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Classic Driving News

Vom Kuhstall zum Wirtschaftsmotor

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125 Jahre Automobil - 2011 ist es soweit. Kaum eine andere Geschichte ist emotional so aufgeladen und steckt voller Überraschungen wie die des Automobils. Entworfen in Kuhställen, entwickelt sich das Auto schnell zum wichtigen Wirtschaftsmotor - und ist es bis heute.

Das Auto ist der Deutschen liebstes Kind, der Spruch ist bekannt. Auch bekannt ist, dass in dieser Floskel mehr Wahrheit steckt, als viele meinen. Spätestens seit der Nachkriegszeit und der durch das Wirtschaftswunder realisierten Massenmobilisierung gehört das Automobil zu den leidenschaftlichsten Themen - natürlich nicht nur der Deutschen. Doch gerade hierzulande freut man sich, im Jahr 2011 ein großes Jubiläum feiern zu können: 125 Jahre Automobil. Besonders in der Autostadt Stuttgart laufen die Planungen für zahlreiche Veranstaltungen auf Hochtouren.

Zeit für einen Rückblick. Wikipedia listet weit über 3.600 verschiedene Automarken auf, andere sogar mehr als 8.300 - wenn man einen kurzen Überblick über 125 Jahre Automobil-Geschichte geben möchte, muss man sich zwangsläufig auf einige wichtige Eckpunkte konzentrieren. Denn diese spannende Geschichte steckt voller Überraschungen, Irrungen und Wirrungen und so viel Emotionalität wie nur wenig anderes.

Wer hat das Automobil erfunden?

Am Anfang steht das Wort, im Falle des Automobils allerdings die Idee, ein rollendes Fortbewegungsmittel mit einem Antrieb zu versehen. Schon Leonardo Da Vinci, der Mann der Zukunft im Mittelalter, zeichnet Fahrzeuge, die selbständig fahren können. Natürlich haben diese Idee im Laufe der Jahrhunderte mehrere, allein es fehlt die Umsetzung der Theorie in die Praxis. Doch dann, im 19. Jahrhundert,  geht alles recht schnell - und die Geschichte der 125 Jahre Automobil beginnt. Dampfmaschine, Lokomotive, Verbrennungsmotoren - die Entwicklung der Individualmobilität nimmt gehörig Fahrt auf.

Viele Tüftler reklamieren die Erfindung des Automobils für sich. So hält sich hartnäckig die Meinung, das Siegfried Marcus schon 1870 ein erstes Automobil gebaut haben soll. Doch die Forschungsergebnisse von Historikern und Technikern der letzten Jahrzehnten haben ziemlich einstimmig den Motorwagen von Karl Benz (1844 bis 1929) als erstes Automobil in die ewigen Geschichtsbücher geschrieben. Am 29. Januar 1886 meldet er sein Fahrzeug mit der Reichspatentnummer 37435 an. Kurz danach folgen die Automobilpioniere Gottlieb Daimler (1834 bis 1900) und Wilhelm Maybach (1846 bis 1929) mit ihren Entwicklungen. Innerhalb weniger Monate umspannt die Begeisterung für die neue Fortbewegungsart die ganze Welt. In Frankreich präsentieren Louis Renault (1877 bis 1944) und Armand Peugeot (1849 bis 1915), in Österreich Ferdinand Porsche (1875 bis 1951) und in Dänemark Albert Hammel (1835 bis 1903) ihre Automobile innerhalb der 1880er-Jahre.

Der nächste riesige Schritt der 125 Jahre Automobil kommt dann aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Henry Ford übernimmt 1913 die Fließbandfertigung für die Automobilproduktion, was nicht weniger als eine Revolution darstellt. Jeder Arbeiter führt nunmehr nur wenige Handgriffe, dafür aber in einer hohen Geschwindigkeit, aus. Das Automobil durchläuft während seiner Fertigung mehrere Stationen. So wird die Effektivität und die Produktionsgeschwindigkeit deutlich erhöht - und die Autos immer günstiger. Die Massenfertigung kann beginnen.

Vom Benzin- und Elektroantrieb

Was nun kommt, ist die Eroberung des Erdballs durch motorisierte Fahrzeuge. Ausgehend von Europa und Amerika werden alle Erdteile mit Produktionsanlagen und Tankstellen überzogen. Dabei ist von Anfang an gar nicht klar, welche Antriebstechnik sich durchsetzen wird. Denn die Entwicklung des Elektroautos setzt mit einem Geschwindigkeitsrekord schon 1900 ein Glanzlicht. Camille Jenatzy durchbricht 1899 mit seiner zigarrenförmigen La jamais contente (Die niemals Zufriedene) als Erster die 100 km/h-Marke. Auch Ferdinand Porsche experimentiert erfolgreich mit Elektromotoren als Antrieb - er entwickelt mit dem Lohner-Porsche das erste Elektroauto mit Allradantrieb und mit dem Mixte-Wagen das erste Hybridfahrzeug.  

Doch bald entscheiden ganz andere Entwicklungen die Zukunft der Antriebstechnik. Der aufkommende Weltkrieg erfordert hohe Reichweiten, einfache, zuverlässige Technik und relativ leichte Fahrzeuge. Der Elektroantrieb verschwindet von der Bildfläche - zunächst.

Das Wirtschaftswunder überschwemmt Deutschland mit Kleinwagen

Benzin- und Dieselmotoren setzen sich durch, in Ermangelung des Treibstoffs gibt es noch (wiederentdeckte) Zwischenlösungen mit Holzvergaser. Nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings nimmt die Entwicklung der zivilen Fortbewegung ein ungleich höheres Tempo auf. Jeder halbwegs Begabte kann ein eigenes Unternehmen gründen. Die Zahl der Automobilhersteller nimmt exponentiell zu. Die so geheißene Wirtschaftswunderzeit bringt viele Unternehmen hervor, die meisten davon gehen auch schnell wieder unter, einige halten sich jedoch wacker - und haben nicht zuletzt die richtigen Modelle im Angebot. Das Motto heißt dabei oft: Je größer, je besser. So gilt es auch heute noch, denn jede neue Generation eines Modells überragt den Vorgänger.

Nach "schneller, größer, schwerer" kommt "kleiner, leichter, geladener"

Doch halt, da gibt es in den letzten Jahren eine antizyklische Entwicklung, losgetreten durch Minimalautos wie den Smart. Die Verstädterung raubt Parkraum und Nerven der Autofahrer, viele Mega-Citys machen sich unter einer Smog-Glocke immer breiter. Als Lösung wird die Reduktion gesehen. Kleinere Autos, weniger Verbrauch, statt großvolumiger Sechs- oder Achtzylinder lieber aufgeladene Vier- oder Dreizylinder - die Automobilgeschichte steckt auch heute noch voller Überraschungen. Auch der Elektroantrieb wird als schadstoffarme Antriebstechnik wiederentdeckt und bereits als die Technik der Zukunft proklamiert. Die Entwickler stehen allerdings vor der gleichen Herausforderung wie vor mehr als 100 Jahren: Wie die Energie transportieren? Bevor das Reichweitenproblem nicht gelöst ist, ist auch der gute alte Verbrennungsmotor noch nicht am Ende seiner Laufbahn.  

Wohin es geht, entscheiden die Entwicklungsabteilungen der Hersteller - und am Schluss der Konsument, wie der Erfolg des Toyota Prius beweist. Seine Ökobilanz stellt ihn nicht gerade als Paradebeispiel für den Hybridantrieb dar, doch die steigenden Absatzzahlen signalisieren ein verändertes Käuferverhalten und eine Sensibilität für das Thema Umwelt und Emissionsreduzierung. Wie wir uns in der Zukunft fortbewegen und welche Antriebstechniken noch entwickelt werden, wartet noch auf Antworten - und das Thema Automobil bleibt auch die nächsten 125 Jahre eines der spannendsten.

 

Quelle: Motor Klassik

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