Kommt sie oder kommt sie nicht? 20 Jahre nach den ersten Wasserstoffautos ist die Brennstoffzelle für Entwickler ein Dauerbrenner, für Kunden aber eine Fehlzündung.
Quelle: Audi, BMW, Daimler, Toyota, Honda Tokio/München - Das sind Abgase, die selbst Klimaschützer gern sehen: Zwar hüllt sich der neue Honda Clarity bei der ersten Testfahrt in eine dicke, weiße Wolke. Doch was da aus dem Heck quilt, ist nichts anderes als Wasserdampf. Die futuristisch gezeichnete Limousine, die im Frühjahr in den Handel kommt, fährt mit einer Brennstoffzelle. Quelle: Toyota Aus in Carbon-Drucktanks gespeichertem Wasserstoff erzeugt sie Strom für einen Elektromotor. Als einziges Abfallprodukt produziert sie chemisch reines Wasser, das als Dampf aus dem Heck emporsteigt, erläutert Thomas Brachmann aus der Entwicklungsmannschaft. Sein Chef Keiji Otsu nennt diese Technik den "Antrieb für eine saubere Zukunft". Damit ist Honda nicht allein: Bereits seit gut einem Jahr verkauft Toyota ein entsprechendes Auto und hat ihm die Mission sogar in den Namen geschrieben: "Denn Mirai heißt auf Japanisch nichts anderes als Zukunft", sagt Projektleiter Yoshikazu Tanaka über die 4,90 Meter lange Limousine. Die Zukunft von gesternNeben Honda und Toyota reklamiert auch Hyundai für sich, den Schritt in das neue Zeitalter bereits gemacht zu haben - und zwar vor den Japanern. Denn die Koreaner verkaufen ihre Brennstoffzelle bereits seit 2013 und haben immerhin schon viele Hundert Autos auf der Straße. Allerdings steckt die Technik bei ihnen in einem umgerüsteten ix35, während Honda und Toyota dafür eigene Autos entwickelt haben. Quelle: Daimler Dass die Brennstoffzelle im Prinzip eine gute Alternative zum Verbrenner ist, hat vor allem zwei Gründe, sagt Toyota-Manager Tanaka: "Anders als Mineralöl ist das Edelgas theoretisch unbegrenzt verfügbar. Und es lässt sich - ebenfalls in der Theorie - komplett CO2-neutral produzieren und verbrennen." Emissionsfreie Mobilität ohne Angst um die Ressourcen könne zwar auch mit Strom funktionieren, räumt der Projektleiter ein. Doch erstens lässt sich Wasserstoff besser speichern und zweitens punktet die Brennstoffzelle gegenüber dem Elektroauto mit den kürzeren Boxenstopps: "Für 500 Kilometer Reichweite braucht man bei einer Batterie selbst mit einem Schnelllader über 30 Minuten", erläutert Honda-Entwickler Brachmann. "Ein Auto wie den Clarity tankt man dagegen in drei Minuten." Was wird aus der Well-to-Wheel-BilanzAllerdings gibt es auch viele Gründe, die gegen die Brennstoffzelle sprechen: "Wasserstoff ist nur dann ein sauberer Treibstoff, wenn er aus regenerativen Energien hergestellt wird", erklärt Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. "Und davon sind wir noch weit entfernt." Quelle: BMW Außerdem mangele es an Transportkapazitäten, von einer flächendeckenden Versorgung mit Tankstellen ganz zu schweigen. Selbst wenn das mittlerweile auf 2016 verschobene Versprechen von 50 Tankstellen in Deutschland eingelöst wird und bis 2023 sogar 400 Zapfsäulen aufgestellt sind, bleiben noch die hohen Kosten, sagt Dudenhöffer. Er spielt damit auf die teure Platin-Beschichtung an, die eine Brennstoffzelle benötigt. Nicht umsonst kostet der Toyota Mirai in Deutschland 78.540 Euro und ist nach Angaben des Herstellers noch immer ein Zuschussgeschäft. "Den Platin-Anteil fahren wir mit jedem Entwicklungsschritt herunter und kommen so zumindest langfristig auf konkurrenzfähige Kosten", sagt Toyota-Entwickler Tanaka. Doch Energieversorgung und Infrastruktur seien Aufgaben, die nur mit Hilfe von Politik und Gesellschaft gelöst werden könnten. Die ins Boot zu holen, da sind die Asiaten realistisch genug, wird ihnen alleine nicht gelingen. Erst recht nicht in Europa: "Dafür brauchen wir eine starke Bewegung, in der sich auch die heimischen Hersteller engagieren", sagt Honda-Manager Thomas Brachmann. Auch Europa wird wieder neugierigDie Hoffnung könnte langsam fruchten. Nachdem die Brennstoffzelle zuletzt ein durch und durch asiatisches Thema war, zündet die Ideejetzt offenbar auch bei den Europäern wieder. Daimler arbeitet an der Technik schon lange und forscht mittlerweile in einer Allianz mit Ford und Renault-Nissan. 2017 will diese Allianz ein marktfähiges Auto vorstellen. Andere Hersteller springen auf den Zug. So nutzt BMW die Kooperation mit Toyota für die Entwicklung eines eigenen Brennstoffzellen-Fahrzeugs. Immerhin acht alltagstaugliche Prototypen auf Basis des 5er GT wurden aufgebaut, sagt Matthias Klietz, Leiter der BMW-Antriebsforschung. Einen Widerspruch zum Engagement bei Elektroautos mit dem i3 oder Plug-In-Hybriden wie dem X5 sieht er darin nicht: "Es gibt für uns kein Entweder-Oder und leider auch keine Antriebstechnologie, mit der wir alle unsere Hausaufgaben auf einmal machen können." Je größer Fahrzeug und Reichweite werden, desto teurer und schwerer wird der Akku und desto länger dauert das Laden, skizziert Klietz die Negativspirale: "Da kommt irgendwann der Punkt, an dem die Brennstoffzelle plötzlich sehr attraktiv wird." H-Tron statt E-Tron?Und auch der VW-Konzern intensiviert seine Forschung wieder. "Jahrelang haben wir nur zugeschaut und gerade so viel gemacht, dass wir den Anschluss nicht verlieren", räumt ein Ingenieur aus Wolfsburg ein. "Doch jetzt zeigt die Kurve für unser Engagement wieder steil nach oben", sagt Immanuel Kutschera, der bei Audi die Brennstoffzellen-Entwicklung leitet. Nach einem umgerüsteten A7 aus dem Jahr 2014 hat Audi im Januar auf der Motorshow in Detroit mit der auf Brennstoffzelle umgerüsteten Studie H-Tron bewiesen, dass sie weiter an dem Thema arbeiten. Ganz so optimistisch wie seine japanischen Kollegen ist Kutschera aber nicht. Während Honda im Jahr 2016 zumindest 200 Clarity bauen will und Toyota 2020 sogar schon mit 30.000 Mirai kalkuliert, denkt er nur an eine Forschungsflotte für die interne Verwendung. Genau wie sein BMW-Kollege Klietz hält er die Zeit noch nicht reif für den freien Verkauf der Brennstoffzelle: "In diesem Jahrzehnt wird das nichts mehr." |