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Abgas-Skandal wandelt auch Stephan Weil - Vom Mittler zum Ermittler

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Wenn es beim VW-Abgas-Skandal einen Gewinner gibt, dann heißt er Stephan Weil. Niedersachsens Ministerpräsident hat an Format und Bedeutung gewonnen.

Stephan Weil hat seinen Humor auch in der Krise nicht verloren Stephan Weil hat seinen Humor auch in der Krise nicht verloren Quelle: picture alliance / dpa

Hannover/Wolfsburg - Seinen Humor hat Stephan Weil auch in der größten VW-Krise der Geschichte bislang nicht verloren. Wo immer der niedersächsische Regierungschef und VW-Aufsichtsrat in diesen Wochen auftritt, gibt er sich gut gelaunt, gelassen und nicht um einen lockeren Spruch verlegen. Ein Blick in seinen Alltag zeigt, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Denn gerade die vergangenen Wochen mit zahllosen Krisensitzungen und täglich neuen Hiobsbotschaften haben Kraft gekostet. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Am 9. November stehen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur die nächsten Treffen an vom VW-Aufsichtsrat und dessen Spitze, dem VW-Präsidium.

VW hat das Land Niedersachsen nie wirklich ernst genommen

Die Diesel-Manipulationen wirbeln aber nicht nur Weils Terminplan durcheinander - so musste der SPD-Politiker jüngst eine Afrikareise absagen. Auch seine Rolle in dem Kontrollgremium und die des Landes Niedersachsen als VW-Großaktionär haben sich seither massiv gewandelt.

"Die Landesregierungen kamen und gingen - und mit ihnen auch die VW-Aufsichtsräte", beschreibt ein Konzern-Insider das jahrelange Nebeneinander. Früher, in den Zeiten der VW-Rekordfahrten, habe der Konzern das Land nicht selten belächelt. Trotz des Vetorechts, das Niedersachsen als Großeigner bei VW hat, galt es vielen Managern doch eher als zahmes Anhängsel, das irgendwie immer mitlief, wenn nicht gerade Stürme wie die Porsche-Übernahme über VW hinwegfegten. "In der Staatskanzlei versteht doch keiner etwas vom Autobauen", spottet ein Insider. "Die Kontrollfunktion, die das Land ja auf Kapitalseite wahrnimmt, ist daher oft nie erst genommen worden."

Weil hat an Format gewonnen

Das ist inzwischen anders. Und dies, sagt ein Kenner der Lage, sei nicht nur dem Umstand der Krise geschuldet, die im Frühling mit dem Machtkampf des VW-Patriarchen Ferdinand Piëch begann und sich inzwischen zum Diesel-Debakel auswuchs. "Stephan Weil hat im Kreis der Kontrolleure gewaltig an Format gewonnen", sagt ein VW-Aufsichtsrat. Diese Meinung ist im Umfeld des Gremiums kein Einzelfall. Anfangs sei Weil eher als Mittler, also als "typischer Politiker" aufgetreten, nun setze er Themen und schrecke dabei auch vor offener Kritik nicht zurück, heißt es aus den Reihen der Kapitalseite des Aufsichtsrates.

Offen zeigte sich diese - ansonsten nur hinter den Kulissen geäußerte - Kritik etwa bei der Inthronisierung des einstigen VW-Finanzchefs Hans-Dieter Pötsch an der Aufsichtsratsspitze. Bis zum Schluss habe Weil mit Skepsis reagiert auf die von der Kapitalseite geforderte Nachfolgelösung für Piëch. Am Ende konnte aber auch er sich nicht dem Willen der VW-Großaktionärsfamilien Piëch und Porsche widersetzen.

Die konsequente Aufklärung ist Grundlage für den Neuanfang

Weil selbst sieht angesichts der Krise seine Rolle im Aufsichtsrat nicht nur als Kontrolleur, sondern auch als Ermittler. Die konsequente Aufklärung aller Vorgänge im Zusammenhang mit der Manipulation von Abgaswerten sei für das gesamte Unternehmen ein schmerzlicher Prozess, aber zugleich auch Grundlage für den nötigen Neuanfang, sagt er Anfang Oktober im Landtag in Hannover. "Das ist die klare und unmissverständliche Haltung, die die Vertreter des Landes Niedersachsen im Aufsichtsrat von Anfang an vertreten haben."

Dieses Selbstverständnis zeigte sich erstmals im April beim Höhepunktim Machtkampf zwischen dem damaligen VW-Patriarchen Piëch und dem inzwischen über die Dieselaffäre gestürzten VW-Chef Martin Winterkorn. Als im Anwesen von Piëch in Salzburg das Präsidium zur alles entscheidenden Sitzung in dessen Machtkampf zusammenkommt, war es Weil, der dem "Alten" die Stirn bot.

Wie Beteiligte berichten, führte er das Wort in der Fünferallianz gegen Piëch, der zuvor Winterkorn öffentlich das Vertrauen entzogen hatte. So gelang am Ende das fast Unmögliche: Land, Gewerkschaft und Piëchs Cousin Wolfgang Porsche gingen als Sieger des Machtkampfes hervor, der vor allem auch ein Kampf im VW-Präsidium war, in dem Weil eine Hauptrolle übernahm.

Selbst die New York Times hört zu, wenn Weil spricht

Auch wenn Weil es so nie sagen würde, kann man ihn als Gewinner der VW-Krise bezeichnen. Der 56-Jährige, der vor zehn Jahren noch Kämmerer der Stadt Hannover war und Ende 2006 als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt in seinem ersten Neujahrsgrußwort noch von Themen wie "Krippen, Krabbelstuben und Kitas" sprach, ist zu einem der Krisenmanager für den größten Skandal in der deutschen Wirtschaftsgeschichte geworden. Längst steht sein Name auch auf der Liste internationaler Medien fernab der norddeutschen Tiefebene - sein Wort hat Gewicht. So sitzt neuerdings auch die "New York Times" in Weils Journalistenrunden.

Weil, der sich ungeachtet dessen lieber als "schlichter Erdenbürger" charakterisiert, kommentiert das alles nicht. Plaudern aus dem Nähkästchen ist weiterhin nicht Sache des studierten Juristen und ehemaligen Richters. Dennoch fällt eines auf: Sein Zeigefinger in Richtung der Konzernzentrale in Wolfsburg ist größer geworden. Und obwohl es dort nicht jedem gefällt, wenn Kritik oder Ärger aus Hannover laut werden: Auf die leichte Schulter nimmt man Weils Äußerungen auch in den obersten VW-Chefetagen schon lange nicht mehr.

Doch vor Pannen ist auch er nicht sicher: Seit einigen Tagen sorgt eine in der Staatskanzlei vermisste Handakte zum Abgas-Skandal für Ärger. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt wegen möglichen Diebstahls. In der Akte befinden sich aber Angaben der Staatskanzlei zufolge keine Aufsichtsratsunterlagen.

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