BMW komplettiert die M6-Reihe: Nach Coupé und Cabriolet kommt das M6 Gran Coupé. Ein 560 PS starkes Flaggschiff mit vier Türen, das nur ein Problem hat. Es kann vor Kraft kaum fahren.
München – Vor etwa elf Jahren erzählte mir mein Fahrlehrer, dass ich bei ihm „Fahren in allen Situationen“ lerne. Auch bei hohen Geschwindigkeiten. Er hielt sein Versprechen: Auf meiner Autobahn-Sonderfahrt durfte ich den Fahrschul-Passat ausreizen. Damals fühlte ich mich bei über 200 km/h wie der schnellste Mensch auf Erden. Kurze Zeit später hielt ich meinen Führerschein in den Händen. Seitdem gebe ich mich gelegentlich dem Geschwindigkeitsrausch hin. BMW M6 Gran Coupé: Höchstgeschwindigkeit 305 km/hQuelle: BMW Irgendwann wollte ich dann die 300-km/h-Marke knacken. Mit dem M6 bekam ich die Möglichkeit dazu. Eigentlich limitiert BMW die Höchstgeschwindigkeit des M6 Gran Coupé auf 250 km/h. Doch mit dem M Driver’s Package fällt die Sperre und das Max-Tempo steigt auf 305 km/h. Möglich macht das ein doppelt turbogeladener Achtzylinder mit 4,4 Litern Hubraum: Mit variablem Ventilhub und einem zylinderbankübergreifenden Turbokrümmer leistet der Motor 560 PS und 680 Newtonmeter. Ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe leitet die gesamte Kraft auf die Hinterachse. Trotz 1.875 Kilogramm Leergewicht kann der M6 vor Kraft kaum fahren. Zwischen Grip und Drift stehen nur Gummi auf knapp 60 Zentimetern Breite – und das Stabilitätsprogramm ESP. Wenn Temperatur und Straßenverhältnisse stimmen, sprintet der Viertürer in 4,2 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Wenn nicht, reibt sich die Leistung an der Kontrollelektronik auf. Ein bisschen Nässe auf dem Untergrund genügt, um permanent gebremst zu werden. ESP ist mein FreundLangsam taste ich mich an die Möglichkeiten des 128.800-Euro-Coupés heran. Ich streichele das Gaspedal nicht mehr, sondern benutze es. Zwischen 1.500 und 5.750 Touren presst mich das volle Drehmoment in den Sportsitz, die Hinterräder kämpfen um Traktion. Immer wieder unterbricht das ESP meinen Sprint, nimmt Kraft von der Achse und beruhigt das Heck. Selbst auf trockener Straße würde mich der M6-Hintern wahrscheinlich überholen, wenn ich ohne elektronische Helfer Vollgas geben würde. Natürlich kann man es auch komplett deaktivieren. Muss man aber nicht. Belustigend wie beängstigend zugleich ist, dass man dem M6 seine Fahrleistungen kaum ansieht. Karbondach, ausladende Schürzen und vier Endrohre wirken im Gesamtbild elegant. Wie das viertürige Quelle: BMW Coupé (BMW nennt das so, nicht wir) überhaupt sehr fein aussieht. Innen und außen. Ich sitze auf feinem Leder mit weißen Kontrastnähten, umgeben von Alcantara und bespielt vom Sound der verdammt teuren Audio-Anlage. BMW M6 Gran Coupé: So schwer fühlt er sich nicht anIch bewege den M6 zügig durch kurvige Landstraßen, immer bemüht, nicht auf die Ideallinie auszuweichen. Obwohl das M6 Gran Coupè schwer wie ein Elefant ist, fährt es sich leichtfüßig wie eine Gazelle. Die Karosserie wankt kaum. Schon beim Warmfahren hatte ich Mühe, den angegebenen Durchschnittsverbrauch von 9,9 Litern nicht zu überschreiten. Sobald die Turbolader auf Drehzahl kommen, ist diese Aufgabe unmöglich. Die Einspritzventile verteilen 14 Liter Kraftstoff pro 100 Kilometer in den Brennräumen, jeder einzelne Tropfen lässt meine Mundwinkel nach oben zucken. Dabei reize ich das Coupé nicht mal. Freie Fahrt für den freien BMWHeute fährt außer mir kaum jemand Richtung München. Ich wähle die linke der drei Spuren, überhole ein paar LKW und habe schließlich freie Fahrt. In Quelle: BMW 8,5 Sekunden beschleunige ich von Tempo 100 auf 200. Die Geschwindigkeit fühlt sich viel langsamer an als damals im Passat. Trotz rahmenloser Scheiben hört man im Innenraum nichts. Außer den Klang der Anlage. Mein rechter Fuß bleibt am Gas. Drehzahl und Geschwindigkeit steigen, ich überschreite die 250-km/h-Grenze. Hier regeln normale Limousinen ab, der M6 beschleunigt weiter. Auch jenseits der 270 zeigt er keine Schwäche. Ich blicke schon lange nicht mehr auf den Tacho, die Straße braucht meine volle Konzentration. In einer halben Sekunde Unachtsamkeit würde ich fast 40 Meter blind zurücklegen. Das head-Up-Display kann hier und jetzt gerade punkten. Ab 290 kämpft der M6 mehr mit dem Wind als mir lieb ist. Der Widerstand steigt exponentiell. Es geht weiter, vorwärts, dem Temporausch folgend. Dann zeigt das Tacho als erste Ziffer eine 3. Ich bin der schnellste Mensch der Welt. Die Geschwindigkeit sinkt, der Puls bleibt schnellGenug gerast, Fuß vom Gas. Adrenalin durchflutet meinen Körper. Die Motorbremse genügt, um den M6 in wenigen Sekunden auf Tempo 140 zu drosseln. Im Notfall hätten Sechskolben-Festsättel und 400er-Keramik-Scheiben das Coupé brachialer verzögert. Ruhig gleite ich die letzten Kilometer zu meinem Ziel. Der M6 zeigt sich souverän an seiner Leistungsgrenze. Der Verbrauch und mein eigenes Gefühl für Sicherheit empfehlen mir künftig ein langsameres Reisetempo. Wahre Stärke bedeutet ja, sie zu haben, ohne sie zeigen zu müssen. Update: Hier gibt es News zum Gran Coupé Facelift 2015. BMW M6 Gran Coupe: Technische Daten
Quelle: MOTOR-TALK |