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1.000.000 Kilometer im Mercedes W124 - Vom Werkswagen zum Millionär

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Auf seinen Mercedes 200D lässt Michael Nickl nichts kommen. Der Daimler-Ingenieur fährt seinen W124 seit fast 25 Jahren und hat gerade die Million geknackt.

Michael Nickl übernahm seinen W124 am 16. Juli 1992. Untypisch für Werkswagenfahrer behielt er ihn danach einfach Michael Nickl übernahm seinen W124 am 16. Juli 1992. Untypisch für Werkswagenfahrer behielt er ihn danach einfach Quelle: Benjamin Bessinger/SP-X

Stuttgart - Michael Nickl und sein Mercedes sind viel herumgekommen, aber diese Fahrt in den Norden wird der Mercedes-Entwickler so schnell nicht vergessen. Auf einem Feldweg in Friesland hat Nickl etwas gesehen, was nur wenige Autofahrer sehen: Bei seinem 25 Jahre alten Mercedes hat nach einer Million Kilometern der Tacho genullt. „Das ist ein Erlebnis, auf das ich jahrelang hingearbeitet habe“, sagt der 57-Jährige.

Stolz zeigt Nickl die Fotos von den sechs Neunen, die langsam hinter dem Ziffernblatt verschwinden. Den Wagen hat Nickl für diesen Moment gehegt und gepflegt, und dabei schon viele kleine Jubiläen gefeiert. „Seit der halben Million war das jedes Mal ein Fest“, sagt der Ingenieur und berichtet vom kleinen Umtrunk mit den Kollegen. Die sind schließlich mit Schuld, dass es überhaupt so weit gekommen ist.

Dabei hat die Mission „Millionär“ am 16. Juli 1992 ganz unspektakulär begonnen. Kaum hatte der junge Student aus Oberfranken „beim Daimler“ seinen Job, tauschte er seinen gebrauchten Golf gegen den ersten Werkswagen. Einen Mercedes W124, 200D mit 75 PS starkem Vierzylinder. Dunkelblau im Farbcode 904 lackiert, mit Stoffsitzen und einem Glasdach als einzigem Extra.

Weiterfahren wurde zum Sport

Ursprünglich hatten Nickls Kollegen gewettet, wie lange sein Auto noch hält. Seitdem gönnt er ihnen nicht den kleinsten Triumph Ursprünglich hatten Nickls Kollegen gewettet, wie lange sein Auto noch hält. Seitdem gönnt er ihnen nicht den kleinsten Triumph Quelle: Benjamin Bessinger/SP-X Wie bei solchen Wagen üblich, wollte er den Wagen nach einem Jahr verkaufen und sich mit dem Gewinn ein besseres Modell holen. Doch dann fand die Wissenschaft heraus, dass Diesel möglicherweise krebserregend sei. Danach haben Politiker auch noch die Zinsabschlagssteuer eingeführt. „So war mein Auto nicht nur beinahe unverkäuflich, sondern ich hätte darauf auch noch besonders viel Steuern zahlen müssen“, erinnert sich Nickl. „Deshalb habe ich ihn einfach behalten.“ Und weitergefahren. Und weitergefahren. Und weitergefahren.

Als die Kollegen über die ersten Rostflecken zu frotzeln begannen, ist aus dem „weiterfahren“ ein Sport geworden. „Erst haben sie mich aufgefordert, mir mal ein neues Auto zu kaufen. Und dann haben sie angefangen, mir Wetten anzubieten, wie lange er denn halten würde“. So wurden erst die 500.000 zur Hürde und dann jeder weitere Hunderttausender.

Dass der 124er überhaupt so lange durchgehalten hat, wundert Nickl selbst am meisten. Schließlich hat er den Wagen nicht geschont. Er ist jeden Tag mit ihm 25 Kilometer zur Arbeit hin und wieder zurückgefahren. Hat ihn in den ersten Jahren nicht einmal in der Garage geparkt und hatte nur wenig Lust aufs samstägliche Autowaschen.

Aber die Technik hatte er im Griff. Keinen Ölwechsel hat er verpasst, immer gut geschmiert und lieber zweimal nach dem Luftdruck geschaut als einmal nach dem Lack. In all den Jahren ist dem Benz wenig passiert, und er ist nur ein einziges Mal liegen geblieben - ausgerechnet kurz vor der eigenen Haustür. Und ausgerechnet auf der Autobahn, erinnert sich der Kilometer-Millionär.

Verwohnt, aber TÜV ist kein Problem

Nur ein einziges Mal blieb Nickl mit dem W124 liegen, und das auch noch kurz vor der eigenen Haustür Nur ein einziges Mal blieb Nickl mit dem W124 liegen, und das auch noch kurz vor der eigenen Haustür Quelle: Benjamin Bessinger/SP-X

Mittlerweile parkt Nickl in der Garage, und zumindest zu Kilometer-Jubiläen wird das Auto gründlich gewaschen. Doch die 25 Jahre haben Spuren hinterlassen: Der Lack ist stumpf geworden, der Stern auf der Haube hat seinen Glanz verloren, die Schalen hinter den Türgriffen wirken, als hätte Nickl sie mit Stahlwolle poliert. Unter der Motorhaube mit der zerfledderten Isolierung sieht es aus wie im Heizungskeller eines Mietshauses aus den Fünfzigern. Außerdem ist das Lenkrad abgegriffen, am Fahrersitz bricht so langsam das Polster auf, und bei vielen Schaltern kann man die Beschriftung längst nicht mehr lesen.

„Doch für den TÜV reicht es allemal“, sagt Nickl und sieht dem nächsten Termin im Jahr 2018 ganz gelassen entgegen. Was bis dahin zu reparieren sein sollte, erledigt er bei einem Freund auf der Hebebühne am liebsten selbst. Das ist sein größtes Hobby neben dem Schreibtischjob. Nickl ist sich sicher, dass der TÜV ihn und seinen Millionär auch im nächsten Jahr nicht scheiden werden.

Viel mehr Angst hat er da vor seiner Frau, die den alten Benz nicht so schätzt. Vor allem beim Auffahren auf die Autobahn komme der Diesel einfach nicht auf Touren. Und manchmal dürfe es auch etwas schneller sein als 100, 120 Kilometer pro Stunde, die Nickl dem 124er noch abringt.

Aber auch das hat Nickl im Griff, indem er seiner Frau vor ein paar Jahren einen SLK gekauft hat. Ein neues Auto kommt ihm selbst vor der Rente ganz sicher nicht auf den Hof. Erstens, weil er seinen Kollegen keinen Triumph gönnen möchte. Und zweitens, weil er den aktuellen Modellen keine solchen Laufleistungen mehr zutraut: „Die Zeiten der Kilometer-Millionäre sind wahrscheinlich für immer vorbei“, sagt der Daimler-Mann.

Weiterlesen: Zu Besuch beim W124-Experten in Berlin

Quelle: SP-X

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