Oldtimer boomen schon länger, jetzt steigen auch die Preise für Youngtimer. Grund: Die meisten sind alltagstauglich, zudem günstig im Unterhalt und einfach zu reparieren.
Von Haiko Prengel Berlin - Um es mit den Worten des frisch gebackenen Nobelpreisträgers Bob Dylan zu sagen: I guess I was much older then, I'm younger than that now. Zu seiner Zeit hatte dieser Benz einen schweren Start. Kein Chromschmuck, Stoßfänger aus Plastik und ein rechter Außenspiegel nur gegen Aufpreis: Als der Mercedes 190 vor bald 35 Jahren vorgestellt wurde, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Kein richtiger Mercedes, mäkelten viele, und schmähten das schwäbische Vernunft-Limousinchen als „Baby-Benz”. Im Nachhinein verkaufte sich der 190er dann doch prächtig. Denn auf den zweiten Blick überzeugte er: Wegen der herausragenden Verarbeitung und der robusten Technik genießt der Urahn der heutigen C-Klasse heute einen ausgezeichneten Ruf. Was ihm aber kaum einer zugetraut hätte: Der Mercedes 190 – den nagelnden 200er-Diesel fuhren besonders gerne Landwirte – ist neuerdings ein begehrter Klassiker. „Der 190 ist stark im Kommen”, sagt Marius Brune von der Sachverständigenorganisation Classic Data. Alltagsauto von gestern: Wertanlage von morgen?Quelle: OpelDie Bochumer beobachten seit mehr als 30 Jahren die Preisentwicklung historischer Fahrzeuge. Gerade ist ihr neuer „Marktspiegel 2016/2017” erschienen, ein fast 800 Seiten dickes Kompendium mit Tausenden Fahrzeugmodellen. Oldtimer erfreuen sich weiter großer Beliebtheit – auch als Wertanlage, da man auf der Bank kaum noch Zinsen für sein Erspartes bekommt. Neu ist: Mittlerweile steigen etliche Youngtimer im Wert, die gestern noch unauffällige Alltagsautos waren. Lange hielten Autofans die chromlosen Aerodynamiker der 1980er und 1990er für wenig klassikertauglich – ein Irrtum. Zum Beispiel der BMW Z1. Der von 1989 bis 1991 in limitierter Stückzahl (8.000 Exemplare) gebaute Roadster war lange ein Geheimtipp, die Marktpreise blieben überschaubar. „Doch jetzt zieht der Z1 richtig an”, sagt Brune. Notierte Classic Data den offenen Sportwagen 2015 noch mit 36.500 Euro, stieg der durchschnittliche Marktpreis nun auf 53.400 Euro. Noch teurer ist der Z1 als rare und begehrte Alpina-Version. Nicht nur die Exoten aus der Wendezeit sind plötzlich gefragt. Auch frühere Brot- und Butter-Autos wie der VW Golf II oder der Polo II haben den Tiefpunkt ihrer Wertkurve erreicht und steigen im Wert. Als Coupé-Version etwa ist ein gepflegter Polo II heute nicht mehr unter 4.500 Euro zu bekommen – ganz schön viel Geld für ein Auto, das wegen seiner kargen Ausstattung schon damals eher etwas für Minimalisten war. Praktisch, sparsam, einfache TechnikDoch Kenner schätzen diese Fahrzeuge. Zum einen sind die Autos der späten 80er und frühen 90er Jahre – anders als viele Oldtimer – meist vollkommen alltagstauglich. Mit einem 75 PS starken Golf II kann man locker im Stadtverkehr mitschwimmen. Der Spritverbrauch ist oft moderat – die Autos wiegen wenig, und haben nur wenige Energieverbraucher wie die Klimaanlage an Bord. Und: Ende der 1980er kamen die ersten geregelten Katalysatoren. Aufs H-Kennzeichen muss für halbwegs erträgliche Steuersätze damit in vielen Fällen nicht mehr gewartet werden. Auch die Fahrverbote in Umweltzonen sind für solche Autos kein Problem. Ebenfalls wichtig: Youngtimer sind verhältnismäßig leicht zu reparieren. Die Bordelektronik und die Anzahl der Steuergeräte war vor 25 Jahren noch überschaubar, man braucht keinen Laptop anschließen, um Fehler auszulesen. Dafür ist ein Schweißgerät nützlich, an vielen Youngtimern nagt der Rost. Überhaupt darf man die Kosten für Unterhalt und Wartung nicht unterschätzen. Abgerockte Brot- und Butter-Autos am Leben zu erhalten, ist im Normalfall nicht wirtschaftlich. Die Pflege lohnt sich nur bei ganz speziellen Autos. Lieber GTI als Basis-GolfQuelle: Wikipedia | CC BY 2.5 | Photo: Frode Inge Helland Die Marktanalyse zeigt nämlich auch: Die Nachfrage nach grauen Mäusen mit Buchhalter-Ausstattung hält sich in Grenzen. Gefragt sind eher die Top-Versionen. Für einen Polo G40 (115 PS durch einen leistungssteigernden G-Lader) muss man inzwischen durchschnittlich 8.900 Euro hinblättern. Ein Golf GTI 16 V (Vierventil-DOHC-Motor mit 129 PS) kostet 7.200 Euro, für seinen damaligen Erzrivalen Opel Kadett GSi 16 V (Vierventil-DOHC-Motor mit 150 PS) zahlen Liebhaber inzwischen sogar 8.600 Euro. „Die Leute möchten sportlich fahren”, erklärt Marktexperte Marius Brune. Viele ältere Oldtimer sinken wieder im Wert. Bei schwach motorisierten Autos aus den 1950er und 1960er Jahren geht die Tendenz nach unten. Das betrifft einst durchaus populäre Marken wie Borgward oder Lloyd. „Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd”, sagte man damals im Volksmund über den Sicherheitsstandard der spartanisch konstruierten Autos. Vorkriegs-Autos: Fans sterben ausMit den 600 Kubikzentimetern und knapp 20 PS eines Lloyd Alexander fuhr man mit 80 Stundenkilometern auf der Autobahn. Heute fahren selbst 40-Tonner schneller. „Wenn Sie da mit Ihrem Lloyd auf der letzten Rille fahren, ist das kein schönes Gefühl”, sagt Brune. Zudem können die meisten Menschen mit 60, 70 Jahre alten Autos nicht mehr viel anfangen, erst recht nicht mit Vorkriegs-Oldies wie Opel Laubfrosch oder Ford Model T: Wer solche Gefährte in seiner Kindheit auf der Straße gesehen hat, ist heute in der Regel tot. Die Folge: Viele Uralt-Oldies verlieren an Wert. Bei ihnen beobachtet Classic Data einen stetigen Werteverfall – entgegen dem allgemeinen Trend auf dem Oldtimer-Markt: Alte Autos sind en vogue. Und neuerdings auch die noch nicht ganz so alten. Weitere Beispiele für begehrte Youngtimer findet Ihr in der Bildergalerie. (Alle Preise gelten für Zustand zwei, Vergleichsjahre 2015 und 2016) |