Bewegungen lassen sich fein dosieren. Trotzdem darf man nicht vergessen: Der NSX ist kein klassischer Allrad-Sportler. An der Vorderachse kommt vergleichsweise wenig Kraft an.
Insgesamt 74 Elektro-PS unter der Fronthaube genügen nicht, um das ganze Auto im Allrad-Stil aus der Kurve zu ziehen. Schon gar nicht, wenn rund 500 PS von hinten schieben. Wer aggressiv fährt, der provoziert das Heck, auch bei höherem Tempo. Mit abgestellten Helfern zuckte unser NSX bei 140 km/h mit dem Hintern. Im Ansatz spürt man das sogar in zahmeren Fahrmodi. Beherrschen lässt er sich trotzdem immer. Am schnellsten waren wir mit sauberer Linie und braver Fahrweise.
Nur in einer Situation stellten wir beim Hybrid-Prinzip des NSX Nachteile gegenüber klassischen Sportlern fest. Beim schnellen Wechsel von Bremse aufs Gas gönnt sich der Honda eine kurze Gedenksekunde. Vermutlich hängt das mit der Umstellung von Rekuperation auf Boost zusammen. In der Kurvenmitte verloren wir dabei Schwung. Alle anderen Übergänge meisterte der NSX problemlos.
Sehr beeindruckend: Das Bremspedal arbeitet ohne mechanischen Kontakt zum Bremssystem, steuert elektrisch Reibbremse und Rekuperation. Diese Funktionsweise lässt sich kaum erfahren, der NSX fühlt sich hier ganz normal an. Druckpunkt, Dosierbarkeit und Übergänge sind ausgezeichnet eingestellt.
Der Motor sitzt hinter der Fahrerkabine, das Getriebe an der Hinterachse Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK
Ganz nebenbei funktioniert der NSX als normales Auto tadellos – abgesehen vom Platz, versteht sich. Er federt komfortabel genug für den Alltag und rollt erstaunlich leise ab. Sein „Silent“-Modus freut die Nachbarn und entspannt im Stau.
Ausstattung | Preis | Fazit
Der NSX bedeutet für Honda: Technischer Fortschritt. Generation eins kam mit einer Alu-Karosserie, elektrischer Servolenkung und einem Hochdrehzahl-V6 mit elektrisch gesteuerter Drosselklappe. Sein Nachfolger setzt diese Geschichte fort. Er bringt Elektromotoren in ein Segment, das bisher nur mit Benzin fährt. Große Hersteller setzen Hybride erst eine Klasse höher ein.
Trotz kleiner Abzüge liefert Honda ein tolles Auto ab. Der NSX fährt spontan, gefühlvoll und verdammt schnell. Im Kapitel Verbrauch steckt er die gesamte Konkurrenz ganz locker in die Tasche. Sein Konzept ist mutig und modern, die Abstimmung eine Meisterleistung. Wir halten den NSX für den aktuell interessantesten Sportler in seinem Segment.
Ohne Sonderausstattung kostet der Honda NSX 191.000 Euro. Kein Schnäppchen, aber sehr konkurrenzfähig. Das Navi (2.300 Euro) muss nicht unbedingt ins Auto, den 7-Zoll-Touchscreen sowie Apple Carplay und Android Auto gibt es serienmäßig. Auf Carbonteile am Motor (3.900 Euro), im Innenraum (3.200 Euro) und an der Karosserie (9.800 Euro) sowie der Alcantara-Himmel (1.500 Euro) könnten wir ebenfalls verzichten.
Für die elektrischen Ledersportsitze (1.800 Euro) und die Keramikbremse (11.500 Euro) gibt es hingegen eine Empfehlung. Wenn es regelmäßig auf die Rennstrecke geht, dürfen zusätzlich noch Semislicks auf die 19- (vorne) bzw. 20-Zöller (hinten). Den serienmäßigen Sommerreifen wird es zu warm, wenn man sie zu sehr fordert.
Technische Daten Honda NSX
- Motor: 3,5-Liter-V6-Turbobenziner, drei Elektromotoren
- Leistung Verbrenner: 507 PS (373 kW) bei 6.500 – 7.500 U/min
- Leistung Elektromotoren: 35 kW (48 PS) bei 3.000 U/min (hinten); 2 x 27 kW (2 x 37 PS) bei 4.000 U/min (vorn)
- Systemleistung: 581 PS
- Drehmoment Verbrenner: 550 Nm bei 2.000 – 6.000 U/min
- Drehmoment Elektromotoren: 147 Nm bei 500 – 2.000 U/min (hinten); 2 x 73 Nm bei 0 bis 2.000 U/min (vorn)
- Systemdrehmoment: 646 Nm bei 2.000 – 6.000 U/min
- Getriebe: 9-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
- Verbrauch (NEFZ): 10,0 l/100 km
- CO2-Ausstoß: 228 g/km
- Testverbrauch: 9,8 l/100 km
- 0 – 100 km/h: ca. 3 s
- Höchstgeschwindigkeit: 308 km/h
- Länge: 4,487 m
- Breite: 1,939 m (mit Außenspiegeln: 2,217 m)
- Höhe: 1,204 m
- Radstand: 2,630 m
- Gewicht: 1.847 kg
- Kofferraumvolumen: 110 l
- Preis Honda NSX: ab 191.000 Euro
- Preis Testwagen: 225.000 Euro