Crashtests wie der von Euro NCAP sind wichtig, decken aber nicht jedes Risiko im Verkehr ab. Das behauptet Volvo und lässt einen XC90 abheben. Wir waren dabei.
Göteborg/Schweden – Morgens, halb zehn in der trüben Dämmerung von Südschweden. Weit weg sind die Gedanken an Milchwaffeln, zumindest hier, neben diesem kahlen Erdwall. Eine Zuschauertribüne aus Baugerüst, ein kleiner Graben, eine lange, schmale Halle. „Wir haben hier einen typischen schwedischen Straßengraben nachgebaut“, sagt Thomas Brodberg. In diesen Graben rast gleich ein neuer Volvo XC90. Mit 80 Kilometern pro Stunde – „ein häufiges Unfallszenario, wenn ein Auto von der Landstraße abkommt“, erklärt Brodberg, Leiter des Sicherheitszentrums hier bei Volvo in Torslanda. Solche Tests werden hier oft durchgeführt. Das Abkommen von der Straße sei eine häufige Unfallursache, sagt Volvo – sei es wegen Ablenkung, Müdigkeit oder schlechtem Wetter. In den USA lasse sich die Hälfte aller Unfalltoten darauf zurückführen. Allerdings gibt es nirgendwo auf der Welt offizielle Testszenarien dafür, sagen die Schweden. Oder gar Vorschriften, die fordern, dass ein Auto seine Insassen in so einer Situation schützt. Hier winken keine Sterne„Wenn wir solche Unfälle erforschen und dafür Lösungen entwickeln, bekommen wir keine Sterne im Crashtest“, sagt Brodberg. Offizielle Crashtests seien zwar wichtig, sie bilden aber nur einen Teil der Unfallgefahren auf der Straße ab. Deshalb ist "Volvos Sicherheitsphilosophie seit Jahren nicht auf Testnoten fixiert, sondern auf die Passagiere". Das schrieb der schwedische Hersteller 2005 konsterniert an die amerikanische Test- und Versicherungsorganisation IIHS. Der Grund: Unter den von der IIHS gewählten "sichersten Autos auf dem Markt" war kein Volvo zu finden. Zurück zum Crash: Was hier in Schweden nur dem Dummy wehtut, kann im wahren Leben schwer verletzen oder sogar töten. Bei einem solchen unfreiwilligen Abflug wirken die Kräfte aus vielen, kaum berechenbaren Richtungen auf zerbrechliche Menschenkörper. Diese Kräfte simuliert Volvo mit einem Fahrersitz, an dem ein Industrieroboter befestigt ist. Ein Stahlteil absorbiert die Energie Der eigentliche Clou steckt unter dem Sitz: In der Aufhängung befindet sich ein kleines Stahlteil, das sich verformt, wenn starke Kräfte darauf einwirken. Eine Art Knautschzone für die Wirbelsäule. Damit, sagt Jakobsson, verringere sich die Energie, die auf den Körper wirkt, um etwa ein Drittel. Genug, um schwere Verletzungen zu verhindern. Nach einem Crash müsse das Teil erneuert werden, aber "das ist dann bei der Reparatur das kleinste Problem". Die Dummys können wir an diesem Morgen nicht nach ihrer Wirbelsäule fragen. Bis auf ein paar Kratzer sei ihnen nichts passiert, behauptet Thomas Brodberg. Für den Schweden ist klar: Die hauseigene Unfallforschung schreibt mit diesen Entwicklungen Volvos stolze Geschichte beim Thema Sicherheit weiter. Selbstbewusst wie Zlatan Das schließt aber nicht aus, dass man bei Volvo in Torslanda irgendwann einmal eine offizielle Sicherheitseinstufung erneut für komplett falsch halten könnte. Denn bei der Sicherheit sind sie dort selbstbewusst. Vielleicht entschied sich Volvo deshalb, viel Werbegeld in Schwedens Fußball-Legende Zlatan Ibrahimovic zu investieren. Für Sicherheit steht Zlatan zwar nicht. Aber für Selbstbewusstsein. Kostprobe: "Ich bin so perfekt, dass es mich amüsiert." Hier die Videos zum Crashtest Unvergessen ist natürlich der legendäre weil missratene öffentliche Anti-Crash-Test von Volvo im Jahr 2010. Damals sollte ein S60 automatisch und ohne Einwirkung des Fahrers vor einem Hindernis (Lkw) abbremsen. Der Test misslang vor den Augen der versammelten Journalistengruppe, der S60 crashte ins Hindernis.
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