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Studie: Mehr Verkehr durch Carsharing - Vom Rad ins Carsharing-Auto

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Eine neue Studie behauptet Ungeheuerliches: Carsharing verringere nicht den Verkehr, es erhöhe sogar die Zahl der Autofahrten. Die Anbieter sind entrüstet.

Fluch oder Segen? Erhöhen Carsharing-Autos den Verkehr oder verringern sie ihn? Fluch oder Segen? Erhöhen Carsharing-Autos den Verkehr oder verringern sie ihn? Quelle: picture alliance / dpa

Berlin - Autos sollen bewegen und stehen doch die meiste Zeit am Straßenrand. Sie kosten Geld und Parkgebühren und sie verschmutzen die Umwelt. Aus diesen Gründen verzichten einige Menschen auf ein eigenes Auto und teilen sich einen Pkw mit ihren Mitmenschen. In Berlin steht an fast jeder Ecke ein Car2go, Drive-Now- oder Multicity-Auto.

Carsharing ist Bequemlichkeitsmobilität

Viele teilen sich wenige Autos - das klingt modern, umweltfreundlich und günstig. Eine neue Studie behauptet nun, das Gegenteil sei der Fall. Die Fahrten seien „motorisierte Bequemlichkeitsmobilität im Nahbereich“, die zuvor mit dem Fahrrad oder dem Nahverkehr zurückgelegt wurden. Das heißt, das geteilte Auto verschlimmert den Verkehr statt ihn zu verbessern. Die einzige umweltfreundliche Alternative zum Auto sei deshalb der ÖPNV.

Hinter der Studie steckt das Unternehmen Civity, ein Beratungsunternehmen für öffentliche Dienstleistungen. Öffentliche Dienstleistung? An dieser Stelle darf man getrost stutzig werden. Denn eine Studie, die für den ÖPNV arbeitet, kommt zu dem Ergebnis...

Doch schauen wir uns erst einmal die Ergebnisse an: Civity hat ein Jahr lang Daten von rund 18 Millionen Carsharing-Anmietungen analysiert. Das Fazit: In Berlin sind 50 Prozent der Fahrten kürzer als fünf Kilometer. Die Autos werden im Schnitt 62 Minuten pro Tag bewegt, ein privater Pkw 36 Minuten. Aus diesen Zahlen und "nicht repräsentativen Nutzeraussagen" haben die Berater geschlussfolgert, dass die meisten Carsharer früher Bus, Bahn oder Rad gefahren sind.

Kritik der Anbieter

Bei den Carsharing-Anbietern sorgt die Studie für Empörung. Laut Daimler werden die Autos im Schnitt sechs- bis achtmal pro Tag ausgeliehen, sagt Andreas Leo von Car2go zu „Spiegel Online“, bei einer Mietdauer von 20 bis 40 Minuten. BMW wollte sich laut dem Nachrichtenportal nicht zu der Untersuchung äußern.

Neben der Nähe zum öffentlichen Nahverkehr gibt es noch weitere Kritikpunkte an der Studie: Civity hat für die Auswertung lediglich die Buchungsseiten der Anbieter beobachtet. Alle 30 Minuten wurden die Buchungszahlen gespeichert und wohin die Autos fahren, wie Spiegel Online berichtet. Das hat nach Ansicht von Experten jedoch keine Aussagekraft bezüglich des gesamten Fahrverhaltens. Außerdem gebe es keinen Vorher-Nachher-Vergleich.

Dudenhöffer: Trend schon lange bekannt

Anfang Juli äußerte sich Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesumweltministerin, zum Thema Carsharing in Städten: "Neue Carsharing-Konzepte und Elektromobilität sind zwei der Hauptinnovationsfelder der letzten Jahre im Bereich Verkehr. Sie sind ein Schritt hin zu energieeffizienten und emissionsfreien Mobilitätsdienstleistungen in Ballungsräumen".

Für Ferdinand Dudenhöffer, Auto-Experte und Professor an der Universität Duisburg-Essen, sind die Ergebnisse der Civity-Studie nicht überraschend. "Es ist schon lange bekannt, dass in großen Städten manche Menschen vom Bus auf Carsharing umsteigen", sagte Dudenhöffer zu MOTOR-TALK. Das liege auch am Angebot des ÖPNV. Ebenfalls klar sei, dass stationsloses Carsharing wie Car2go und Drive Now mehr Autos in die Städte bringe. Anders ist dies nach Ansicht des Professors bei stationsgebundenen Carsharing-Angeboten wie Flinkster.

Mehr oder weniger Autos durch geteilte Mobilität? Eines ist klar: Umweltschutz ist ein riesiger Trend. Davon wollen alle profitieren, ob ÖPNV oder Autoindustrie. Und profitieren bedeutet meist kassieren und fast nie schützen.

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