Mit 30 Jahren wird ein Auto alt-ehrwürdig: Etwas überraschend bekommt nun der ewig junge Ibiza ein H-Kennzeichen. Ein Rückblick.
Barcelona – Isidre Lopez liebt seine Autos. Der 45-Jährige ist Chef von Seat Coches Históricos, Seats Klassikabteilung in der Nähe von Barcelona. Seit vier Jahren fährt, pflegt und verwaltet der Spanier Autos aus fünf Dekaden. Insgesamt sind es 247 Stück. Seine Liebe zu den Autos geht so weit, dass er kürzlich einen russischen Journalisten am Schlafittchen aus einem Auto gezogen hat. „Er hat ihn einfach nicht respektiert“, rechtfertigt sich der kleine Mann mit der Zahnspange. Renngeschichte in SpanienStreng genommen verdient die erste Rennstrecke Spaniens (Eröffnungsjahr: 1923) diese Bezeichnung nicht mehr. Zwei Steilkurven erinnern an das Tempo vergangener Tage. Doch die Natur hat den Streckenbelag längst vereinnahmt. Die Betonplatten, damals die Krönung des Straßenbaus, liegen nur ungefähr nebeneinander, selten auf einer Höhe. Jeder Meter fühlt sich an wie eine Fahrt im Karussell auf der Nordschleife – eine Probe für Dämpfer, Lager und Bandscheiben. Im Infield des Rundkurses verfällt auf malerische Weise ein Bauernhof. Auf der Strecke haben ein paar Halbstarke ihre Graffiti-Tags verewigt. Fans gibt es nicht. Dafür viel Platz und Zeit. Und 13 spanische Kleinwagen, Reifen an Reifen, alt neben neu, Sportler neben Spritsparer. „Nimm dir, was du willst!“, sagt Isi. Das ist einfach – den Ältesten natürlich. „Nur nicht den Ältesten. Oder die Rennwagen.“ Mist. Aber verständlich, es geht um den Ibiza mit der Fahrgestellnummer eins. Dann eben einen jüngeren. Einen SXI der ersten Generation von 1988. Isi nickt. 30 Jahre Seat Ibiza: Porsche mischt mitSXI, das steht für Sport. Großen Sport in der kleinen Klasse, denn der Motor stammt (zum Teil) aus Zuffenhausen. Als Seat den Ibiza 1984 vorstellte, baute VW bereits Autos in Seat-Werken – der Hersteller selbst gehörte aber dem spanischen Staat. Die kleinsten Motörchen (0,9 Liter, 40 und 44 PS) stammen von Ex-Partner und -Technik-Lieferant Fiat. Alle größeren (1,2 bis 1,5 Liter, 60 bis 100 PS) entwickelte Seat gemeinsam mit Porsche. Der Schriftzug „System Porsche“ auf dem Ventildeckel verdutzt manche Rennleitung. Tieferlegung und Riesen-Felgen mit Gummi-Bedampfung á la Cupra gab es damals nicht. Komfort ging vor Optik. Von den 185/60er Reifen auf 14 Zoll bis hin zu Sport-Sitzen mit Sofa-Genen. Ich versinke tief im 80er-Jahre-Plüsch, bleibe dank hoher Wangen trotzdem sicher umarmt. Ein einzelnes, nach außen gebördeltes Endrohr faucht kaum lauter als bei schwächeren Versionen. Dezenter als zur gleichen Zeit ein marginal stärkerer Golf GTI. Ungefähr so fährt er auch, der schnellste Serien-Ibiza der späten 80er. Für einen Zweiventiler gibt sich der Motor erstaunlich drehfreudig, liefert im Keller aber genug Kraft. Gäbe es in Terramar richtige Kurven, würde sich der SXI allerdings kräftig zur Seite neigen. Bis die Türklinken kratzen. Die einzigen Kehren sind aber bis zu 90 Grad steil. Und so uneben, dass jeder Millimeter Federweg den Rücken freut. Meiner stört sich kaum am Zustand der Straße. Fast ein Multifunktionslenkrad, fast ein Cabriolet Isis coolste Ibiza 1 sind übrigens zwei andere Exemplare. Sein schnellster Kleinwagen hat zwei Motoren, jeweils 140 PS stark: Für die Schotter-Rallye wurde aus dem süßen Spanier ein ohrenbetäubendes Biest. Bei einer Testfahrt kommentiert Isi die Versuche, mein Gehör zu schützen: „Stereo!“, strahlt er und lässt seine Zahnspange aufblitzen. „Wahnsinn!“, brülle ich. Fast wäre aus dem Ibiza 1 ein Cabriolet geworden. Sieben Prototypen wurden gebaut, zwei sind noch „ausstellungswürdig“. In Spanien war Platz für keins – wegen der extremen Sonne gab es dort keinen Markt für so ein Auto. Schade, denn das Stoffdach passt ausgezeichnet zum Ibiza. Nur ein Bügel fehlt, besonders mit Blick auf die Steilkurven in Terramar. Pro Jahr baute Seat bis zu 119.000 Ibiza 1. Insgesamt liefen 1.308.461 Exemplare der ersten Serie vom Band. Bis heute ist der Kleinwagen das meistverkaufte Auto der Spanier. Ibiza 2: Schnelle heiße GTI, ganz schnelle Cupra Wer heute einen schnellen Ibiza 2 mit genug Leistungspotenzial sucht, der kauft den Facelift-Cupra mit 20-Ventil-Turbo-Motor. Genießer greifen hingegen zum früheren Top-Modell. Sein 16-Ventiler stammt aus dem größeren Golf 3 16V. Er gilt unter Fans als einer der besten Motoren des Konzerns. Er hätte schon Anfang der 90er den damals neuen VR6-Motor mit annähernd gleicher Leistung ersetzen können. Downsizing war aber noch kein Thema, ein Sechszylinder im Kompaktwagen hingegen eine Sensation. Der erste Cupra basiert auf einem Rallye-Meister Der 960 Kilogramm leichte Breitbau-Renner scheppert, rüttelt und schreit. Sein Motor mag den Leerlauf nicht. Die große Ventilüberschneidung der Nockenwellen zwingt ihn ständig in den Drehzahlkeller. Seine volle Leistung erreicht er bei 8.400 Touren. Dann vibriert der Innenraum wie eine Waschmaschine mit Steinen in der Trommel. Seinen Antriebsmoment bringt der Ibiza nur mittels Sperrdifferenzial auf die Straße. Isi steuert den Renner routiniert wie jeden anderen Ibiza – am liebsten ganz oben in der Steilkurve. Das Kit Car bildet die Grundlage für den ersten Ibiza Cupra (kurz für Cup Racer). Diesen Namen tragen heute alle sportlichen Seat-Topmodelle. In der zweiten Ibiza-Generation fuhr der Schnellste ohne Konzern-Daumenschrauben: Er war dank der Golf-Motoren 55 PS stärker als ein VW Polo GTI. Insgesamt verkaufte Seat 1.522.607 Ibiza 2 zwischen 1993 und 2002. Seat Ibiza 3: Heizöl für die Rennstrecke Den 1,9-Liter-Selbstzünder gab es konzernweit in über 100 Varianten in Klein-, Kompakt- und Mittelklasseautos. Kenner schätzen seine Haltbarkeit und ziehen ihn häufig den großvolumigeren Selbstzündern vor. Sparfüchse modifizieren die Aggregate und betanken sie mit Pflanzenöl. Isi hat davon noch nichts gehört. Doch der Anblick einer Salatöl-Flasche am Tankstutzen lässt ihn schmunzeln. Das Blechkleid des dritten Ibiza polarisiert. VW-Design-Boss Walter de Silva zeichnete den Kleinwagen. Vielen Kunden fehlte der Charme der zweiten Generation. Trotzdem wurde der Dritte zum Rekord-Ibiza. In sieben Jahren Bauzeit verkaufte er sich 1.221.200 Mal. Generation 4: Zu jung für das Museum Die erfährt er gemeinsam mit seinem Konzern-Bruder VW Polo. Der stiftet (wieder) die Plattform, die Ibiza-Motoren schrumpfen. Als Cupra leistet er 180 PS aus 1,4 Litern Hubraum. Lifestyle wird immer wichtiger für den kleinen Spanier. In seinem Heimatland gibt es sogar eine Spotify-Version mit passendem Handy. Die Konzern-Politik hat aus dem Rebellen einen hübscheren VW Polo gemacht. Etwas mehr Porsche täte ihm gut. Quelle: MOTOR-TALK |
