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Continental: Reifen aus Löwenzahn - Vom Unkraut zum kultivierten Reifenrohstoff

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Naturkautschuk ist für die Reifenproduktion unentbehrlich: ein Rohstoff aus den Tropen, der lange Transportwege gehen muss. Auf denen wird viel CO2 verbraucht. Continental arbeitet deshalb an einer Alternative aus Löwenzahn.

Russischer Löwenzahn - robust und hierzulande anbaubar Russischer Löwenzahn - robust und hierzulande anbaubar Quelle: Continental

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Anklam/Hannover - Nur original aus russischer Pusteblume: In rund 10 Jahren will Continental Sommer- und Winterreifen aus Löwenzahn in Serie anbieten. Noch in diesem Jahr eröffnet in Mecklenburg-Vorpommern hierfür das Taraxagum Lab Anklam.

Der Winterreifen WinterContact TS 850 P wurde bereits als Kleinserie mit einem Laufstreifen aus reinem Löwenzahn-Kautschuk hergestellt. Im Vergleich mit Serienprodukten, die ausschließlich Naturkautschuk von Gummibäumen verwenden, seien seine Leistungseigenschaften identisch, sagt Dr. Carla Recker, Materialforscherin und Projektleiterin Taraxagum. „Unsere bisherigen Reifentests zeigen ein vergleichbares Eigenschaftsbild“.

Aber zurück auf Anfang: Autoreifen bestehen zum größten Teil aus Kautschuk. Volle 75 Prozent der Weltproduktion an natürlichem Kautschuk dienen der Reifenindustrie. Bereits im Jahr 1909 erfand Chemiker Friedrich Hofmann synthetischen Kautschuk. Doch dieser kann mit dem Original nicht in allen Bereichen mithalten. Naturkautschuk bleibt bei tiefen Temperaturen wesentlich flexibler als der durch Polymerisation hergestellte künstliche Kautschuk. Daher wird weiterhin vor allem bei der Produktion von Laufstreifen Naturkautschuk beigemischt. Spezielle Mischungen dieser Kautschukarten sichern besonders bei Winterreifen guten Grip auf Schnee und Eis.

Auf der Suche nach einer Alternative

Der Hevea-Baum, besser bekannt als Kautschukbaum, wächst klimabedingt nur am Äquator. Schon die Azteken und Mayas gewannen aus ihm Naturkautschuk, indem sie die Rinde anritzten und den herausquellenden Saft auffingen. Heute kann ein Teil des Gesamtbedarfs an Kautschuk durch synthetische Produkte gedeckt werden. Parallel dazu aber steigt der Bedarf.

Grund genug, nach einer praktikablen Alternative zu suchen. Continental arbeitet seit Jahren gemeinsam mit Wissenschaftlern des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie in Münster sowie weiteren Projektpartnern an einem Verfahren zur Herstellung von Reifen mit dem Rohstofflieferanten Löwenzahn.

Anspruchslos und ertragreich

Dabei soll eine Pflanzensorte eingesetzt werden, die bereits in den Dreißigerjahren in Russland gezüchtet wurde – der Russische Löwenzahn, voller Name: Taraxacum koksaghyz. Eine ausdauernde, krautige Staude, die bis 15 Zentimeter hoch werden kann. „Der Russische Löwenzahn gilt als eine von drei bekannten Pflanzen (Kautschukbaum, Guayule, Russischer Löwenzahn), die Naturkautschuk in technisch nutzbarer Qualität produzieren“, sagt Recker. „Aus unserer Sicht bietet der Russische Löwenzahn das beste Potenzial einer alternativen Quelle.“

Im Gegensatz zum in Mitteleuropa beheimateten gewöhnlichen Löwenzahn enthält der Milchsaft des russischen Bruders zwischen 6 und 10 Prozent Naturkautschuk. Aus den geköpften, gewaschenen und geschnittenen Rüben des Löwenzahns kann in vollautomatisierter Ernte fester Rohkautschuk gewonnen werden.

Doch so robust und anspruchslos Löwenzahn auch ist, er ist keine Ackerpflanze, die stabile Erträge liefert. „Herausforderungen sind vielfältig, wenn man ausgehend von einer Wildpflanze eine Kulturpflanze etablieren will“, sagt Recker, „das fängt nicht zuletzt beim Wetter an“. Durch gezielte Zuchtprogramme soll sich das ändern: Forscher haben eine Sorte mit besonders großem Wurzelwerk gezüchtet.

„Wenn man den gesamten Naturkautschukbedarf Deutschlands zukünftig mit Löwenzahn decken möchte“, sagt Recker, „würde man mit den Zielerträgen von ca. einer Tonne pro Hektar und Jahr (das ist vergleichbar mit einer Kautschukbaumplantage) nur etwa fünf bis sieben Prozent der heutigen Anbaufläche für Mais benötigen“.

Keine Gefahr für die Felder nebenan

Bis zur Serienreife des Taraxagum-Reifens gibt es jedoch noch ein paar Hürden zu meistern. Dies soll beispielsweise in Anklam passieren, auf einem 30.000 m² großen Grundstück im Gewerbegebiet Lilienthalring. Dort investiert Continental, unterstützt vom Wirtschaftsministerium des Landes, 35 Millionen Euro in ein Forschungslabor für Löwenzahn-Kautschuk. „Im Forschungslabor in Anklam erforschen wir einen nachhaltigen Extraktionsprozess und die Grundlagen für eine Anbaupraxis“, sagt Recker.

Mit der ersten im August installierten Anlage soll noch 2018 Kautschuk aus Löwenzahnwurzeln gewonnen werden. Mit ihr konnte bei Versuchen deutlich mehr Kautschuk gewonnen werden als mit den bislang genutzten Anlagen bei den Versuchspartnern von Continental.

Für umliegende Felder bedeute der Russische Löwenzahn keine Gefahr, sagt Recker: „Verschiedene Gutachten und gerade abgeschlossene Untersuchungen in einem EU-Forschungsvorhaben belegen, dass sich der Russische Löwenzahn nicht invasiv verhält.“

All das spricht dafür, dass Taraxagum eine echte Alternative zum Naturkautschuk darstellen könnte. „Basierend auf unseren heutigen Erfahrungen“, sagt Recker, „gehen wir davon aus, dass Taraxagum in allen heutigen Naturkautschuk-Anwendungen sinnvoll eingesetzt werden kann.“

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